Tell: Selten eine schlechtere Filmkritik gelesen...

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Rankhof
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Tell: Selten eine schlechtere Filmkritik gelesen...

Beitrag von Rankhof »

Tell, ein Trauerspiel
Die Schweizer Filmkomödie erreicht einen neuen Tiefpunkt

Natürlich ist «Tell» von Mike Eschmann nicht nur schlecht. Er ist, zwischendurch, fast schon unglaublich schlecht, bar jeglichen Gefühls für filmische Inszenierung. Nun steht nirgends geschrieben, dass der Mensch nicht schlechte Filme machen dürfe. Er darf so viele schlechte Filme machen, wie sein Talent und seine Geldgeber ihm erlauben. Es gibt nur eines im Zusammenhang mit schlechten Filmen: Sie sollten nicht auch noch von der öffentlichen Hand gefördert werden. Schweizer Film und Schweizer Landwirtschaft mögen einige Gemeinsamkeiten besitzen, deren wichtigste es ist, dass ihre Pflänzchen nur dank Subventionen überhaupt spriessen. Dennoch ist es nicht vorstellbar, dass der Bauer mit den kläglichsten Runkelrüben noch extra subventioniert würde.

Anders beim Film. Hier weist die derzeit geltende Doktrin derlei Produkten sogar noch die Funktion von «Lokomotiven» zu, die, bildlich gesprochen, den Karren mit dem ganzen Rest aus dem Dreck zu ziehen hätten. Auf den Geschmack gekommen, dies die Überlegung, wird das Publikum nun auch noch den übrigen Schweizer Film degustieren. Zudem hätte der Normalschweizer, der «sonst» nicht ins Kino geht beziehungsweise nicht in «Schweizer Filme», so doch auch einmal etwas von der Verwendung seiner Steuerfranken. Vielleicht geht es aber auch bloss darum, dass die Kinobesucherstatistik bei den Eintritten in einheimische Produktionen nicht allzu erbärmlich aussieht. Nach dem exzeptionellen Vorjahr dürfte 2007 keine allzu gute Figur machen.

Nach der Armee («Achtung, fertig, Charlie!», 2003) hätten sie nun mit dem «Nationalmythos Tell» eine «weitere heilige Kuh geschlachtet», lassen sich die Filmemacher vernehmen. Was am Tell-Stoff noch heiligkuhmässig sein soll, lässt sich allerdings fragen. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts scheint er sich gar nicht mehr anders als ironisch darstellen zu lassen. Doch während diese Ironie etwa bei Robert Walser, der sich wiederholt mit Tell befasst hat, noch unendlich subtil war, schien sie in Max Frischs eher freudlosem «Wilhelm Tell für die Schule» ja vor allem zum Entzücken all der 68er-Deutschlehrer geschaffen, die dann auftragsgemäss die Schüler drangsalierten. Dennoch braucht der Stoff keineswegs erschöpft zu sein, wie Mani Matter gezeigt hat oder Kurt Gloor, der 1992 eine kurze, sehr witzige filmische Paraphrase vorlegte. Und eine Überlegung wie die Robert Walsers: «Sollte man nicht beinah mit der Idee einiggehen dürfen, Landvogt und Tell seien eine einzige widerspruchsvolle Persönlichkeit?», könnte eine durchaus taugliche Grundlage zur erneuten Annäherung abgeben.

Doch nichts dergleichen hier, obwohl ausgerechnet die Nebenrolle Gessler dank Udo Kier, der ihn effeminiert als Coiffeur und mit Lockenwicklern im Haar vorführt, als einzige beinah spannend ausgestaltet ist. Die übrigen Schauspieler lassen ihre Unterforderung ratlos durch Szenen von dumpfer Hölzernheit stolpern. Das Drehbuch kennt nur eine einzige, erbarmungslos angewandte Methode: die des pausenlosen Anachronismus. Tell (Mike Müller), dies der Grundeinfall, ist Österreicher, der einen Schweizer Pass will (was uns zwanglos zum Abseitsstehen der Schweiz bezüglich der EU führt); mit seiner als seine Mutter ausgegebenen Frau Heidi (Lea Hadorn) vertreibt er eine Tinktur, die den Älplerinnen alte, ausgefranste Bärte spriessen lässt; im Gebirge trifft er auf einen «Eskimoprinzen» (Axel Stein, der zweite, der schauspielerische Professionalität verrät), er hat das Auge Sissys (Ellenie Salvo González), der Braut des Kronprinzen Rudolf (Christian Tramitz), auf sich gezogen und wird Koch auf der Feste Zwing Uri, wo die Männer, die sie im Frondienst erbauen müssen, zu doof sind, um sich befreien zu lassen. Erwähnen wir noch einen namens Schiller (Michael Kessler) mit einschlägigem Kragen, der als Doofmann in den ständig unterbrochenen Rütlischwur gerät, und lassen es damit sein Bewenden haben.

