WIEDER STECKEN DIE ELSÄSSER IM ABSTIEGSKAMPF FEST, GELTEN ABER ALS TYPISCHE CUP-MANNSCHAFT
CHRISTOPHKIESLICH, Strasbourg

Racing Strasbourg, morgen Abend Gast des FC Basel im ersten Gruppenspiel des Uefa-Cups (St.-Jakob-Park, 19.30 Uhr, SF2 live), macht wieder einmal schwere Zeiten durch.
Beschwörend klingen die Parolen, die der Racing Club in Strasbourg verbreitet. Die Mannschaft klebt am Tabellenende der Ligue 1 fest. «Aber wir dürfen nicht aufgeben», forderte Jacky Duguépéroux am Samstag in den zugigen Katakomben des Stade de la Meinau.
Grosse Hoffnungen hatten sich an diesen Abend und die Partie gegen den Alex-Frei-Club aus Rennes geknüpft. Es war der elfte Spieltag in Frankreich, und vor fast genau einem Jahr war es der Wendepunkt gewesen. Damals war Duguépéroux, von 1995 bis 1998 schon einmal Racing-Trainer, auf die Bank zurückgekehrt, und mit dem ersten Saisonsieg bogen die Elsässer wieder in die Erfolgsspur ein. Das Spieljahr nahm mit Platz elf ein versöhnliches Ende, gekrönt noch durch den Gewinn des Coupe de la Ligue, den 25000 elsässische Fans in Paris feierten und der die Teilnahme am Uefa-Cup bescherte.
Doch zwölf Monate nach Duguépérouxu2019 Rückkehr befindet sich das Team erneut in der Abwärtsspirale. Keines der elf Spiele wurde gewonnen, bei nur fünf erzielten Toren. Und verbreitete in den ersten Spielen die Defensive noch den Anschein der Stabilität, war es ausgerechnet Stéphane Cassard, der sichere Wert im Tor, der gegen Rennes das elfte Gegentor der Saison verschuldete und damit die 0:1-Niederlage. Cassard war sich nach seinem Ausflug aus dem Strafraum seines kapitalen Aussetzers bewusst: «Auf halbem Weg habe ich gemerkt, dass das ein Fehler war, der nicht mehr gutzumachen ist.»
Anschluss verpasst. Der Anschluss in der Tabelle ist verpasst, die Fans - 15700 gegen Rennes - tief frustriert und der Generaldirektor des Clubs desillusioniert: «Ab heute ist der Fokus auf Klassenerhalt gerichtet.» Dabei hatte Marc Keller (37) im Sommer noch von einer Aufwärtsentwicklung im Elsass geträumt und einen einstelligen Platz für ein realistisches Ziel gehalten.
Immerhin scheinen auch die Spieler die unangenehme Situation zu reflektieren. Innenverteidiger Jean-Christophe Devoux, mit 28 Jahren einer der wenigen Routiniers, stellte trocken fest: «Die Joker sind gezogen.» Der Grossteil der Spieler hinkt derzeit einer besseren Form hinterher. Dazu gehört der offensive Mittelfeldspieler Ulrich Le Pen oder die schwedischen Brüder Pontus und Alexander Farnerud. Eine Ausnahme bildet Karim Haggui. Mit Tunesien gerade für die WM 06 qualifiziert, zeichnet er sich auch durch seine Torgefährlichkeit aus: zwei der fünf Racing-Tore erzielte der 1,90 Meter grosse Verteidiger.
Das Problem, für das es keine Lösung zu geben scheint, liegt jedoch im Angriff. Seit Mamadou Niang im Sommer zum Gimenez-Club Marseille wechselte, hängt Mickael Pagis in der Luft. Hatte Niang dem 32-Jährigen noch die Räume für 15 Meisterschaftstore verschafft, hat Pagis bisher erst einmal getroffen. Finanziell war der sieben Millionen Euro teure Transfer nach Marseille ein Gewinn, sportlich ein riesiger Verlust. «Niang ist nicht zu ersetzen», räumt Marc Keller ein. Der junge Amara Diané, Torschützenkönig für Reims in der Ligue 2, kann diese Lücke noch nicht schliessen.
männer mit rückhalt. Doch die Vormänner beim Racing Club können sich auch in kritischen Phasen auf breiten Rückhalt stützen. Duguépéroux, Captain des von Gilbert Gress trainierten Meisterteams von 1979, kam als Nachwuchscoach aus dem Centre de formation, jener Einrichtung, die als wichtigstes Erbe der Ära des globalen Sportvermarkters IMG in Strasbourg gelten darf. Viel mehr ist von der Fernsteuerung aus Paris nicht in guter Erinnerung. Zwischen 1997 und 2003 wurden den Elsässern zwar grosse Versprechungen gemacht, nach Schlusspfiff zog es Präsident Patrick Proisy aber stets eilig zum Flughafen Enzheim und zurück in sein Domizil in der Hauptstadt.
