


Nie mehr die vierspurige Autorennbahn nebenan. Nie mehr Lärm. Nie mehr Diesel- Feinstaub. Nie mehr die Eisenbahnbrücke und dahinter die Toni- Molkerei. Nie mehr der Hahn, der aus dem Schrebergarten herüberkräht. Nie mehr Förrlibuck. Die Grasshoppers sind umgezogen. Von der Stadt aufs Land. Von Züri- West und ihrer traditionellen Heimat nach Niederhasli in den neuen GC- Campus, 20,5 Millionen Franken teuer. Nach knapp einjähriger Bauzeit hatten die Zürcher gestern ihren ersten Trainingstag in einer anderen Welt, wie sie sich bisher nur ausländische Grossklubs leisteten.
Niederhasli u2013 oben auf dem Hügel thront Regensberg, die drei Rasenplätze sind vom Feinsten und die zwei Kunstrasenplätze vom Neusten, allesamt mit Flutlicht ausgerüstet. Kirchglocken läuten irgendwo, nebenan die Pferderennbahn, die Sportanlage Erlen, Felder und Wiesen und Bäume und Bach. Der Friede wird nur manchmal durchbrochen von den startenden Jets der Klotener Westpiste. Drinnen, im doppelstöckigen Hauptgebäude mit seinen 3750 Quadratmetern Fläche, steht Walter Brunner im Klubcafé gleich neben dem Eingang. « Freude herrscht » , sagt der GC- Präsident und hat Freude am Ogi- Spruch. Am 18. August ist die offizielle Campus- Eröffnung, Brunner aber sagt: « Der Stolz bei GC ist so gross, dass wir die Anlage heute vorzeigen wollten. » Ein Projekt für die Zukunft und für die Jugend sei der Campus, und er fragt: « Welchem Junioren geht nicht das Herz auf, wenn er diese Plätze sieht? » Über 55 000 Quadratmeter zwischen Dielsdorf und Niederhasli im Zürcher Unterland zieht sich das Zentrum für Trainingsbetrieb, die Administration und das so genannte Nachwuchs- Internat u2013 ohne integrierte Schule. 12 Millionen Franken haben GC- Gönner für den Bau gespendet ( siehe Kasten), der verstorbene Werner Spross sowie Amag- Inhaber Walter Haefner sollen je eine Million beigetragen haben u2013 und die Firma Spross hat daneben Arbeiten zum Sonderpreis erledigt. Niederhasli ist der Standort, den die Grasshoppers aus fünf Möglichkeiten gewählt haben. Die schlechte Anbindung an den öffentlichen Verkehr akzeptieren sie, weil andere Voraussetzungen optimal sind: 3 Die unmittelbare Nähe zum Sportzentrum Erlenpark mit Schwimmbad, Eisbahn, Wellness- Anlagen und zwei weiteren Fussballplätzen des FC Dielsdorf, die von GC ebenso benützt werden können, aber auch von den zwei Vollzeit- Platzwarten der Grasshoppers und der Auhilfskraft unterhalten werden. Ein Rasenplatz wird derzeit zudem auf Kosten der Grasshoppers saniert.
3 Die positive Grundhaltung der Erlenpark- Besitzergemeinden Dielsdorf, Steinmaur und Niederhasli.
3 Der tiefe Landpreis von 30 Franken pro Quadratmeter und das ebene Gelände. Allerdings haben diverse bauliche Pflichtmassnahmen wie Bau einer Einfahrt, Brückenverbreiterung und Absenkung des Fischbachs die Landkosten praktisch verdoppelt. Der ehemalige Präsident des Donnerstags- Club und Architekt Egon Dachtler hat den Campus entworfen und auch den grössten Teil der Sponsorengelder zusammengetragen. Gelungen ist ihm eine prächtige Sportplatz- Anlage mit funktionalem Neben- und Hauptgebäude. Der ganz grosse Wurf aber scheiterte am Geld.
« Sicher nicht gespart haben wir bei den Sportplätzen, sie stehen für unser Kerngeschäft und geniessen Priorität » , sagt Das Schmuckstück der Grasshoppers
Georges Perego, Geschäftsführer des GCCampus. Der Hauptrasen hat original Hardturm- Masse, der grössere Kunstrasen mit Lebensdauer von acht bis zehn Jahren ist von feinster Qualität und einem Gesamtwert von knapp 700 000 Franken.