In einem Zeitungsartikel hat der jüngere Bruder des Hauptdarstellers, der Theaterkritiker ist, das offenbar traumatische Erlebnis einer Pressevorführung beschrieben, in der Lachverbot zu herrschen schien. Das eisige Schweigen in besagter Vorführung war tatsächlich ungewöhnlich, angesichts von Eschmanns komplett humor-, witz-, ironie- und satirefreier Inszenierung aber auch wieder beruhigend. Bei zwei Testvorführungen mit Publikum soll selbiges jedoch gelacht haben. Gespannt darf man sein, ob es dem Verleih Universal Pictures International gelingen wird, den Film mittels Brachialeinsatzes von 60 Kopien zum Erfolg an der Kinokasse zu prügeln. Betrüblicher ist die Aussicht, da es sich ja um ein durch den Bund gefördertes «Nationalthema» handelt, dass Pro Helvetia wohl nicht umhinkönnen wird, mit dieser Schwarte unser Ansehen im Ausland weiter zu beschädigen. Nicht das nationale. Das künstlerische.

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/fi ... 61077.html
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John_Clark
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Beitrag von John_Clark »

Traurig, aber ich habs schon gedacht, als ich den Trailer im Kino sah. Keine Sau, aber echt keine Sau hat da gelacht. Und dann heisst es immer, "jaaa, wirr haben eine blühende Filmszene Schweiz". Kotzen könnt ich!!!! :mad:

Die einzige Hoffnung im CH-Film ist ein kleines Projekt namens "Urban Odyssey" (hat nix mit Seagals "Urban Justice" zu tun! :) ), der von einem jungen Basler im Basler Nachtleben gedreht wird. Könnt ja mal googeln gehen.

Und die nächste Hoffnung wäre dann mein eigener Film.. sofern ich's schaff, diesen mal zu produzieren... ;)

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das Orakel
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Beitrag von das Orakel »

Fast vermutet, dass der Film so gut sein muss, als ich die Teiggesichter auf den Plakaten gesehen habe...

Vor Jahren habe ich mir mal so etwas ähnliches angetan...so eine schweizerische Lord of thr Rings-Parodie...sollte es jedenfalls sein... ah ja..."the ring thing"...vor der Pause waren 7 Leute im Kino....nach der Pause noch 3... :D
الله أَكْبَر

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Echo
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Beitrag von Echo »

Auch eine Werbestrategie: der Film ist so schlecht, dass man ihn unbedingt gesehen haben muss.

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DanceForMe
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Beitrag von DanceForMe »

John_Clark hat geschrieben:Die einzige Hoffnung im CH-Film ist ein kleines Projekt namens "Urban Odyssey" (hat nix mit Seagals "Urban Justice" zu tun! :) ), der von einem jungen Basler im Basler Nachtleben gedreht wird. Könnt ja mal googeln gehen.
Hier der Link zur Homepage des Basler Films «Urban Justice»: http://www.mayerfilms.ch/mayerfilms.swf

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das Orakel
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Beitrag von das Orakel »

Echo hat geschrieben:Auch eine Werbestrategie: der Film ist so schlecht, dass man ihn unbedingt gesehen haben muss.
Diese Strategie zieht aber nur bei den Kritikern.
الله أَكْبَر

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Lou C. Fire
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Beitrag von Lou C. Fire »

das Orakel hat geschrieben:...vor der Pause waren 7 Leute im Kino....nach der Pause noch 3... :D
und einer dieser dreien musst ja wohl Du gewesen sein...
lass Dich niemals auf das Niveau eines Idioten herunter, denn dort schlägt er Dich aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung!

