Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09
Netflix ist nicht die Lösung des Problems! Netflix (und Disney und Apple und Amazon) fördern nicht, sie kaufen ein oder finanzieren ganz konkret Eigenproduktionen.
Das Gesetz lässt offen, ob die Investition in Form einer Eigenproduktion (Auftragsproduktion), Kooperation, Kauf einer fertigen Produktion oder als Abgabe an die Filmförderung getätigt wird.
Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09 Wird das Radio-Programm und das Schweizer Musikschaffen kreativer, wenn Spotify verpflichtet würde, es zu „fördern“?
Spotify fördert das Schweizer Musikschaffen bereits, daher änderte eine Verpflichtung nichts.
Musik folgt einem komplett anderen Geschäftsmodell als Film. Musik entstammt in den allerseltensten Fällen einer Eigenproduktion durch den Anbieter (zB Liveaufnahme), wird pro einzelne Ausstrahlung vergütet (SUISA) und die Künstler bezahlen sogar Labels / Digitale Distributoren für die Aufnahme in gängige Streaming-Kataloge oder schicken den Radiostationen ihre CDs. Das Fernsehen erwirbt die Ausstrahlungsrechte für einen bestimmten Zeitraum und/oder produziert selbst eigene Inhalte. Dies sollte ausreichen, um zu verstehen, warum Spotify und Netflix in Bezug auf die Förderung der lokalen Musik- und Filmindustrie auch komplett verschiedene Voraussetzungen und Möglichkeiten haben. Meiner Meinung nach fördert Spotify die Vielfalt der Schweizer Musik, weil die Mechanik des Marktes dies begünstigt. Spotify ermöglicht mehr Künstlern den Zugang zum Markt, als es das lineare Radio tun kann und es kostet sie ausser Serverplatz nichts. Win-Win. Die Mechanik des Film- und Serienmarktes basiert auf künstlicher Verknappung (Plattformexklusivität, beschränkte Zeiträume), somit steht automatisch eine Kostenhürde vor der Aufnahme in den Katalog und die höheren Produktionskosten in der Schweiz stellen eine Hürde für Produktionen / Kooperationen dar.
Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09 Auch hier ist das Problem der Branchenriese SRG. Fast jeder Song der im Radio gespielt wird und von Pegasus bis Bastian Baker und Nemo etc. wird von Roman Camenzind produziert. Wann haben die Bitch Queens oder die Lombego Surfers oder Tyrannosaurus Globi letztmals oder überhaupt im SRG-Radio stattgefunden? Trotz über einer Milliarde Steuern wird weiterhin nur der Mainstream gepusht, wider aller Versprechen! Weil die SRGY, Radio, TV und Film den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht. Weil Quote vor Kreativität kommt.
Ich verstehe auch deinen Frust über die gespielte Musikauswahl, sehe aber nicht ein, was das jetzt mit der Lex Netflix zu tun hat. Du erwartest einerseits Förderung der Nischen (Musik), klagst aber andererseits, dass Filme und Serien am Markt vorbei gefördert werden. Was spricht also dagegen, die Streaming-Anbieter zu verpflichten, das zu fördern was sie auf den Markt bringen wollen? Quote vor Kreativität ist eine simple Direktive des Marktes. Quote durch Kreativität wird erst in einem gesunden Wettbewerb mit genügend Teilnehmern/Ressourcen opportun, weil der Mainstream dann schon gedeckt und Wachstum in der Nische wahrscheinlicher ist. Hierauf komme ich nochmal zurück.
Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09Genau so funktioniert wird auch die Lec Netflix funktionieren. Wer heute eine geile Idee hat, kann direkt zu Netflix gehen. Und dann mit Profis das Projekt realisieren. Wenn es denn Pitch besteht. In der Schweiz wird es von als Redaktionen getarnten Beamtenbüros glattgeschliffen. Netflix existiert ganz real. Eine gute Idee braucht keine SRG, wenn sie wirklich gut ist. Hazel Brugger ist nicht grundlos nach Deutschland (jetzt aktuell bei LOL von Prime!) „geflüchtet“. Ohne jemals einen Vertrag mit der SRG gehabt zu haben.
Mit dem Gesetz wäre der Weg über das Beamtenbüro eine Möglichkeit und die andere wäre es direkt zu Netflix zu gehen. Der Unterschied zu heute bestünde aber darin, dass Netflix sich den Pitch eher anhört, weil es Geld in der teuren Schweiz investieren muss.
Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09 Die „Lex Netflix“ wird nichts positives bewirken. Im Gegenteil. Sie ist eine politische Kopfgeburt, eine Hybris. Drehbuchautoren haben mit den Förderanträgen normalerweise nichts zu tun. Sie müssen ihre Stoffe verkaufen. Bisher gab es nur die SRG. Also haben sie nach den Anforderungen der SRG geschrieben.
Diese Art der Investitionsverpflichtung kennen andere Länder auch (Frankreich sogar zwischen 12 und 25%). Ich glaube nicht dass Netflix deswegen auf die Gewinne in der Schweiz verzichten würde.
Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09 Es ist im Fall eine Tatsache, dass du nicht als Quereinsteiger einen Tatort schreiben darfst. Klingt irre, ist aber so. Die bei Netflix können mit so einer Politik nichts anfangen. Und werden sich eher aus der kleinen, relativ unbedeutenden Schweiz zurückziehen, wenn das Gesetz durchkommt. Das wäre dann der echte Totalschaden für die Autoren. Die am Anfang einer jeden guten Idee stehen.
