Ich muss das Schicksal akzeptieren
Claudio Circhetta ist 40 Jahre alt und kerngesund, als das Schicksal mit voller Härte zuschlägt. Von der einen auf die andere Sekunde erkrankt er an einer Vorstufe von MS. Jetzt spricht er erstmals.

Es ist der 1. Januar 2011, als Claudio Circhetta seinen neuen Job beginnt. Er hat nach elf Jahren als Ref in der Super League aufgehört und wird neuer Schiri-Boss der Schweiz. Viereinhalb Monate macht er seinen neuen Job voller Freude, voller Elan, voller guter Gedanken.
Doch am 16. Mai ändert sich alles. Vom einen auf den anderen Moment. In einer einzigen Sekunde. Circhetta spürt plötzlich seinen linken Arm nicht mehr. Er hat kein Gefühl mehr in Händen und Füssen. Er sieht plötzlich alles doppelt.
Von diesem Tag an ist für ihn alles anders. Er, der als Schiedsrichter stets einer der fittesten war, ist schwer krank. Er lässt sich von verschiedenen Ärzten untersuchen. Dann folgt die niederschmetternde Diagnose: CIS. Eine Vorstufe der Multiplen Sklerose.
Circhetta schottet sich ab
Diese Nachricht trifft den Basler und seine Familie wie ein Donnerschlag. Circhettas schwere Krankheit ist unheilbar. Aber tapfer versucht er, die Symptome einzudämmen. Mit dem grossen Ziel, den Ausbruch von MS zu verhindern und die Symptome völlig verschwinden zu lassen. «Anfangs war jeder Tag ein Kampf», sagt Circhetta zu BLICK. «Ich lebe heute viel bewusster. Und ich lebe Tag für Tag.»
«Warum gerade ich?» Diese Frage stellt sich Circhetta in jenen schlimmen Tagen oft. Er kann seinen Job als Schiri-Boss nicht länger ausführen. Interimistisch führen Dani Käser und Marcel Hug das Ressort, nun übernimmt Markus Hug.
Circhetta verbringt viel Zeit zu Hause, schottet sich ab. Die Symptome bleiben lange: Er kann sich nicht länger als eine Stunde mit jemandem unterhalten, seine Konzentration ist weg, er ist müde. Er kann alleine kaum geradeaus gehen, weil sein Gleichgewichtssinn weg ist. Er sieht schlecht.
Doch Circhetta kämpft. Schritt für Schritt geht es aufwärts. Heute kann er wieder gut gehen, hat nur noch zeitweise Gleichgewichtsstörungen. Er sieht wieder besser. Seine Konzentration ist wieder da. Am 1. Februar 2012, achteinhalb Monate später, kann er wieder arbeiten. 20 Prozent oder drei Nachmittage beim Nordwestschweizer Fussball-verband. Er kümmert sich weiter um Schiedsrichter-Projekte. «Es ist schön, am Morgen aufzustehen und mit dem ‹Drämli› zur Arbeit zu fahren», sagt Circhetta. Autofahren darf er noch nicht wieder.
Und er fragt sich auch nicht mehr, warum es ihn so schwer getroffen hat. Er sagt: «Ich habe gelernt, nicht zu viel zu überlegen und nicht alles zu hinterfragen. Es ist Schicksal und das muss man akzeptieren.»
Claudio Circhetta – ein Mann kämpft sich zurück ins Leben.
QUELLE: Blick Online