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das Orakel
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Beitrag von das Orakel »

Lou C. Fire hat geschrieben:und einer dieser dreien musst ja wohl Du gewesen sein...
Genau...mit zwei Kollegen...Gruppendruck... :D
الله أَكْبَر

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Bogenlampe
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Beitrag von Bogenlampe »

John_Clark hat geschrieben: Die einzige Hoffnung im CH-Film ist ein kleines Projekt namens "Urban Odyssey"
Naja, gseht nit unbedingt vielversprächend us.
Ich wart uf dr erschti Kinofilm vo dr Pipilotti Rist: Pepperminta
D Sabine Timoteo spielt au mit. Isch aber no in dr Produktion.

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Delgado
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Beitrag von Delgado »

das Orakel hat geschrieben:Genau...mit zwei Kollegen...Gruppendruck... :D
Hast du soviel Macht über deine 2 Kollegen? :D

Lake
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Beitrag von Lake »

John_Clark hat geschrieben:Die einzige Hoffnung im CH-Film ist ein kleines Projekt namens "Urban Odyssey" (hat nix mit Seagals "Urban Justice" zu tun! :) ), der von einem jungen Basler im Basler Nachtleben gedreht wird. Könnt ja mal googeln gehen.
Wird das ein Kurzfilm? :o

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Zaunbesteiger
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Beitrag von Zaunbesteiger »

Dann wart ihr drei ja endlich ungestört........ :p

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Bischof
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Beitrag von Bischof »

:d:d

John_Clark
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Beitrag von John_Clark »

Lake hat geschrieben:Wird das ein Kurzfilm? :o
Ich bin mal positiv eingestellt gegenüber "Urban Odyssey" aus mehreren Gründen. Zum einen aber vorallem, da sich der Regisseur Joel Mayer genau so nervt über die stupiden und sinnlosen CH-Filme. Und manchmal ist ein Projekt, dass wirklich von Herzen gemacht wird, einfach gut - es braucht für einen richtig guten Film manchmal echt nicht viel, nur ein gutes Drehbuch und ein paar begabte Schauspieler.

Und, ob's momentan vielversprechend ausschaut oder nicht - endlich hatte mal ein Basler Mut und dreht einen Film in unserer Stadt. So was muss einfach schon aus Prinzip unterstützt werden. :)

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ZeroZero
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Beitrag von ZeroZero »

das Orakel hat geschrieben:...Vor Jahren habe ich mir mal so etwas ähnliches angetan...so eine schweizerische Lord of thr Rings-Parodie...sollte es jedenfalls sein... ah ja..."the ring thing"...vor der Pause waren 7 Leute im Kino....nach der Pause noch 3... :D

Die einzige Miet-DVD aller Zeiten, die ich schon nach knapp 10 Minuten wieder abgestellt habe. Das war nicht einfach nur grottenschlecht, das hat fast schon aggresiv gemacht... :D
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John_Clark
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Beitrag von John_Clark »

ZeroZero hat geschrieben:Die einzige Miet-DVD aller Zeiten, die ich schon nach knapp 10 Minuten wieder abgestellt habe. Das war nicht einfach nur grottenschlecht, das hat fast schon aggresiv gemacht... :D
Traurig, wenn da noch jemand aus der leicht entfernteren Familie dran beteiligt ist.... :o *schäm*

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rotoloso
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Beitrag von rotoloso »

Was isch eigentlich mit "Geld oder Leben" wo zum gröschte teil in Basel (Hägeheimerstr. und no anderi orte meint i ) dräit worde isch?

Dort söll doch au öbbis rächts entstoh, hani gmeint.

