Die NZZ über die «Bananenrepublik an der Limmat»

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Naivling
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Die NZZ über die «Bananenrepublik an der Limmat»

Beitrag von Naivling »

Offenbar hat niemand die gestrige NZZ-Glosse über das Zürcher Sportjahr 2004 gepostet. Somit hole ich das heute noch nach. Viel Vergnügen!

NZZ, Di. 14. Dez. 2004, Sport, S. 60

Wort zum Sport

Weihnachtszauber

Für Zürcher Sportfans war 2004 ein Jahr zum Vergessen. Die Grasshoppers machten nur den FC Basel glücklich. Der FCZ lernte am 3. März die hässlichste Fratze der Niederlage kennen. Das 5:6 im Cup-Halbfinal gegen GC verfolgt die Leidgeprüften vom Letzigrund noch heute im Schlaf. Die Kloten Flyers sind auf dem besten Weg, wieder ein Dorfklub zu werden, und dem nächsten Grounding beklemmend nahe. Selbst der einzige Zürcher, der in den letzten Monaten mehr als einen Blumentopf gewann, bewegt sich ständig im Kreis: Der Olympiazweite Franco Marvulli ist Bahnfahrer. Bleiben die ZSC Lions. Sie haben ohne Hallenstadion fast die ganze Anziehungskraft verloren. Ihre Heimspiele erinnern eher an die konspirativen Treffen eines Geheimbundes als an die rauschenden Eishockeyfeste von früher. Wer trotzdem hingeht, muss mit Erfrierungserscheinungen rechnen oder steht hinter einem Pfosten.

Als wäre dies nicht alles schlimm genug, erreichte uns vergangene Woche eine weitere Hiobsbotschaft: Marc Hodel, Fussballstar a. D. und Ehegatte einer Schönheitskonigin im Ruhestand hängtdie Fussballschuhe an den Nagel, letztinstanzlich, unwiderruflich. Für Homestorys vor dem Kaminsims steht er jedoch weiterhin zur Verfügung.

Das Fass zum Überlaufen hatte aber schon die leide Geschichte um das neue Stadion gebracht. Gabi Petri vom VCS machte das, was der GC-Innenverteidigung in den letzten 12 Monaten notorisch misslungen war. Sie blockte jeden Angreifer ab und leitete im Vorgarten der Bernoullihäuser ein paar fiese Konterattacken ein. Statt über EM-Spiele und den grossen Fussball sprach man über Schattenwurf und Fahrtenzahlen. Zwar hatten die Richter in Lausanne ein Einsehen mit der Bananenrepublik an der Limmat, doch noch immer ist die Zürcher EM-Beteiligung akut gefährdet. Ganz sicher eine Hauptrolle spielt Downtown Switzerland nur an der nächsten Basler Fasnacht.

Dass es nie so weit hätte kommen müssen, beweist die Fifa. Sie macht im Jahr ihres 100. Geburtstags keine halben Sachen. Am 20. Dezember findet im Opernhaus die Jubiläumsgala statt. Dabei geht es nicht um Gygax oder Lichtsteiner, sondern um die grossen dieses Faches. Geehrt wird der «Weltfussballer des Jahres». Zur Auswahl stehen Schewtscherinko, Ronaldidno und Henry. Zücher sind keine nominiert. Denn einen Trostpreis gibt es nicht. Besondere Ereignisse schreien nach besonderen Massnahmen. Deshalb griff die Fifa zu städtebaulichen Sofortmassnahmen und stampfte ein FestzeIt der dritten Art aus dem Boden. Das sieht aus wie im Science-Fiction-Film. Das sprengt den Rahmen eines Grümpelturniers und wäre gross genug für den Zirkus Knie und das ganze Sechseläuten unter einem Dach. Auch der ZSC hätte mehr Platz als im Neudorf-Provisorium.

