Wie wählt ihr am 23. Oktober?
Die Wahlen im rot-grün dominierten Kanton Basel-Stadt sind ein Test für Christoph Blochers «Basler Zeitung». Ein Regierungssitz für die SVP wäre auch für sie ein Sieg.
Von Anja Burri
Mitten im Wahlkampf in Basel-Stadt veröffentlichte die «Basler Zeitung» («BaZ») vor ein paar Wochen beunruhigende Zeilen. «Wenn es Nacht wird im Kleinbasel», schrieb der Journalist, dann häuften sich die Gewalttaten und Raubüberfälle an bestimmten Orten der Stadt. Der gleichentags veröffentlichte «Trendbericht Kriminalität» der Basler Behörden vermittelte hingegen einen anderen Eindruck. Tötungsdelikte und Taschendiebstähle gingen demnach im ersten Halbjahr 2016 deutlich zurück. Die Zahl der vorsätzlichen Körperverletzungen, Tätlichkeiten, Raub- und Entreissdiebstähle blieb stabil. Das Beispiel zeigt: Die «BaZ» zeigt Basel gerne in einem düsteren Licht. Es ist ihre Art, den Wahlkampf zu befeuern. Ihr Ziel ist klar. Basel soll nach rechts rutschen. Das hat mit den Besitzverhältnissen der Zeitung zu tun.
Als die «BaZ» 2010 zum Verkauf stand, sicherte sich SVP-Doyen Christoph Blocher via Mittelsmänner den Einfluss auf die Zeitung. Im Sommer 2013 wurde der Altbundesrat offiziell Mitbesitzer des Medienunternehmens – neben Chefredaktor und Verleger Markus Somm und Geschäftsleiter Rolf Bollmann. Von Anfang an rebellierten die Leser. Die «BaZ» verlor seither rund 30 000 oder 40 Prozent der Abonnemente. Doch Geld spielte kaum eine Rolle. Es ging um Einfluss. Nun, sechs Jahre nach dem Verkauf der Zeitung, werden die Wahlen am 23. Oktober in Basel-Stadt zeigen, wie viel Einfluss die «BaZ» hat. Die Parteien CVP, FDP und LDP treten erstmals gemeinsam mit der SVP an, um den vierten Regierungssitz von Rot-Grün zurückzuerobern. Schafft die SVP den Sprung in die siebenköpfige Regierung, ist das auch ein Triumph für die «BaZ».
Ihre Journalisten beschränken sich nicht darauf, den Wahlkampf zu beschreiben. Sie sind Teil davon. Der Stadt gehe es schlecht, suggerieren sie. Der Ton erinnert an Zeiten des Eisernen Vorhangs: «Bei der Linken ist zumindest klar, dass sie auf Bevormundung der Bürger wie in der DDR hinarbeitet», schreibt ein Lokalredaktor. Unter dem Titel «Das Versagen von Rot-Grün» geisselt ein anderer die Wohnbaupolitik der Regierung. Und Chefredaktor Markus Somm peitscht auf die vier bürgerlichen Regierungskandidaten ein. Wollten sie die Macht erlangen, müssten sie die Linke angreifen: «direkt, mitleidlos, konfrontativ».
Dieses Prinzip zeigt sich auch in Berichten der «BaZ». Kürzlich kannte sie kein Pardon mit einem grünen Kantonsparlamentarier: Dieser besitze ein Auto – obwohl er das Autofahren stets verurteile. Erst im zweitletzten Abschnitt erfuhren die Leser den Grund für den Autobesitz: Die Partnerin des Politikers litt an einer schweren Immunkrankheit. Kein Grund für den Journalisten, Milde walten zu lassen: «Die Partnerin erlag gegen Ende 2015 ihrer Krankheit. Seither sind zahlreiche Monate vergangen, in denen er das Auto hätte verkaufen können.» Viel zu reden gab vor vier Jahren ein Porträt über SP-Regierungsrätin Eva Herzog. Der mit sexuellen Anspielungen gespickte Text («sündiger Hüftschwung», «Hat sie mal im Bett mit einer lesbischen Freundin gekifft?») schadete der Finanzdirektorin politisch nicht.
Bis vor den Presserat
Dafür löste er eine Gegenbewegung aus: Vor einem halben Jahr nahm der Verein Fairmedia seine Arbeit auf. Das über Spenden finanzierte Projekt ist eine «Reaktion auf die Zunahme von Verleumdungs-, Kampagnen- und Diffamierungsjournalismus», sagt Vereinspräsident und SP-Nationalrat Beat Jans. Man helfe Betroffenen zum Beispiel, beim Presserat Beschwerde einzulegen. Das hat SP-Regierungsrat Hans-Peter Wessels kürzlich auf eigene Faust getan. Er wehrte sich gegen «BaZ»-Berichte über eine angeblich geplante und von seinem Bau- und Verkehrsdepartement finanzierte Reise seiner Kaderleute samt Partnern nach Schweden. Als Beleg diente eine Namenliste, die der «BaZ» zugespielt worden war. Wie sich herausstellte, war es die Liste für das Weihnachtsessen in Basel gewesen. Wessels bekam vom Presserat recht. Die «BaZ» hält an ihrer Darstellung fest. Das nächste Mal, sagt Wessels, überlege er sich den Gang vor Gericht. Für ihn ist klar: Dass er in einer Wahlumfrage eher schwach abschneide für einen bisherigen Regierungsrat, liege auch an der Art und Weise, wie er in der «BaZ» dargestellt werde: «Ich werde beinahe täglich angegriffen», sagt er und nennt die «BaZ» konsequent «Herrliberger Nachrichten».
