
Eingekesselte Basler Fans in Zürich, 5. Dezember: «Der Einsatz war nicht verhältnismässig.»
Der umstrittene Polizeieinsatz der Zürcher Polizei gegen Basler Fans hat die Diskussion um Gewalt im Fussball neu entfacht. FCB-Präsident Werner Edelmann über Fans, Frust und vorschnelle Massnahmen. Interview: Patrick Mäder
FACTS: Herr Edelmann, das Spiel zwischen dem FC Basel und dem FC Thun verlief am letzten Samstag friedlich, ohne Ausschreitungen der Fussballchaoten. Erleichtert?
Werner Edelmann: Ich habe nichts anderes erwartet. Seit der Stadioneröffnung 2001 hatten wir bis auf eine Ausnahme nie grosse Probleme im Stadion. Wenn wir solche hatten oder haben, dann fast ausnahmslos in fremden Stadien.
FACTS: Beim Polizeieinsatz vor dem Spiel GC gegen Basel waren viele unbescholtene Anhänger involviert. Spüren Sie eine Verunsicherung bei diesen Fans?
Edelmann: Bei den wirklich unbescholtenen Fans ist die Verunsicherung gross. Das wissen wir aus zahlreichen Reaktionen von Betroffenen, die ahnungslos und ohne böse Absicht in Zürich-Altstetten in die Polizeimühle gerieten.
FACTS: Befürchten Sie, diese Anhänger könnten nun auf die Stadionbesuche verzichten?
Edelmann: Unabhängig von den Vorfällen in Zürich haben wir bei unseren Jahreskartenbesitzern unlängst eine grosse Umfrage gemacht. Eine Frage zielte darauf, ob das Verhalten von Chaoten den Besuch von FCB-Spielen beeinflusse. Die Mehrheit verneinte.
FACTS: Wie beurteilen Sie im Nachhinein den Zürcher Polizeieinsatz?
Edelmann: Der Einsatz war nicht verhältnismässig, da er zu viele Unschuldige getroffen hat. Es geht uns nicht um eine Grundsatzkritik an der Polizeiarbeit, sondern an der Form der flächendeckenden Bearbeitung von Anhängern. Wir wollen und müssen unbescholtene Fans schützen.
FACTS: Wie schwierig ist es für einen Verein, Chaotenfans zu verurteilen, ohne dass sich dabei die richtigen Fans betroffen fühlen?
Edelmann: Es gibt eine Grauzone, so genannte spontane Mitläufer, welche die Differenzierung in gut und böse erschwert. Aber grundsätzlich gilt: Wir stehen zu unseren richtigen Fans, die in der erdrückenden Mehrheit sind. Und distanzieren uns von den wenigen Chaoten, die trotz kleiner Zahl grossen Imageschaden verursachen.
FACTS: Wie erklären Sie sich, dass Murat Yakin, immerhin der Führungsspieler beim FCB, auf Tele Züri verständnisvolle Worte für die Chaoten fand?
Edelmann: Das war absolut unglücklich.
FACTS: Haben die Spieler keine Vorgaben, wie sie sich zu solch kritischen Themen äussern sollen?
Edelmann: Das sind erwachsene Menschen mit viel Verantwortungsbewusstsein. Das gilt auch für Murat Yakin. Von allen Aussagen, die FCB-Exponenten immer wieder machen, ist das rückblickend die einzige Aussage, die ich nicht gutheisse.
FACTS: Glauben Sie, dass der Polizeieinsatz von Zürich die Ressentiments zwischen Baslern und Zürchern verstärkt?
Edelmann: Ich denke nicht, zumindest nicht bei den differenzierten Leuten. Diese beurteilen keinen auf Grund der Herkunft und pauschalisieren auch nicht. Die Ressentiments, die Sie ansprechen, sind in den meisten Fällen ja auch nicht echt, sondern eher ein Spielchen.
FACTS: Ein Spielchen? Chaoten reden vom Rachefeldzug beim nächsten Gastauftritt des FCB in Zürich.