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Last, but not least erkannten dies auch die Grasshoppers - und schritten am Sonntag zur mannschaftsinternen Weihnachtsfeier. Zur leichten Unterhaltung war der Auftritt eines Zauberkünstlers angesagt. Der wollte vermutlich den neuen Trainer aus dem Hut zaubern. Doch nicht alle GC-Kicker stehen auf Magie. Torhüter Ambrosio beispielsweise schwatzte fröhlich weiter. Das rief Walter A. Brunner aufs Tapet. Er ist Präsident der GC-Task-Force und kennt noch alle Regeln aus dem Kindergarten. Der gesprächige Goalie musste vor die Tür - und erlebte die Solidarität seiner Mitspieler: Aus Protest verliess die gesamte Mannschaft den Raum. So geschlossen sind die Grasshoppers heuer selten aufgetreten. Zum grossen Eklat kam es trotzdem nicht; denn Trainer Bernegger und Sportchef Brigger bildeten eine «Spontan-Task-Force». Sie holten die GC-Family flir den Dessert zurück.

Einen vorweihnachtlichen Diskussionsbeitrag hatten auch die FCZ-Fans auf Lager: «Samichlaus, du nette Maa, mir wand de Meischtertitel under em Chrischtbaum haa», sangen sie am Sonntag aus voller Kehle. Nicht nur zeitlich könnte das knapp werden. Wer sich mit einem 1:1 gegen Schaffhausen in die Winterpause verabschiedet, muss wohl mit weniger zufrieden sein oder einen besonders begabten Zauberer engagieren. Dessen Adresse kennt Walter A. Brunner.

Thomas Renggli

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Falcão
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Beitrag von Falcão »

[quote="Naivling"]Offenbar hat niemand die gestrige NZZ-Glosse über das Zürcher Sportjahr 2004 gepostet. Somit hole ich das heute noch nach. Viel Vergnügen!

NZZ, Di. 14. Dez. 2004, Sport, S. 60

Wort zum Sport

Weihnachtszauber

Für Zürcher Sportfans war 2004 ein Jahr zum Vergessen. Die Grasshoppers machten nur den FC Basel glücklich. Der FCZ lernte am 3. März die hässlichste Fratze der Niederlage kennen. Das 5:6 im Cup-Halbfinal gegen GC verfolgt die Leidgeprüften vom Letzigrund noch heute im Schlaf. Die Kloten Flyers sind auf dem besten Weg, wieder ein Dorfklub zu werden, und dem nächsten Grounding beklemmend nahe. Selbst der einzige Zürcher, der in den letzten Monaten mehr als einen Blumentopf gewann, bewegt sich ständig im Kreis: Der Olympiazweite Franco Marvulli ist Bahnfahrer. Bleiben die ZSC Lions. Sie haben ohne Hallenstadion fast die ganze Anziehungskraft verloren. Ihre Heimspiele erinnern eher an die konspirativen Treffen eines Geheimbundes als an die rauschenden Eishockeyfeste von früher. Wer trotzdem hingeht, muss mit Erfrierungserscheinungen rechnen oder steht hinter einem Pfosten.

Als wäre dies nicht alles schlimm genug, erreichte uns vergangene Woche eine weitere Hiobsbotschaft: Marc Hodel, Fussballstar a. D. und Ehegatte einer Schönheitskonigin im Ruhestand hängtdie Fussballschuhe an den Nagel, letztinstanzlich, unwiderruflich. Für Homestorys vor dem Kaminsims steht er jedoch weiterhin zur Verfügung.

Das Fass zum Überlaufen hatte aber schon die leide Geschichte um das neue Stadion gebracht. Gabi Petri vom VCS machte das, was der GC-Innenverteidigung in den letzten 12 Monaten notorisch misslungen war. Sie blockte jeden Angreifer ab und leitete im Vorgarten der Bernoullihäuser ein paar fiese Konterattacken ein. Statt über EM-Spiele und den grossen Fussball sprach man über Schattenwurf und Fahrtenzahlen. Zwar hatten die Richter in Lausanne ein Einsehen mit der Bananenrepublik an der Limmat, doch noch immer ist die Zürcher EM-Beteiligung akut gefährdet. Ganz sicher eine Hauptrolle spielt Downtown Switzerland nur an der nächsten Basler Fasnacht.

