"Das ist der grösste Skandal"
In Barcelona versteht man die Welt nicht mehr. "Unglaublich! Ronaldinho 100 Punkte hinter dem 'Goldenen Ball'!"
"Das ist ein Witz", sagte Samuel Eto'o, der zusammen mit Ronaldinho Champions League und Meisterschaft gewann.
"Blecherner Ball für Cannavaro", spottete die katalanische Sportzeitung "Sport" einen Tag nach Fabio Cannavaros Wahl zu "Europas Fussballer des Jahres", die auch in Frankreich heftig kritisiert wurde.
"Das ist der grösste Skandal - gegen Thierry Henry gab es eine Kampagne", wetterte der sonst eher bedächtige Gerard Houllier, Meistertrainer bei Olympique Lyon.
"Vielleicht nicht verdient"
Hinter dem Weltmeister aus Italien (173 Punkte) und dessen Landsmann Gianluigi Buffon (124) hatte Frankreichs Vize-Weltmeister Henry bei der Wahl des Magazins "France Football" mit 121 Punkten den dritten Platz belegt.
"Cannavaro ist ein guter Spieler, aber Thierry Henry hat die ganze Saison über entscheidender gespielt", fand Frankreichs Nationaltrainer Raymond Domenech. Der wahre Goldene Fußball werde daher am 18. Dezember von der Fifa bei der Auszeichnung des "Welt-Fußballers des Jahres" vergeben.
"Henry wurde wieder übersehen"
"Im Vergleich zu anderen großen Fußballern hat Cannavaro den Titel vielleicht nicht verdient. Er hat zwar eine großartige WM gespielt, aber keine großartige Saison", meinte auch der ehemalige französische Nationalspieler und Bayern-Profi Jean-Pierre Papin.
Henrys Trainer Arsene Wenger stieß in die gleiche Kerbe: "Henry wurde wieder übersehen. Es sollten vor allem Spiele in der Champions League und in den starken europäischen Ligen berücksichtigt werden und nicht nur drei Wochen während einer Fußball-Weltmeisterschaft."
Nur den WM-Titel bewertet?
Am heftigsten war die Kritik aus der Stadt, in der "Weltfußballer" Ronaldinho und Eto'o, Afrikas Fußballer des Jahres 2003 bis 2005 und Spaniens Torschützenkönig der abgelaufenen Saison, spielen.
Beide landeten abgeschlagen auf den Plätzen vier und sechs.
"Niemand kann verstehen, dass ein Spieler die Wahl gewinnt, der seinen Vorgängern nicht annähernd das Wasser reichen kann. Die Jury hat nicht die Leistungen des letzten Jahres, sondern nur den WM-Titel bewertet", fand "Sport".
"Für mich ist Fußball mehr als nur verteidigen", sagte der ehemalige Barca-Spieler und -Trainer Johan Cruyff.
Cannavaro: "Hätte Buffon vor Henry und Pirlo gewählt"
"Wenn man meine Leistungen bei Juventus Turin und bei der WM betrachtet, habe ich konstant auf einem sehr hohen Niveau gespielt", meinte Cannavaro selber, "aber natürlich war der Gewinn der Weltmeisterschaft entscheidend."
Es tue ihm für Buffon und für Henry mit seinen "unglaublichen Fähigkeiten" Leid.
Er selbst hätte seinen Nationalmannschafts- und früheren Vereinskollegen Gianluigi Buffon gewählt, verriet der Innenverteidiger, der zur aktuellen Saison von Juventus zu Real Madrid gewechselt war. "Buffon, Henry und Andrea Pirlo ? in dieser Reihenfolge", so Cannavaro bescheiden.
Auszeichnung für alle Verteidiger
Dass er überhaupt erst als dritter Defensiv-Spieler nach Franz Beckenbauer und Matthias Sammer ausgezeichnet wurde, empfand der 33-Jährige als einen "doppelten Triumph": "Immer wurden Spieler gewählt, die ganz andere Fähigkeiten haben als ich. Deshalb glaube ich, dass diese Wahl eine Auszeichnung für alle Verteidiger ist."
Auch für die italienischen Weltklasse-Abwehrspieler Franco Baresi und Paolo Maldini. "Der Unterschied ist, dass ich den WM-Titel gewonnen habe", glaubt Cannavaro.
"Fabio ist ein echter Kerl"
Den gewann auch der Zweitplatzierte, Cannavaros Freund und Teankollege 'Gigi' Buffon. "Er hätte nicht nur den 'Goldenen Ball', sondern noch viele andere Auszeichnungen verdient. Er ist mehr als ein Fußballspieler, er ist ein Phänomen", findet der Kapitän der "Squadra Azzurra".
Der gab das Kompliment zurück: "Fabio ist ein echter Kerl, ein Kämpfer."
"Er war der beste Spieler der WM", lobte ihn sein Trainer Fabio Capello, der zusammen von Juventus zu Real gewechselt war.
Widmung für Neapel und Thuram
Seinen Erfolg widmete Cannavaro den Menschen in seiner Heimatstadt Neapel und seinem ehemaligem Parma- und Juve-Teamkollegen Lilian Thuram, mit dem er so manche "Schlacht geschlagen" habe.
Im WM-Finale standen beide als Gegner auf dem Platz, genauso wie jetzt in der spanischen Liga, wo sie um den nächsten Titel kämpfen.
Thuram spielt in Barcelona. Vielleicht legt er dort ja ein gutes Wort für seinen Freund ein.
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