Edelmann: Ich erwarte, dass sich unsere Fans gut benehmen, genauso wie der Zürcher Anhang beim nächsten Auftritt in Basel. Klar ist aber: Basler und Zürcher Sicherheitsleute werden noch stärker gefordert sein. Ich hoffe, dass wir alle zusammen schnell Massnahmen finden, die deeskalierend wirken.
FACTS: Am 12. November beschlossen die Präsidenten der Swiss Football League, dass Vereine künftig ihre Fans auch bei Auswärtsspielen zur Rechenschaft ziehen können. Der B-Klub Winterthur und der FC Basel waren als Einzige dagegen. Warum ausgerechnet der FCB?
Edelmann: Weil wir die juristischen Möglichkeiten, in fremden Stadien Einfluss zu nehmen, als zu gering beurteilten. Es ist für uns schwierig, in der Fankurve eines Stadions in Zürich, Sankt Gallen oder Sion wirksam durchzugreifen, zumal sich diese Kausalhaftung ja allein auf das Stadioninnere bezieht. Aber jetzt, wo ein demokratisch gefällter Entscheid vorliegt, tragen wir die Kausalhaftung ohne Einschränkungen mit.
FACTS: Am Donnerstag steht das Uefa-Cup- Spiel gegen Feyenoord Rotterdam an. Die holländischen Fans gelten als gewaltbereit. Was hat man in Basel vorgekehrt?
Edelmann: Wir wissen, dass Spiele von Feyenoord die höchste Sicherheitsstufe bedingen. Die Polizei und unser Sicherheitsdienst haben die nötigen Massnahmen getroffen. Wir haben im Joggeli schon manchen internationalen Match problemlos über die Bühne gebracht u2013 auch gegen englische Teams.
FACTS: Die Gewaltbereitschaft von Fussballfans nimmt europaweit immer mehr zu. Macht Ihnen die Entwicklung Angst?
Edelmann: Angst ist das falsche Wort und der falsche Ratgeber. Aber besorgt über die aktuelle Entwicklung bin ich schon.
FACTS: Heinz Keller, Direktor des Bundesamtes für Sport, schlägt vor, Fussballklubs mit gewaltbereiten Fans von der Meisterschaft auszuschliessen. Ihr Urteil?
Edelmann: Übereilt, ein Schuss aus der Hüfte, noch nicht genug durchdacht. Es bringt nichts, wenn sich beliebig Leute, teilweise sogar Aussenstehende, mit Schlagworten in die Diskussion einbringen. Es braucht eine durchdachte, ganzheitliche Lösung.
FACTS: Konkreter bitte.
Edelmann: Fachleute wissen, dass Gewalt um Fussballspiele nicht allein ein Fussballproblem ist. Wenn man vom FCB verlangt, ein soziales Problem, das auf dem Fussballplatz inszeniert wird, alleine zu lösen, sind wir überfordert.
FACTS: Sie resignieren?
Edelmann: Nein, ich halte fest, dass der FCB von allen Schweizer Klubs schon lange am meisten in die Sicherheit und in die Fanarbeit investiert u2013 ideell, personell, finanziell. Wir sind auch die, die auf Anraten der Polizei immer wieder Stadionverbote gegen Personen aussprechen, welche die Spielregeln und Gesetze verletzen. Aber wir müssen erkennen, dass dies alleine nicht reicht. Eine ganzheitliche Lösung heisst für mich, dass sich alle möglichen Institutionen an konstruktiven Lösungen beteiligen, also Polizei, Verband, Politik, Sozialarbeit, Fanklubs und die Vereine. Dann wären wir auch bereit, den Lead zu übernehmen.
FACTS: Es wird dem FC Basel vorgeworfen, man hätte sich früher nicht genügend von den Chaoten distanziert. Den Einsatz der Zürcher Polizei aber haben Sie massiv kritisiert. Das könnten Chaoten als Legitimation auslegen.
Edelmann: Wir haben uns immer wieder sehr deutlich von Chaoten und Vandalen distanziert. Das tue ich auch jetzt an dieser Stelle u2013 in aller Deutlichkeit und Schärfe. Wir legitimieren keine Chaoten.