...uff jede Fall, i out mi, i ha "Achtung, Fertig, Charlie" guet gfunde. Isch sicher nid Osacarverdächtig aber e Film wo si Ziel erreicht het, wome ka aanesitze e paar mol guet lache und z'vriede si ohni gross müesse hirne, bruchts amigs au.
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John_Clark
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Beitrag von John_Clark »

rotoloso hat geschrieben:Was isch eigentlich mit "Geld oder Leben" wo zum gröschte teil in Basel (Hägeheimerstr. und no anderi orte meint i ) dräit worde isch?

Dort söll doch au öbbis rächts entstoh, hani gmeint.

...uff jede Fall, i out mi, i ha "Achtung, Fertig, Charlie" guet gfunde. Isch sicher nid Osacarverdächtig aber e Film wo si Ziel erreicht het, wome ka aanesitze e paar mol guet lache und z'vriede si ohni gross müesse hirne, bruchts amigs au.
Au Snow White isch nid schlächt gsi

Aber "Charlie" isch ebe doch nur e Film gsi, wo für uns Schwizer wieder luschtig isch. Sorry, als Dütsche/Ami/Whatever würd mi froge, was dä ganz seich hät sölle.

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Helmut Penthouse
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Beitrag von Helmut Penthouse »

ZeroZero hat geschrieben:Die einzige Miet-DVD aller Zeiten, die ich schon nach knapp 10 Minuten wieder abgestellt habe. Das war nicht einfach nur grottenschlecht, das hat fast schon aggresiv gemacht... :D
Gopfdammi Zero, deswäge zoggsch Online so aggresiv-guet! :p
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rotoloso
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Beitrag von rotoloso »

John_Clark hat geschrieben:Au Snow White isch nid schlächt gsi

Aber "Charlie" isch ebe doch nur e Film gsi, wo für uns Schwizer wieder luschtig isch. Sorry, als Dütsche/Ami/Whatever würd mi froge, was dä ganz seich hät sölle.
Snow White willi au demnäggscht gse, ha vill guet's ghört.

I bi käi Schwizzer und als italiäner bini mr au e andere Humor gwohnt aber i ka au umstelle und anderi Sache luschtig finde. So filme sinn in Italie scho vor 20 Johre gmacht worde, was aber nid häisst dass sie nid guet sin. Wie gseit, i has luschtig gfunde.
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Echo
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Aus der aktuellen Weltwoche:

Beitrag von Echo »

Im Sandkasten
Von Wolfram Knorr

Wohin steuern bloss die neuen Schweizer Filme? Ins Kindische? «Tell» und Co. lassenu2019s befürchten. Schlimmer gehtu2019s nimmer.

Der Schweizer Film ist in den Sandkasten zurückgekehrt. Seine jüngsten Werke sind Backförmchen der Infantilität und des Narzissmus. Im Prinzip ist dagegen nicht mal was zu sagen; schon Ende der neunziger Jahre beobachtete der Gesellschaftskritiker Robert Bly («Die kindliche Gesellschaft») den Vormarsch der «Halberwachsenen». Die Schweiz befindet sich also hier auf keinem Sonderweg. Neutralität und EU-Skepsis hin oder her, der Unterhaltungsmarkt ist ein Spiel ohne Grenzen. Das weiss auch der oberste Filmförderer Nicolas Bideau («Monsieur Cinéma»), der wieder «Popularität und Qualität» und Freude und Glamour will. Verständlich, angesichts der halsstarrig durchexerzierten Leblosigkeiten des ehemaligen «Neuen Schweizer Films». Die unter Bideaus Ägide entstandenen Filme haben mit Bleichsucht nichts mehr am Hut u2013 dafür missverstehen sie dann doch die grassierende Infantilität. Ihre ist extrem; nur weil das Sandkasten-Spiel rote Backen macht?

Scheint so. Zum Beispiel: In «I Was a Swiss Banker» hechtet ein junger Finanz-Hallodri in den Bodensee, weil ihn der Zoll beim Schwarzgeldschmuggel fast erwischt. Oben am Ufer steht der Zöllner, und unten? Na ja, gluck, gluck, weg isser halt, und schon entpuppt sich der smarte Jungbanker als veritabler Hecht im Karpfenteich: Im See gibtu2019s schöne Nixen und ausserhalb hübsche Hexen. Das macht süchtig, weshalb er alle Schweizer Seen auf ihre Nixen- und Hexenpopulation testet. Im Presseheft wurde behauptet, Regisseur Thomas Imbach habe einen «narrativen Erzählstil» gewählt. Keine Ahnung, ob narrativ und närrisch einen gemeinsamen Wortstamm haben u2013 in diesem Fall bestimmt. «I Was a Swiss Banker» taucht einfach weg, angeblich ins Märchen, tatsächlich aber in einen Hopsasa-Freibad-Pubertätstraum.