Vor seinem Abgang installierte er aber noch einen Elsässer Helden in einflussreichster Position. Marc Keller, Bundesligaspieler in Karlsruhe und zuletzt bei Blackburn aktiv, wurde 33-jährig nicht nur zum jüngsten Manager der Liga, sondern sorgte für eine neue Identifikation in der Region mit Racing. Ein Beleg dafür ist der Dauerkartenverkauf, der von 3000 im Jahr 2002 auf jetzt 10700 hochschnellte.
keller überzeugt. Kellers umsichtig angelegte Politik scheint die Anhänger zu überzeugen. Als im Frühjahr Immobilienmakler Philippe Ginestet die Nachfolge des Deutschen Hans-Egon Gindorf (74) als Präsident und Mehrheitsaktionär schon in trockenen Tüchern wähnte, er aber auch mehr Einfluss als sein Vorgänger verlangte, rührte sich so heftiger Widerstand, dass sich Ginestet wieder zurückzog. Als Präsidentschaftskandidat wird nun Marc Keller gehandelt.
In der Stadt der Strassen, was der lateinische Name von Strasbourg («Strateburgum») bedeutet, steht Racing einmal mehr am Scheideweg. Dass der Verein, in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten viermal abgestiegen, in K.-o.-Wettbewerben immer wieder zu Ausnahmeleistungen in der Lage war, wird den Gruppengegnern im Uefa-Cup Warnung genug sein.
von rot bis blau
FCB-Agenda
Training: 10.00 Uhr, Sportanlagen St. Jakob (geschlossenes Training).
Nächste Spiele: Uefa-Cup, Gruppenphase: Donnerstag, 19.30 Uhr: FC Basel-Racing Strasbourg. - Swisscom Cup, 2. Runde: Samstag, 17.30 Uhr, Schützenmatte: BSCOld Boys-FCBasel.
Was lauft z Basel?
Live-Spiel. Nach diversen Verhandlungsrunden überträgt SF2 am Donnerstag das FCB-Spiel, ehe sich das Staatsfernsehen dann ab 21.15 Uhr bei GC-Middlesbrough einklinken wird.
Vorverkauf läuft. Bis gestern Mittag setzte der FCB rund 13500 Ticket-Pakete für die Uefa-Cup-Heimspiele gegen Strasbourg und Tromsö (1. Dezember) ab. Ab heute beginnt der Verkauf der Einzelbillette. Vorstandsmitglied Mathieu S. Jaus rechnet gegen Racing «mit rund 20000 Zuschauern». Insgesamt dürften die beiden Heimspiele im Uefa-Cup rund eine Million Franken Marketingertrag abwerfen.
Quu2019est ce qui se passe à Strasbourg?
Verlust. In Sidi Keita, der sich vor drei Wochen einen Kreuzbandriss zuzog, fehlt Racing Strasbourg für viele Monate eine Schlüsselfigur. Der 20-Jährige aus Mali wird im zentralen Mittelfeld vom gleichaltrigen Ägypter Ebrahim Hosni ersetzt, der im Sommer von Ismaily aus Kairo kam.
Hva skjer i Tromsö?
Ausverkauft. Innerhalb einer Stunde waren die 1500 Tickets abgesetzt, die für die Partie gegen Roma in den Verkauf kamen. Aufregung herrschte, weil der Rest der 6000 Plätze an Sponsoren vergeben wurde; dazu stürzte am Verkaufstag auch noch das Internet auf der Geschäftsstelle des Clubs ab, so dass nur Billette erhielt, wer bei anderen Verkaufsstellen angestanden war.
Zahlen, Namen, Fakten:
Der Racing Club Strasbourg im Überblick
Der Verein. 1906 gegründet als FC Neudorf (Vorort von Strasbourg). Während der deutschen Besetzung verboten, wurde ein Verein «Rasen SC Strassburg» geschaffen. Bis 1993 war die Stadt Strasbourg Aktionärin.
Die Farben. Blau-Weiss, deshalb wie das Nationalteam «Les Bleus» genannt.
Das Stadion. Stade de la Meinau (gebaut zur EM 1984). Kapazität: 29000 Plätze.
Die Fans. Vergangene Saison sahen im Durchschnitt 17500 Fans die Heimspiele. Die Ultra-Bewegung «UB90» feiert am 29. Oktober den 15. Geburtstag.
Die Erfolge. Meister 1979 (mit Gilbert Gress als Trainer und Raymond Domenech sowie Jacky Duguépéroux als Spieler); Cup-Sieger 1951, 1996, 2001; Coupe de la Ligue: 1997, 2005.
Die Schweizer. Michel Décastel und Joël Corminbu0153uf als Spieler, Daniel Jeandupeux als Trainer.
Das Budget. Durch die Uefa-Cup-Gruppenphase zirka 24 Millionen Euro (Meister Lyon kalkuliert mit 124 Millionen).
Die Trainer. Seit 1984 (der Deutsche Sundermann) hat Racing 17 Mal den Trainer gewechselt. Gilbert Gress heuerte nach dem Gewinn der Meisterschaft 79 später noch einmal erfolglos in seiner Heimatstadt an. Der aktuelle Trainer Duguépéroux ist ebenfalls das zweite Mal im Amt.
Ehemalige Spieler. Olivier Dacourt (heute AS Roma), Youri Djorkaeff, Frank Farina, José Luis Chilavert, Valérien Ismaël, Frank Lebu0153uf, Reinhard Libuda, Didier Six, Arsène Wenger.
cok/rk
http://www.rcstrasbourg.fr