Ich hab mir gedacht, eine kleine Serie zu starten, welche ich ca. alle 10 Tage update und jeweils einem spezifischen Thema widme. Es gibt echt extrem viel zu erzählen, jedoch weiss ich einerseits noch nicht genau, wie ich das alles sinnvoll gliedern soll, und andererseits möchte ich euch auch nicht mit einem Monster-Text abschrecken.
Na dann mal los, Teil 1 beinhaltet eine kurze Einleitungsowie eine kritische Beurteilung des Ghanaischen Fussballs.
Insgesamt bin ich nun schon knapp 2 Jahre hier in Ghanas Hauptstadt Accra – angesichts des überall penetrant wahrnehmbaren Gestanks grenzt dies fast an ein Wunder. Anfänglich war ich Freiwilliger Coach in einer so genannten Fussball-Academy, 9 Monate später wurde ich deren Leiter (so genannter General Manager

Rückschläge und Enttäuschungen gab‘s zahlreiche, nebst den typischen „als weisser Geldsack kannst du keinem Schwein auch nur ansatzweise vertrauen“ Erlebnissen steht ein mehrheitlich scheiterndes respektive bereits gescheitertes School-Sponsorship-Projekt (Nein, es lang nicht an einem Mangel an Finanzen, sondern an fehlender Motivation des Grossteils der 21 Fussball-Jungs, welche mich ursprünglich um eine Chance, die Senior Secondary School zu besuchen, anbettelten), sowie ein Jahr voller Intrigen, Sabotage, religiösem Wirrwarr und Betrug als „Academy-Leiter“ zu Buche.
Beides nagt extrem, doch gelange ich je länger je mehr zu der Ansicht, dass die Seifenblase von Anfang an zum zerplatzen verurteilt war.
Trotzdem hab ich Hoffnung, Mut und Zuversicht noch lange nicht verloren. Im Gegenteil, all die negativen Erfahrungen haben mich vor allem eines gelehrt: Mit einer Zehnernote (einer Tausendernote, einem Hilfscontainer oder was auch immer) hat man hier gar nichts geholfen, man macht viel mehr alles nur schlimmer! Ein aufrichtiges Kompliment, eine herzliche Umarmung, Zurechtweisung, sich 20 Minuten Zeit nehmen für ein persönliches Gespräch, etwas mit Geduld erklären… das macht einen Unterschied, in Ghana und in der Schweiz!
In Ghana gibt es mehrere Bestien. Eine davon ist der Fussball. Voller Betrug und Bestechung, voll von illusorischen Hoffnungen und religiösem Druck. Ohne Bestechung gewinnst du in den unteren Ligen kein Spiel, das Durchschnittsalter der U12-Juniorenliga beträgt 15 Jahre, Coaching ist meist katastrophal bis in die höchsten Ligen, was einerseits an einem Mangel an wirklich qualifiziertem Personal und andererseits daran liegt, dass Clubbesitzer aus Angst, einen Teil der absoluten Kontrolle über ihren Verein zu verlieren, auf die rar gesäten Fachkräfte verzichten, womit sie sich natürlich ins eigene Fleisch schneiden. Ach ja, und wenn jemand an eine U17 Afrika Meisterschaft möchte, kostet das 5‘000 Dollar, zu bezahlen an den Ghanaischen Fussballverband sowie die verantwortlichen Coaches. Da letztes Jahr die meisten Spieler-Manager ihre Klienten in der Qualifikationsphase zurückhielten, hat’s Ghana nicht mal an die Endrunde geschafft.
Das schlimmste sind jedoch die skrupellosen, nicht-lizenzierten Agenten, dank denen Hunderte, wenn nicht Tausende, meist mässig talentierte „junge“ Ghanaische Fussballer irgendwo im fussballerischen Nirgendwo gestrandet sind. Zum Beispiel in Malaysia, dem „Gateway to Europe“.
Vor kurzem wandte sich einer meiner ehemaligen Schützlinge (offiziell 19-jährig, ich schätze 25) mit einem angeblichen Einladungsschreiben eines chinesischen Vereins an mich. Gemäss E-Mail-Verkehr mit dem Vermittler sei lediglich noch eine gewisse Versicherungsnummer von Nöten, anschliessend könne mit dem Visa-Prozedere begonnen werden. Der unfreundliche Schreibstil machte mich sofort misstrauisch, und als ich den beiliegenden Vertrag studierte, war der Fall bereits klar. Dem Spieler wurden 350‘000 Dollar pro Jahr offeriert! Dies auf Basis eines Handyvideos, welches der Spieler dem Ermittler zukommen liess. Inhalt: 30 Sekunden Sprints und Jonglieren. Durch googeln der E-Mail-Adresse gelangte ich auf eine Seite, die ausdrücklich vor Betrug warnt. Sämtliche Dokumente sind fake, und im letzten Moment würde der Vermittler eine Gebühr verlangen, welche die Familien seiner naiven Opfer nicht selten dazu zwang, sämtliches Hab und Gut zu verhökern… Nach Aufklärung war der Junge verständlicherweise sehr enttäuscht (auch wenn er die Bedeutung von 350‘000 Dollar nicht mal ansatzweise kennt), versprach mir aber, den Kontakt zum Vermittler abzubrechen.
Die einzigen „Places to be“ hier sind 2 ausländische Academies, einerseits Tom Vernon‘s „Right to Dream“, andererseits die Red Bull Talentschmiede. Beide Vereine haben sich verständlicherweise bestmöglich von potentiellen Störfaktoren abgeschottet.
Dann gibt’s da noch Liberty Professionals, der einzige einheimisch geführte Grossverein mit effektiv existierenden Geschäftsbeziehungen nach Europa (was nicht automatisch auf eine professionelle Führung schliessen lassen sollte). Der Verein scoutet das Land nach Spielern, die quasi „ready-to-go“ sind, macht sie innerhalb weniger Monate superfit und dann gibt’s eventuell ne trial-chance im Ausland. Dank des quasi Monopols in Sachen Auslandbeziehungen muss Liberty, wenn überhaupt, nur sehr geringe Ablösesummen bezahlen.
Zudem sind die Herren Abedi Pele und Marcel Desailly daran, protzige Fussballvereine aufzubauen. Da gibt’s dann zwar ein schickes Verwaltungsgebäude und Kunstrasenplätze, alles andere lässt aber zu wünschen übrig.
Natürlich gibt es hier unzählige extrem talentierte Jungs. Natürlich macht es unglaublich Spass, einige davon zu trainieren oder ihnen einfach zuzusehen. Natürlich hat die Ghanaische Fussballleidenschaft auch seine positiven Seiten. Aber genauso natürlich gibt die letztjährige fast-WM-Halbifnal-Qualifikation dem Ghanaischen Fussballverband und seinem „System“ nicht automatisch recht. Und genauso natürlich ist der Fussball an und für sich kein Instrument zur Lösung der Probleme in diesem Land. Und noch viel natürlicher ist er ohne Bildung komplett wertlos.
Rechtschreibe- sowie stilistische Fehlerchen möge man bitte entschuldigen. Das aus dem Wohnzimmer meines vorübergehenden Zuhauses dröhnende Gebrüll aus der „Jesus is-going-to-heal-you-tonight-Show“ sowie die 5 sich in unmittelbarer Hörweite befindlichen Moscheen schufen eine eher suboptimale Schreibatmosphäre
