Der Fußballkönig aus Basel nimmt Reißaus
Der Freigeist Hakan Yakin gilt in Stuttgart als eines der größten Missverständnisse in der Geschichte des VfB, jetzt zieht es ihn zurück in die Schweizer Heimat
VON OLIVER TRUST (STUTTGART)
Hakan Yakin ist weg. Wie fast alle beim VfB Stuttgart. Der Schweizer weilt im Urlaub in Basel. Vielleicht bei Mama Yakin, die sich immer sehr um ihre Söhne kümmert. Vielleicht aber auch woanders. Hauptsache weg. Weg aus Stuttgart, der Stadt, die dem 27 Jahre alten Fußballprofi kein Glück, sondern nur Frust brachte. Seine Berater suchen ihm einen neuen Club, der ihn aus dem Vertrag bis 2007 heraus kauft. Der FC Sion, mittlerweile in die zweite Liga der Schweiz abgerutscht, hat Interesse. Yakin will nur fort, damit er vergessen und verarbeiten kann, was ihm, dem großen Verlierer im Kader der Schwaben, alles widerfuhr.
Ein Absturz tut immer weh. Wenn aber der "Fußballer des Jahres 2003" der Schweiz, der 34 Länderspiele für sein Land machte und 2004 im EM-Kader stand, nicht mal mehr auf der Bank sitzt, schmerzt das noch mehr. 2,5 Millionen Euro überwies Stuttgarts Präsident Erwin Staudt im vorigen Winter für eines der größten Missverständnisse in der Geschichte des Clubs.
Im Dezember 2004 schlich der Mittelfeldspieler mit seiner Tasche in die Umkleidekabine der VfB-Amateure. Er könne gehen, sagte ihm der neue Stuttgarter Trainer Matthias Sammer in einem Gespräch unter vier Augen. Ganze zweimal hatte Yakin bis dahin im Profikader spielen dürfen. Minuteneinsätze, die den Frust steigerten. Zwölf Minuten im Ligapokal gegen Bochum im Juli, 19 Minuten im Auswärtsspiel bei Hertha BSC im September. So ziemlich alles empfand er als Ohrfeige und Demütigung.
Ob der Mann noch mal aus der Schweiz nach Stuttgart zurückkehrt, weiß keiner. Die harte Wahrheit ist, sie würden den technisch genialen Mann nicht sonderlich vermissen. In den vergangenen Wochen ließ er die Zügel schleifen. Obwohl ihm Sammer zunächst eine faire Chance versprochen hatte, glaubte er schon lange nicht mehr daran. Der "Fußballkönig aus Basel", wie einmal die Stuttgarter Zeitung schrieb, hatte keine Kraft mehr, wieder aufzustehen.
Schon damals, als er dem Lockruf von Ex-Trainer Felix Magath an den Neckar gefolgt war, verlief sein Einstand alles andere als zufrieden stellend. Hakan Yakin, der Bruder des ehemaligen Stuttgarters und jetzigen Basel-Profis Murat, schleppe ein paar Pfunde zu viel mit sich herum. Er könne dem Tempo in der Bundesliga nicht folgen, hieß es. Er saß schon damals meist auf der Bank oder mit diversen kleinen Verletzungen als Zuschauer auf der Tribüne.
Anders als in Basel, wollten die Stuttgarter ihr System nicht ganz auf ihn zuschneiden, auf ihn, den Künstler, der sich nicht in Deckungsaufgaben und kraftraubenden Zweikämpfen aufreiben wollte. Viele aus der alten Heimat sprangen für ihn in die Bresche. Wenn er entsprechend unterstützt werde, könne er seine Stärken ausspielen, sagten sowohl der Schweizer Nationaltrainer Köbi Kuhn als auch Basels Trainer Christian Gross. Yakin fuhr immer öfter nach Basel. Zur Erholung, zur Therapie, die sich in vielen Gesprächen mit Freunden und ehemaligen Wegbegleitern erschöpfte.
Zuletzt saß Yakin immer öfter an der Playstation, um dem bitteren Alltag zu entfliehen. Nach seinem Gastspiel vor ein paar Jahren in Frankreich, bei Paris St. Germain, war auch der zweite Versuch im Ausland schief gegangen.
Nun ist Yakin weg. Weg aus Stuttgart. Im Gepäck tonnenweise schlechte Erinnerungen und viele Zweifel. Es passte nicht mit ihm und dem VfB Stuttgart aus der Bundesliga. In Württemberg wollten sie einen Mann fürs Kollektiv, keinen Freigeist. Vielleicht kann der Techniker seine Kreativität woanders wieder entdecken. Denn weder er noch sein derzeitiger Verein sind besonders erpicht auf ein Wiedersehen.
Quelle:
http://www.f-r.de/ressorts/sport/sport/?&cnt=611295