Die Anlage mit sieben grossen Trainingsplätzen und einem Minifeld bietet GC exzellente sportliche Ganzjahresbedingungen und ist neuer Heimspielort für alle Teams, von der Super- League- Mannschaft abgesehen. Auch Hanspeter Latour kommt an diesem Morgen zu seiner Rede und setzt zum Tempolauf an.
« Weltsstolz » ist er, den Campus als erster GC- Trainer benützen zu können. « Eine Qualitätssteigerung sollte dadurch entstehen » , sagt er auch und denkt dabei an das Spiel seiner Mannschaft. Und natürlich gräbt er in diesem Augenblick eine Anekdote aus: An seiner ersten Station, als Erstliga- Trainer in Dürrenast, habe er vor 30 Jahren jeweils den Ofen mit Holz angefeuert, damit die Mannschaft nach dem Training warm duschen konnte. Später habe er dem Klub für eine Gasleitung ein zinsloses Darlehen gewährt: « Ich hoffe, das wiederholt sich nun nicht. »
Sauna, Dampfbad, Kraftraum. . .
Nach Latour kommt Ausbildungschef Markus Frei zu Wort. Die idealen Bedingungen sind für ihn nicht nur eine Freude, « sondern auch eine Verpflichtung. Das Bekenntnis des Klubs, auf den Nachwuchs zu setzen, freut mich. » Frei glaubt nicht, dass die Entfernung zur Stadt Zürich junge Talente daran hindern könnte, für die Grasshoppers zu spielen. « Sie müssen sich umstellen » , sagt er, « aber was sie dafür hier antreffen, ist wunderbar. » Das Nebengebäude umfasst Zuschauereingang, Kiosk und Materialkammern. Das Hauptgebäude mit dem optisch schweren Sockel und seinen grossen Fenstern bietet fast in allen Bereichen helle Zimmer. Für die erste Mannschaft ist die Infrastruktur weit gehend erstklassig. Die Kabine gross, der medizinische Bereich ebenso top wie der Kraftraum, der in Zusammenarbeit mit dem medizinischen Partner Schulthess- Klinik komplettiert wird. Dem Wellness- Bereich mit Sauna, Dampfbad und spezieller Physiotherapiewanne für gezielte Massagen fehlt zur Luxusvariante einzig der Whirlpool.
. .. und Occasionsmöbel in den Büros
Offensichtlich ist aber in einigen Bereichen, dass sich die Grasshoppers nicht alle Wünsche so erfüllen konnten, wie sie es einst geplant hatten, als Geld für sie noch fast keine Rolle spielte. Sparen mussten sie in der Bauphase. Und gespart haben sie, wo sich sonst die Möglichkeit bot. « Die Anlage präsentiert sich grosszügig, funktionell, aber nicht protzig » , sagt Brunner, « so viel zur neuen Bescheidenheit. » Die Tribüne mit 400 Sitzplätzen, die zum Hauptplatz gehörte, fehlt noch. Sie soll mit dem Verkauf von Klappsitzen à 1000 Franken finanziert und noch in diesem Jahr gebaut werden ( 260 Franken haben Gönner bereits gezeichnet). Dem Hauptgebäude fehlt die ursprünglich geplante dritte Etage, sie kann später aufgestockt werden. Die finanzielle Realität bestimmt die Enge in vielen Räumen. In den neuenBüros der Geschäftsstelle stehen Occasionsmöbel, im Theorieraum der ersten Mannschaft die alten Holzstühle aus dem Hardturm. Für die Spielerlounge der 1. Mannschaft fehlt ein Sponsor, sie steht so leer, wie sie nur leer sein kann. Das Café hätte grosszügiger geraten können.
« Fast wie ständiges Trainingslager »
Die neun Doppelzimmer für den Internatsbetrieb sind klein und mit Dusche, aber ohne WC und so spartanisch eingerichtet wie die meisten Umkleidekabinen. Die 12 Nachwuchsfussballer im Lehrlingsalter, die im Campus wohnen und betreut werden, dürften sich ohne grundsätzliche Verschönerungsarbeiten kaum von Beginn an wohl fühlen. Das ist auch der Preis für hohe Funktionalität, die von nichts besser dokumentiert wird als vom pflegeleichten Kunststoffboden in Blau, der sich durch die meisten Räume zieht und nur im Optimalfall von Parkett verdrängt wird.
Draussen auf dem Rasenplatz ist das erste Training zu Ende gegangen. Verteidiger Roland Schwegler trägt die Bälle in die Kabine, Schweisstropfen perlen aus der Stirn. « Genial » sagt er. Und: « Das hier ist fast wie ein ständiges Trainingslager, so wunderschön. »