Dass es nie so weit hätte kommen müssen, beweist die Fifa. Sie macht im Jahr ihres 100. Geburtstags keine halben Sachen. Am 20. Dezember findet im Opernhaus die Jubiläumsgala statt. Dabei geht es nicht um Gygax oder Lichtsteiner, sondern um die grossen dieses Faches. Geehrt wird der «Weltfussballer des Jahres». Zur Auswahl stehen Schewtscherinko, Ronaldidno und Henry. Zücher sind keine nominiert. Denn einen Trostpreis gibt es nicht. Besondere Ereignisse schreien nach besonderen Massnahmen. Deshalb griff die Fifa zu städtebaulichen Sofortmassnahmen und stampfte ein FestzeIt der dritten Art aus dem Boden. Das sieht aus wie im Science-Fiction-Film. Das sprengt den Rahmen eines Grümpelturniers und wäre gross genug für den Zirkus Knie und das ganze Sechseläuten unter einem Dach. Auch der ZSC hätte mehr Platz als im Neudorf-Provisorium.

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Last, but not least erkannten dies auch die Grasshoppers - und schritten am Sonntag zur mannschaftsinternen Weihnachtsfeier. Zur leichten Unterhaltung war der Auftritt eines Zauberkünstlers angesagt. Der wollte vermutlich den neuen Trainer aus dem Hut zaubern. Doch nicht alle GC-Kicker stehen auf Magie. Torhüter Ambrosio beispielsweise schwatzte fröhlich weiter. Das rief Walter A. Brunner aufs Tapet. Er ist Präsident der GC-Task-Force und kennt noch alle Regeln aus dem Kindergarten. Der gesprächige Goalie musste vor die Tür - und erlebte die Solidarität seiner Mitspieler: Aus Protest verliess die gesamte Mannschaft den Raum. So geschlossen sind die Grasshoppers heuer selten aufgetreten. Zum grossen Eklat kam es trotzdem nicht]


Doch, sehr schön :D :D

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zul alpha 3
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Beitrag von zul alpha 3 »

geil! ... selbstzerfleischung ist immer noch die geilste art, von aussen schadenfreude auszuleben ... nzz/tagi/blödzeitung/sfdrs ... weiter so!!!! :D :D

MMM
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Beitrag von MMM »

Ich finde die NZZ macht das mit Stil und "schriftstellerischer Eleganz". Solange die Kritik mit etwas Selbstironie und mit einem Augenzwinkern geübt wird, ist sie doch was Wunderbares. Da könnten gewisse (seeehr unkritische) Medien der hiesigen Region noch was lernen...

(Umgekehrt ist bspw. der Tagi - der immer mal wieder gerne den Zweihänder auspackt - eine Zumutung aber was soll's...).

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PeppermintPatty
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Beitrag von PeppermintPatty »

Naivling hat geschrieben:Wer sich mit einem 1:1 gegen Schaffhausen in die Winterpause verabschiedet, muss wohl mit weniger zufrieden sein oder einen besonders begabten Zauberer engagieren. Dessen Adresse kennt Walter A. Brunner.
:eek: und was ist mit jenen, die sogar verlieren gegen schaffhausen??? :eek:


niedlicher artikel, balsam für des basler's seele... :cool:
60 Joor ARI-vederci :cool:
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BYE BYE ZUBI :(

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tschanky
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Beitrag von tschanky »

Falcão hat geschrieben:Doch, sehr schön :D :D
$PRIMA :D
man jetzt muss ich no 10 Zeiche y gäh

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