«Chicken Mexicaine», ein Erstlingswerk, ist dagegen eine Art Verdunstung. Im Keller eines Basler Gefängnisses kocht der Filius des Direktors heimlich Drogenpilze (blubber, blubber), dieweil oben der Papa ein strenges Knast-Regiment führt und einem vierfach Rückfälligen seine Freiheitsträume von Afrika verkachelt. Wird aber alles prima, weil der Boss erpressbar ist (Caligari-Sohnemann im Keller!), der Knast geschlossen werden soll und das Kara-Ben-Nemsi-Fernweh des Vierfachen u2013 na ja, was sollu2019s. Reicht das an «Backe, backe»-Förmchen?

Mike Eschmann, Regisseur des Erfolgsfilms «Achtung, fertig, Charlie!», ist wenigstens ein Schlitzohr, das seine Locations im kommerziell sicheren Gelände von Kalau sucht und gemäss dem Hape-Kerkeling-Imperativ: «Witzischkeit kennt keine Grenzen», dort alles aufklaubt, was sich durch die Spass-Presse leiern lässt. Gemessen am zotigen US-Teenie-Proll-Humor à la «Superbad», der die Charts mit ballermannartigem Abjohl-Flachsinn stürmt, ist Eschmann ein Cineast des Elitären: Er hat sich den Tell-Mythos vorgenommen; und den mal vom Sockel der schillerschen Wortrausch-Freilichtspiel-Vergipsung zu stossen, ist völlig legitim.

Ein Netz von läppischen Klischees

Nur u2013 ächz u2013 hat Erika Fuchs, die geniale Texterin der Ducks, das ganze Problem ruck, zuck mit der Verballhornung eines einzigen Zitats schon vor Jahren auf den Punkt gebracht. Bei Schiller heisstu2019s: «Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr», und Donalds renitente Neffen Tick, Trick und Track widersetzen sich vehement dem Hygienewahn ihres Onkels mit dem Schwur: «Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr!» Soll heissen, dass Eschmann leider ein Grundeinfall, ein roter Faden fehlt, an dem er seine Gags aufziehen könnte. In Ermangelung einer solchen Idee wirft er einfach das Netz nach jedem noch so läppischen Klischee über Tell, die Schweiz, Österreich und Deutschland aus, in der blinden Hoffnung, dabei auch genügend Brüller gefischt zu haben.

Das geht dann so: Tell ist Österreicher und will einen begehrten Schweizer Pass (!). Um das Geld dafür aufzutreiben, bescheisst er zusammen mit Heidi (!) Bergdorf-Hutzel-*Ladys mit einem Schönheitselixier (!). Auf Burg Enzian (!) herrscht Gessler als verschwiemelter Alpenkönig Ludwig (dekadent!), der seine Tochter Sissy (!) an seinen Adjutanten verscherbeln will. Aus dem hohen Norden (!) stösst ein Prinz zu Tell, der aus einem Schweizer Nobelinternat (!) geflohen ist, und den wackeren Eidgenossen auf der Rütliwiese schliesst sich ein schwäbischer Tourist (!) namens Friedrich Schiller (!!) an. Was hamme gelacht!

Im neuen Schweizer Film sind die Grenzen zwischen dämlich und kindisch, pubertär und halberwachsen fliessend. Und das kann dann auch in bitterbösen Ernst kippen. Schauspieler Stefan Gubser, Star in «Hello Goodbye», knipst einfach das Licht aus; weil sich im Dunkeln leichter munkeln lässt? Er spielt einen Moribunden, einen Krebskranken, der sterben, aber bei dem Abgang seine erwachsene Tochter dabeihaben will. Eine Narzissmus-Kür im gedimmten Licht. Im schicken leeren Haus *flackern die Kerzen, und Gubser mimt den langen Abschied. Man magu2019s nicht glauben. Verzweifelt wirft man sich den «Doofen» und ihrem Song an den Hals: «Ich bau dir ein Haus aus Schweinskopfsülze.»