Frage mal die Filmschaffenden, gerne auch die wilden und kreativen, ob sie die Lex Netflix ablehnen oder darin nicht eine Chance sehen, unkonventionelle Projekte zu realisieren, ohne auf die bisherige Form der Filmförderung angewiesen zu sein.
Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09 Wie es heute schon mal jemand geschrieben hat: Coop/Migros werden ja auch nicht verpflichtet, einen Teil ihres Umsatzes in Dorflädeli zu investieren. Netflix ist der Schweiz absolut nichts schuldig. Ist ein privates Unternehmen. Das weltweit funktioniert. Mit Erfolg. Der Schweizer Film funktioniert trotz Millionenförderung heute schon nicht einmal im eigenen Land. Weil das Pferd von hinten aufgesattelt wird. Nachdem man in dutzenden Sitzungen mit möglichst vielen Fachstellen entschieden hat, dass auch eine Kuh ein Pferd sein kann.
Das Beispiel Coop/Migros geht von einer komplett anderen Prämisse aus: beide Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, zahlen Löhne, vergeben Aufträge, investieren und kaufen in der Schweiz ein, weil es Unternehmen sind, die mit physischen Waren und Präsenz operieren. Sogar Amazon schafft indirekt Arbeitsplätze im Postsektor (auch wenn sie vermutlich mehr Arbeitsplätze im Detailhandel kosten). Was aber trägt Netflix zur Schweiz bei? Ausser dass Leute vor der Glotze ein bessere Auswahl haben, sehe ich nichts. Keinen Arbeitsplatz, keine Investition weder in Infrastruktur noch in Produktionen. Gibt es irgendeine Form, wie Kapital in den Kreislauf der Schweizer Wirtschaft zurückfliesst oder fliesst nur alles ab? Man kann schon der Ansicht sein, dass man hier halt schuften und Kapital vorschiessen muss, um vielleicht nachträglich Netflix ein Produkt verkaufen zu können. Ich bin aber der Ansicht, dass Netflix nicht bloss Rosinen picken darf, sondern das Risiko mittragen soll.
Somnium hat geschrieben: ↑08.04.2022, 00:09 Ich wiederhole zur Erinnerung gerne nochmal das Zitat von Christoph Waltz, der als Österreicher in Werken vom Autorenfilmer Tarantino zwei Oscars gewonnen hat:
In den USA werden Filme wie Kunst gemacht und wie Ware verkauft. In Deutschland werden Filme wie Ware gemacht und wie Kunst verkauft.
Waltz Zitat kann als Verallgemeinerung den aktuellen Moment vielleicht treffend beschreiben. Aber die grossen Umsätze in Hollywood werden definitiv wie Ware (zB das Marvel CU) produziert, wenigstens versuchen sie gar nicht erst den Anschein von Kunst zu erwecken. Europa hatte grossartiges Autorenkino (leider kaum aus dem deutschsprachigen Raum), diese zog es bei internationalem Erfolg aber nach Hollywood oder mussten zusehends der Europäischen Produktion von Film-Ware weichen. Der Amerikanische Wettbewerb ist gross genug, dass sich auch die Nische Kunst (Autorenfilme) behalten und erweitern konnte, während hier die Kunst den lokalen Wettbewerb um Produktionskapital an die Ware verloren hat, welche ihrerseits im globalen Wettbewerb das Nachsehen hat, aber immer noch so tut, als wäre sie unverstandene Kunst.
Somnium hat geschrieben: Nachtrag zu Südkorea:
Südkorea hat in den letzten dreissig Jahren sowohl im Film, als auch in der Musik und in den fiktionalen TV-Formaten wiederholt Welterfolge erzielt und sogar den Oscar in der Königskategorie gewonnen! Bester Film: Parasite.
Es ist ja nicht so, dass der CH-Film nicht seit Jahrzehnten gefördert wird. Man kann aber auch etwas falsch machen und in der Folge immer den gleichen Fehler zu beheben versuchen. Da ist die Schweiz meisterhaft, in dieser Disziplin.
Südkorea vs Schweiz ist wie Real Madrid gegen Black Stars.
Ja. Korea hat die Förderung schlauer umgesetzt als wir. Der Erfolg gibt ihnen recht. Darum sehe ich nicht ein, warum wir unsere Form der Förderung nicht ändern sollten. Mir fällt keine schlauere Form ein, ohne Beamtenbüros auszukommen, als der Weg über die Investitionsverpflichtung. Hast du eine Idee?
Jetzt mal im Ernst. Hast du dich mit der Vorlage auseinandergesetzt?
Du argumentierst hauptsächlich gegen die bisherige Filmförderung und gegen die SRG. Das kann ich beides verstehen. Aber mir scheint, als hätte das Wort «Förderung» schon genügt, deine Gegenposition zu manifestieren, weil du dermassen enttäuscht von den bisherigen Förderversuchen warst und der Annahme bist, dass bloss mehr Geld auf die gleiche Art verbraten werden soll. Mit dem Inhalt der Vorlage hat das relativ wenig zu tun. Es tut mir leid dies zu sagen, aber du argumentierst so stark am eigentlichen Inhalt der Vorlage vorbei, wie ich es sonst vor allem von SVP geführten Wahlkämpfen kennen.