espace.ch
Der Flitzer erschien wie ein Geschenk für die Young Boys. Nur mit einer Unterhose bekleidet sprintete ein
wohl masochistisch veranlagter Mann

kurz vor 18 Uhr am Sonntagabend über den Platz und erwärmte die frierenden Zuschauer im Wankdorf mit einer sekundenlangen Performance als tanzendes Nackedei. Endlich gab es auch für die immer unzufriedener werdenden Berner Besucher etwas zu lachen u2013 demütigend und erschreckend war das Geschehen zuvor für die YB-Anhänger gewesen. 1:5 stand es zu diesem Zeitpunkt, nach 75 Minuten, gegen den FC Basel.
Basler Demonstration
Des Meisters Machtdemonstration im Stade de Suisse fiel heftig aus, die chancenlosen Young Boys wurden im Basler Spielrausch zuweilen der Lächerlichkeit preisgegeben. «Es war wichtig, dass wir hier eine Reaktion auf die unnötige 2:3-Niederlage bei Xamax gezeigt haben», sagte Christian Gross nach dem 6:1-Kantersieg zufrieden. Der Basler Erfolgstrainer hatte zwecks Schonung für den finalen Uefa-Cup-Auftritt am Mittwoch bei der AS Roma die Stammspieler Mladen Petric, Patrick Müller, Papa Malick Ba und Julio Hernan Rossi aus seiner Formation rotiert. Welch Luxus u2013 und welch eindrückliches Zeichen an die frustrierte nationale Konkurrenz. Die überforderten Young Boys jedenfalls haben feststellen müssen, wie weit der Abstand zum helvetischen Branchenleader Basel noch ist.
Gernot Rohr hat seinen Nimbus der Ungeschlagenheit als YB-Trainer auf brutale Art eingebüsst. Allerdings dürfen für diese fürchterliche Heimniederlage für einmal mildernde Umstände angeführt werden. Gleich acht gestandene Super-League-Spieler fehlten den Bernern gesperrt oder verletzt, buchstäblich mit dem letzten Aufgebot traten die Young Boys gegen Basel an u2013es war gewissermassen ein Duell YB 3 gegen Basel 2. «Varela mit seiner Schnelligkeit, Schwegler mit seiner Ballsicherheit und Gohouri mit seiner Kopfballstärke haben uns sicherlich gefehlt», sagte Rohr, «und auch die anderen Abwesenden hätten wir gut gebrauchen können.» Weil der Konjunktiv aber die Sprache der Verlierer ist, und weil Gernot Rohr auch wenige Minuten nach einem derartigen Rückschlag ein echter Gentleman ist, hielt er sachlich fest: «Der FC Basel war heute mindestens eine Klasse besser als wir.»
Delgados Vorstellung
Rohr, bislang als Defensivminister bei YB erfolgreich, hatte sein Jugendcombo mit einer etwas mutigeren Ausrichtung als zuletzt auf den Rasen geschickt. Früh bereits glichen die Gastgeber nach einem feinen Angriff durch Mario Raimondi zum 1:1 aus (20. Minute). Doch im Gegenzug führte Boris Smiljanic die Basler nach einem Eckball mit einem wuchtigen Kopfstoss wieder auf die Siegesstrasse. Wie bereits beim 0:1 durch David Degen hatte der grossartige Matias Delgado die Vorarbeit geleistet.
Der argentinische Regisseur Delgado verwandelte das Wankdorf bei arktischen Temperaturen zu seinem persönlichen Wohlfühlzimmer. Der wunderbare Techniker vernarrte nicht nur seinen Gegenspieler, YB-Debütant Ferhat Cökmüs, immer wieder, er setzte auch seine Mitspieler mit genialen Zuspielen derart mustergültig ein, dass diese den Ball wie Eduardo beim 1:4 kurz vor der Pause nur ins verlassene Tor schieben mussten.
Katastrophale YB-Abwehr
Nicht nur bei diesem Gegentor präsentierte sich die YB-Defensive als Erste Allgemeine Verunsicherung. Der desorientierte Abwehrverbund der Young Boys stand beim souveränen Basler Marsch zum Fussballfest artig Pate. Katastrophale Fehlpässe, zögerliches Zweikampfverhalten, Stellungsfehler, Abstimmungsprobleme u2013 die Palette an Mängeln liest sich wie ein defensives Horrorprotokoll. «Wir haben vieles falsch gemacht, einige Spieler sind an ihre Limiten gestossen», analysierte Rohr schonungslos. «Aber ich habe mit Bordeaux als amtierender Meister einmal 0:9 in Monaco verloren.» Er verliere lieber einmal 1:6 als mehrmals 0:1, erklärte der Deutschfranzose auch noch. Die krassen taktischen Patzer seiner Schützlinge sind auch dem Fussballlehrer aufgefallen. «Da müssen sie die Spieler fragen», antwortete Rohr auf die Frage, was sich seine hasardierenden Fussballer bei ihrem unglaublichen Fehlerfestival gedacht haben.
Wankdorf nicht ausverkauft
Ein Flitzer und ein YB-Debakel
Gegen den FC Basel setzte es für YB vor 27 546 Zuschauern und einem Flitzer eine fürchterliche Heimniederlage ab. Gleich mit 1:6 verloren die defensiv miserablen und personell geschwächten Berner gegen den souveränen Leader.
Die Young Boys jedenfalls haben gestern eine ausgezeichnete Gelegenheit verpasst, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Dass das Wankdorf nicht einmal gegen Basel ausverkauft war, ist zwar betrüblich, aber durch das unangenehme Klima und die Liveübertragung am TV einigermassen zu erklären. Rätselhaft blieb derweil der ungenügende YB-Auftritt.
Gernot Rohr setzt jetzt auf die Winterpause, in der intensiv trainiert und geprobt werden soll, sowie auf mindestens drei Neuverpflichtungen. «Wir brauchen in jeder Linie eine Verstärkung», erklärte Rohr. Vielleicht sollte sich der YB-Trainer die Adresse des munteren Flitzers besorgen. Zielstrebig hatte der nackte Irrläufer den Ball nach einem fulminanten Lauf übers halbe Feld ins Tor bugsiert u2013 selbstverständlich in jenes von YB.