VERUNSICHERUNG UND OFFENE FRAGEN BEIM FCBASEL VOR DEM HEUTIGEN SAISONSTART

MARCELROHR
Samstag, 13. Mai, und Donnerstag, 13. Juli - zwei Daten, die das Fussballjahr 2006 des FCBasel nachhaltig prägen. Vor exakt zwei Monaten erlebte der FCB die schwärzesten Stunden seiner Geschichte. Zuerst entriss ihm der FCZürich den sicher geglaubten Meistertitel, ehe mehrere Hundert Krawallmacher im und um den St.-Jakob-Park kaputtmachten, was man kaputtmachen kann. Was später in der ganzen Schweiz als «Nacht der Schande» gegeisselt wurde.
Die schlimmen Ausschreitungen haben alle beim FCBasel schwer getroffen. Man spürt förmlich, wie die Verantwortlichen krampfhaft versuchen, ihre Kräfte neu zu bündeln, wie sie bestrebt sind, Optimismus zu verbreiten.
Denn heute ist der 13. Juli - der Tag, bei dem jedem echten Fan das Herz vor Freude hüpfen sollte; im Normallfall präsentiert der Trainer dann seine neue Mannschaft, die zahlende Kundschaft wartet begierig auf die ersten Flanken der frischen Gesichter, und in der Stadt freut man sich, wenn im Erlebnispark St. Jakob endlich der Ball wieder rollt.
ANDEREVORZEICHEN.
In diesem Jahr ist vieles anders. Nur vier Tage sind seit dem WM-Final in Berlin vergangen. Mit Franz Burgmeier stand bis gestern Abend um 18 Uhr erst ein Neuzugang zu Buche, und ganz nebenbei schüttelt Christian Gross sein Team kräftig durch, lässt seinen spektakulärsten Spieler (Delgado) ziehen und hindert auch die Schweizer Nationalspieler Zuberbühler und Degen nicht, ihre Zukunft im Ausland zu planen. Um es klar zu formulieren: Sämtliche Abgänge, die der FCBasel seit dem Meistertitel 2005 vermeldet hat, waren richtig und finanziell teils bravourös abgehandelt; allein Patrick Müller und Matias Delgado haben dem FCBasel 12,5 Millionen Franken Ablöse eingebracht, eine für Schweizer Verhältnisse fantastische Summe.
Als so genannter «Schwellenclub» zwischen der Einöde der Super League und den Begehrlichkeiten der grösseren Clubs in Europa wird der FCB ständig nur ein Durchgangsbahnhof für die Helden von morgen sein. Damit muss der rotblaue Verein leben.
Doch das schnelllebige Geschäft verlangt auch nach neuen Figuren, nach Namen, an denen sich nicht nur die Muttenzer Kurve orientieren kann. In dieser Beziehung hat der entthronte Meister Nachholbedarf. Die Transfer-Verantwortlichen im Hintergrund wissen, dass sie nun hart gefordert sind. Nichts gegen den Fleiss eines Mile Sterjovski, nichts gegen die Zuverlässigkeit von Reto Zanni, die taktische Disziplin von Bruno Berner in Ehren - aber beim FCBasel hat sich die Fangemeinde in den letzten Jahren an Spieler mit grösserer Reputation und Ausstrahlung gewöhnt.
DER AUFTRAG.
Da sich die technische Abteilung entschieden hat, erneut wesentliche Teile der Mannschaft auszutauschen und mit jungen, unverbrauchten Profis in die Saison zu steigen, wird es einmal mehr an Christian Gross liegen, schnellstmöglich eine dynamische und erfolgreiche Mannschaft zu formen, die das Publikum zu begeistern vermag.
Dabei muss der renommierte Trainer den herben Rückschlag möglichst rasch verdauen, der ihm in der abgelaufenen Saison widerfahren ist - Gross hat vier von fünf Saisonzielen verpasst, was in der Restschweiz mit jenem Spott und jener Häme kommentiert wurde, die Gross und seine teils hochbezahlten Spieler seit Jahren begleiten, wenn sie die Erwartungen nicht erfüllen. Denn auch Gross ist nur ein Mensch mit Stärken und Schwächen. Und wenn Präsidentin Gigi Oeri im baz-Interview erwähnt, «dass wir seit dem 13. Mai alle etwas verunsichert sind», hat sie auch für den Coach gesprochen.
Viel Konkurrenz. Erschwert wird die Aufgabe durch die Konkurrenz: Nicht nur der FC Zürich hat am 13. Mai gemerkt, dass man in Basel nicht zwingend ein Spiel verlieren muss. Der FCB hat in der letzten Saison viel von seinem Nimbus der Unantastbarkeit eingebüsst, die Konkurrenz sieht sich teilweise schon auf Augenhöhe. Deshalb steht Gross in seinem achten Jahr vor seiner heikelsten Aufgabe. Es liegt nun an den Rotblauen, die Stärkeverhältnisse wieder in die von ihnen gewünschte Relation zu rücken.
Das geht nicht mit Wehklagen über die Medien und nicht mit lauten Worten. Gefragt ist ein kluges Transferkonzept, der nötige Respekt vor dem Gegner, gepaart mit Selbstvertrauen und Dynamik. Wenn es einen Trainer gibt, der sich seit Jahren meisterhaft auf diese Mischung versteht, dann ist es Christian Gross.
Schafft der detailbeflissene und energiegeladene Zürcher diesen Spagat mit einer Mannschaft, deren Gesicht wir noch nicht kennen, gebührt ihm allergrösstesLob. Ein erster Schritt kann heute im Uefa-Cup gegen Tobol Kostanay vollbracht werden. Die wahren, treuen Fans würden sich enorm freuen.