Anders ging der abtretende liberale Regierungsrat Christoph Eymann vor. Er schrieb auf Somms Wahlkampfaufruf an die Bürgerlichen eine Replik, die die «BaZ» abdruckte. Der politische Disput dürfe nicht zu einer Schlammschlacht verkommen, schrieb Eymann: «Das mag in Herrliberg gewünscht sein. In Basel möchten wir das nicht.» Die ganze Stadt sprach über diesen Schlagabtausch. So funktioniert das Prinzip Somm: Provozieren. Empörung zelebrieren. Tatsächlich sind derart hart geführte Debatten in anderen europäischen Ländern durchaus normal. In Basel jedoch nicht. Sie passen nicht ins Selbstbild der Stadt, in der die rot-grün dominierte Regierung oft auch mit dem Segen der knappen bürgerlichen Parlamentsmehrheit regiert. Für typisch rot-grüne Projekte wie den Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist das Geld vorhanden. Denn Basel geht es gut. Innert zehn Jahren sind 20 000 Arbeitsplätze entstanden, die Bevölkerung ist um knapp 10 000 Personen angewachsen, und die Steuereinnahmen sind dank der florierenden Pharmabranche hoch.
Die «BaZ» ist trotz deutlichem Auflagenschwund noch immer die lauteste publizistische Stimme in Basel. Das journalistische Gegenprojekt, die links ausgerichtete «Tageswoche», hat es nicht geschafft, die «BaZ» ernsthaft zu konkurrenzieren. Auch die stark ausgebaute Redaktion der Basler Ausgabe der «Aargauer Zeitung» konnte nicht so viele Leser erben, wie sie erhofft hatte. Seit die «BaZ» poltert, wird intensiver gestritten in Basel. Journalisten und Politiker beschreiben den Umgangston als rauer. Einer, der das beurteilen kann, ist Felix Rudolf von Rohr. Der ehemalige Grossratspräsident und CVP-Politiker kennt nicht nur die halbe Stadt – er war auch sieben Jahre lang Obmann des Basler Fasnachts-Comités. Er sagt, eine Zeitung müsse selbstverständlich Missstände aufdecken. «Die ‹Basler Zeitung› aber konzentriert sich bei ihren Recherchen und ihrer Berichterstattung bewusst und unverhältnismässig auf Negatives.» Das merke man in den Gesprächen mit den Leuten.
«Eine lebendigere Debatte»
Nicht alle stören sich an der angriffigen Art. «Die vielfältigere Medienlandschaft macht eine lebendigere Debatte möglich», sagt Patrick Erny, FDP-Grossratskandidat und Projektleiter Politik des Gewerbeverbandes Basel-Stadt. Die «BaZ» mache eine Stimmung greifbar, die es eben auch gebe: «Viele Leute wollen nach zwölf Jahren rot-grüner Mehrheit in der Regierung einen Wechsel.» Die «BaZ» als einseitige Propaganda abzutun, greift ohnehin zu kurz. Ihre Recherchen geben zu reden, weil sie auch Missstände benennen. Selbst Bürgerliche geraten ins Visier. Diese Woche veröffentlichte sie eine für FDP-Sicherheitsdirektor Baschi Dürr unangenehme Recherche: Polizeioffiziere hatten Dienstwagen auch privat genutzt. Andere Medien nahmen das Thema auf. Über ihre eigene Arbeit reden möchten die «BaZ»-Macher nicht. Chefredaktor Somm und Mitbesitzer Blocher waren für die «NZZ am Sonntag» nicht erreichbar.
Ob der publizistische Wahlkampf die Machtverhältnisse in Basel verändern wird, zeigt sich in zwei Wochen. Politologe Michael Hermann sieht zumindest Potenzial. Seine Wahlumfrage deutet nicht nur auf einen Rechtsrutsch im Grossen Rat hin, sondern auch auf ein spannendes Rennen um die Regierungssitze. Das führt er aber nicht direkt auf die «BaZ» zurück. «In rot-grün regierten Städten wünschen sich viele Wähler nach einer gewissen Zeit wieder bürgerliche Politik.»
Doch es könnte auch anders kommen. 2015 wählte Basel-Stadt die linke Basta-Politikerin Sibel Arslan neu in den Nationalrat. Dies, nachdem die «BaZ» Arslan einige Monate zuvor attackiert hatte.