Tell. Regie: Mike Eschmann. CH/D, 2007

Hello Goodbye. Regie Stefan Jäger. CH, 2007. Ab. 11.10.

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Master
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Beitrag von Master »

ich war an der vorpremiere und fand es überhaupt nicht so schlimm wie dargestellt. würde es nicht als "hit" bezeichnen, aber schlecht ganz sicher auch nicht. schulnotenmässig eine 4-4.5...
Beckenpower hat geschrieben:Mir hän scho gwunne. Aber mir chönne no massiv gwünner.

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Rankhof
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Beitrag von Rankhof »

ZeroZero hat geschrieben:Die einzige Miet-DVD aller Zeiten, die ich schon nach knapp 10 Minuten wieder abgestellt habe. Das war nicht einfach nur grottenschlecht, das hat fast schon aggresiv gemacht... :D
Wenn man bedenkt, dass die Kritiken für Ring Thing einfach "nur" schlecht waren, (soweit ich mich erinnern kann), diejenigen für Tell aber schlicht unterirdisch sind, solltest du dir Tell ja nicht entgehen lassen - und dann uns davon berichten :p
Rankhof - seit 2002 da und noch immer nicht weg

allerdings wegen "Datenbankproblemen" von 2/09 bis 4/11 seiner virtuellen Existenz beraubt...

176-671
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Beitrag von 176-671 »

Demnächst kommt übrigens "Jeune Homme" im SF. Wenn das wirklich der Film ist, den ich meine, ist das auch ein ganz guter CH-Film.

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Heavy
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Beitrag von Heavy »

176-671 hat geschrieben:Demnächst kommt übrigens "Jeune Homme" im SF. Wenn das wirklich der Film ist, den ich meine, ist das auch ein ganz guter CH-Film.
Isch das dä wo sich selber dokumentiert het, vo sine Ferie bis in Tod, mit Chemoterapie und und und... dämuess recht idrücklich si.

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z basel a mym ryy
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Beitrag von z basel a mym ryy »

hart..aber wahr!!! :D
fand den film eigentlich gar nicht toll..um nicht zu sagen einfach scheissse
Fussballmafia SFV
Im SFV finden sich viele ausgezeichnete Jasser. Ob die Herren auch andere Fähigkeiten besitzen, muss bezweifelt werden

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jetzt starte mr international duure,wärs nid glaubt, kriegt eins uf d schnuure [Huggel]
©z basel a mym ryy

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majorBS
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Beitrag von majorBS »

Heavy hat geschrieben:Isch das dä wo sich selber dokumentiert het, vo sine Ferie bis in Tod, mit Chemoterapie und und und... dämuess recht idrücklich si.
Nai, isch dä wo e junge Dypp ins Wälsche goot als Huusbursch go schaffe. Dert veegled är denn in dr Nochbrschaft umme. Dasch alles. :D
[CENTER]FC Basel - Lyydeschaft syt 1893[/CENTER]

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coolio
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Beitrag von coolio »

naja, schlimmer als "schuh des manitu" und "traumschiff" wird der film ja wohl schon nicht sein..

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schnauz
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Beitrag von schnauz »

coolio hat geschrieben:naja, schlimmer als "schuh des manitu" und "traumschiff" wird der film ja wohl schon nicht sein..
da gibts auch keine steigerung mehr........... wenn deutsche (axel etc.) tell und söhne) nachäffen ist bei mir schluss.


.
es git nit scheeners uf dr Welt ,
als dr FCB und schwizer Geld !

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das Orakel
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Beitrag von das Orakel »

ZeroZero hat geschrieben:Die einzige Miet-DVD aller Zeiten, die ich schon nach knapp 10 Minuten wieder abgestellt habe. Das war nicht einfach nur grottenschlecht, das hat fast schon aggresiv gemacht... :D
Mich hats wirklich aggressiv gemacht.
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