«Ein Drama - eine Schande für die Zuschauer»
Peter Sauber, der sonst so besonnene Teamchef, ist verärgert und enttäuscht. Im Interview nennt er die wahren Gründe, welche zum Rückzug der Michelin-Teams führten. Zwischen den Zeilen nennt Sauber auch die Verantwortlichen für die Misere.
[emagazine/daw] - Die obligate Zigarre und der Apfelkuchen mit Schlagsahne standen auch nach dem denkwürdigen Rennen in Indianapolis auf Peter Saubers Programm. Doch so richtig wollte ihm beides nicht schmecken. Weshalb, wird im Gespräch mit dem Teamchef klar:
Peter Sauber, wie ist die Stimmungslage nach diesem doch eher kuriosen Formel-1-Rennen?
Sie ist bedrückt. Kurios würde ich es nicht bezeichnen, es ist ein Drama, was sich hier abgespielt hat. Wir müssen uns in aller Form bei den Zuschauern hier entschuldigen, ebenso bei den Millionen und Abermillionen von Zuschauern zuhause, welche die Formel 1 verfolgen u2013 Fans, die für uns sehr wichtig sind.
Was führte schliesslich zum Rückzug aller Michelin-Teams aus dem Rennen?
Nach dem relativ schweren Unfall von Ralf Schumacher vom Freitag hat Michelin festgestellt, dass es am Reifen lag. Michelin hat darauf eine intensive Untersuchung gestartet und kam zum Schluss, dass wir mit diesem Reifen das Rennen nicht starten können, es sei denn, wir beschneiden den Hochgeschwindigkeitsteil. Für uns war es selbstverständlich, dieser Empfehlung Folge zu leisten..
Spielte dabei auch eine Rolle, dass in den USA relativ strikte Regeln punkto Sicherheit und Haftpflicht gelten?
Nein, wir hätten in jedem andern Land gleich reagiert. Die Sicherheit der Fahrer kommt an erster Stelle, das gilt für alle Teams. Und wir waren uns einig, dass wir mit diesem Reifen nicht fahren können, wenn wir nicht am Streckenverlauf etwas ändern. Allerdings hätte bereits eine kleine Änderung gereicht. Man hätte vor Turn 13, einer Steilwandkurve, eine Schikane einbauen können und so die ganze Strecke entschärft und vor allem die Höchstgeschwindigkeit stark gedrosselt. Wäre dann trotzdem ein Unfall passiert, dann wäre das Risiko für den Fahrer relativ klein gewesen, sicher nicht grösser als bei jedem andern Rennen auch.
Warum wurde diese Massnahme nicht umgesetzt?
Wir haben diesen Vorschlag zusammen mit allen andern Michelin-Teams der FIA unterbreitet, doch die FIA hat es abgelehnt, diese Schikane zu bauen. Die FIA hat darauf ihrerseits Vorschläge gemacht, die jedoch nicht funktioniert hätten, Vorschläge, die teilweise sogar neue Gefahren gebracht hätten.
Und es gab keinen Ausweg aus der Pattsituation?
Nein, obwohl sich heute morgen (Sonntag, die Red.) sogar neun Teams dazu entschlossen, nochmals um die Schikane nachzufragen. Mit andern Worten, es waren auch zwei Bridgestone-Teams dabei, Jordan und Minardi. Es gab diverse Telefongespräche zwischen den Teamchefs und FIA-Chef Max Mosley, wobei ich nicht im Detail sagen kann, wie diese Gespräche verliefen. Auf alle Fälle war das Resultat immer negativ. Es ist eine Schande für die Formel 1 hier in Amerika, dass man es nicht zustande gebracht hat, mit einer simplen Veränderung dieses Rennen doch noch regulär durchzuführen. Die sieben Michelin wären sogar einverstanden gewesen, dass die Bridgestone-Autos, also die beiden Ferraris, die beiden Jordans und die beiden Minardis, aus den ersten Positionen in der Startaufstellung abgefahren wären. Wir hätten uns auch bereit erklärt, dass man uns die Punkte gestrichen hätte bei diesem Rennen. Das Resultat hätte genauso ausgesehen wie jetzt, nur hätten die Zuschauer vor Ort und zuhause am Fernseher ein spannendes Rennen gesehen.
Wie schätzen Sie die Folgen ab für das Image der Formel 1 in den USA?
Ich weiss nicht, was hier in den USA kaputt gemacht wurde. Mir tut Tony George, der Organisator dieses Rennens, unendlich leid. Er ist der Vater dieser Veranstaltung, er hat zusammen mit Bernie Ecclestone die Formel 1 hierher geholt und stellt uns hier eine fantastische Infrastruktur zur Verfügung. Für ihn ist das ein Schlag ins Gesicht. Letztendlich hat er dafür gerade zu stehen, dass die Zuschauer hohe Eintrittspreise bezahlen mussten, um dann eine Art Bridgestone-Reifentest miterleben zu dürfen. Was das für Konsequenzen hat in den USA oder speziell in Indianapolis, kann ich nicht beurteilen.
Und ausserhalb der USA?
Ich glaube nicht, dass das in Europa und in den andern Kontinenten einen negativen Eindruck hinterlässt, zumindest keinen nachhaltigen. Die Formel 1 ist eine derart starke, globale Sportart, die auch so einen Schandfleck verdauen wird.
Können sie nachvollziehen, dass die Bridgestone-Teams trotzdem gefahren sind?
Dazu möchte ich mich nicht äussern.
Interview: Andreas Thomann Credit Suisse emagazine