HYPNOS hat geschrieben:....und Netzer zieht über sie her ( alles war falsch!!!). BALSAM!!
Yeah!! Das war Netzer pur! Einfach göttlich. Hier noch ein passender Artikel aus der BaZ vom immer sehr lesenswerten Peter Unfried:
Das Konzept hat versagt
WM-GASTGEBER DEUTSCHLAND NACH DER 1:4-NIEDERLAGE IN ITALIEN
PETER UNFRIED
«Es ist alles falsch», analysierte Günter Netzer nach dem 1:4 gegen Italien. Konsequenzen werde es keine geben, erwiderte Bundestrainer Klinsmann. Was es in Deutschland auf jeden Fall gibt, sind Diskussionen.
Es wäre übertrieben zu sagen, dass Deutschland unter Schock stünde. Immerhin steht aber der «kicker» («Desaster») unter Schock und dürfte ein Freundschaftsspiel auch in fussballferne Kreise selten so hineingewirkt haben wie das 1:4 gegen Italien. Am Tag danach hatten sich zwei Erkenntnisse durchgesetzt: 1. In ein paar Wochen ist tatsächlich Fussball-WM in deutschen Städten. 2. Wer immer diese WM gewinnt, Deutschland wird es nicht sein. Beide Erkenntnisse sind kaum überraschend. Im Angesicht eines «Bildes des Jammers» (FAZ) sind sie aber seit Mittwochabend in weiten Teilen der Bevölkerung angekommen.
Was nun? Die Frage lautet jetzt: Was nun? Was tun? Die Antwort hat der oberste deutsche Fussballsachverständige schon am Abend in Florenz gegeben: «Es ist alles falsch», sagte Günter Netzer mit eisigem Blick. «Die Konsequenz ist, dass man nicht viele Möglichkeiten hat.» Der Bundestrainer sieht das genauso: Am 22. März geht es - mit unverändertem Kader - gegen die USA. «Konsequenzen wird es nicht geben», sagt Jürgen Klinsmann. Diskussionen aber in den nächsten Tagen selbstredend dennoch. Oder gerade wegen Klinsmanns Verweigerung aktionistischer Reaktionen.
Spieler und Trainer haben darauf hingewiesen, wie schwierig es gewesen sei nach dem frühen 0:2-Rückstand durch Gilardino (4.) und Toni (7.). Das stimmt, aber das Problem besteht nicht darin, einen Rückstand verkraften zu müssen, sondern so früh so klar in Rückstand zu geraten. Mehr als die weiteren Treffer (39. De Rossi, 57. Del Piero) oder die Verlängerung der sieglosen Serie gegen grosse Fussballnationen auf fünfeinhalb Jahre dürfte Klinsmann das Versagen des Konzepts treffen. Oder die Unfähigkeit der Profis, den von ihm und Co-Trainer Joachim Löw konzipierten aggressiven und offensiven Tempofussball nur annähernd erfolgreich umzusetzen.
Die Abwehr. Die Zweikämpfe wurden nicht gewonnen, die Bälle nicht sofort nach vorn gespielt, sondern zurück oder bestenfalls diagonal, «was vor allem gefehlt hat», analysierte Klinsmann, «war ein richtiges Aufbauspiel.» Mal abgesehen von der mangelnden Stabilität der Abwehr. Die Abwehr! «Ich weiss schon, dass das der Diskussion um die Abwehr neue Nahrung gibt», sagte der eingewechselte Dortmund-Verteidiger Christoph Metzelder. Torschütze Robert Huth (82.) war noch der Beste, aber das wird nicht als Argument für Huth, sondern gegen die anderen verwendet.
An der Situation der Abwehr kann man die Entwicklung des deutschen Fussballs seit der Übernahme des Traineramts durch Klinsmann sehen. Selbstverständlich macht es Sinn und ist es Fortschritt, offensiv zu verteidigen und möglichst früh und weit weg vom eigenen Tor Bälle zu erobern. Es versteht sich von selbst, dass man dafür keine klassischen, anachronistischen Grätscher wie den soeben mit lautem Krach verabschiedeten Dortmunder Christian Wörns braucht. Nur gibt es zwischen Theorie und Praxis einen Unterschied. Die Italiener waren nicht die Ersten, die das aufgezeigt haben. Nur hat es keiner bisher so konsequent und kompetent gemacht, wie Lippis seit 15 Spielen unbesiegtes Team mit seinem Weltklasse-Offensivpersonal.
Fast keiner in Form. Der Vorwurf an Klinsmann lautet: Sein Mut sei in Wahrheit Naivität. Dass das nicht stimmt, muss erstmal bewiesen werden. Klinsmann hat das zusätzliche Problem, dass fast keiner seiner Nationalspieler im Moment in Form ist und dass es fraglich bleibt, ob jene auch in Form gut genug sind, die hinter und mit dem einzigen Weltklassespieler Michael Ballack das Gerüst des Teams bilden sollen: Frings, Schneider, Podolski, Mertesacker, Metzelder. Wie sehr Klinsmann nachdenklich geworden ist, sah man daran, dass er gestern in Frankfurt Krisen-PR machte, statt wie üblich sofort nach Los Angeles zurückzufliegen. Das zeigt: Es wird ernst.