Mundharmonika hat geschrieben:Es ist dann belegbar, wenn man all die so genannten Corona-Toten obduziert. Genau dies hat u.a. das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf getan und kam zum Ergebnis, dass "alle, ausnahmslos alle obduzierten Corona-Toten sollen Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Organschäden aufgewiesen haben."
Ja. Belegt ist es noch nicht. Weder
belegen 100 untersuchte Fälle, bei denen Vorerkrankungen, gefunden wurden, dass diese eine Voraussetzung für einen Tod mit Corona sind. Noch
belegen die Hinweise, dass Menschen ohne Vorerkrankungen intensivmedizinische Behandlung benötigen, dass diese ohne solche sterben würden. Aber wenn man erst handelt, wenn etwas belegt ist, ist man meist zu spät. Darüber haben wir zu Beginn der Massnahmen diskutiert. Man muss mit der Ungewissheit umgehen können, muss Annahmen in Relation stellen können, um handlungsfähig zu bleiben. Ist beispielsweise
belegt, dass es zu einer Rezession kommen wird? Und ist
belegt, dass eine Rezession gesellschaftlich (nicht wirtschaftlich) gesehen schlecht wäre? Ich finde es in Ordnung, auf Grund von Annahmen Vorkehrungen und Massnahmen zu treffen, dass die Wirtschaft weiterhin überlebt, weil die Wirtschaft ein wichtiger Teil der Gesellschaft ist.
Im verlinkten Artikel steht übrigens auch: «Auch diejenigen, die unter 60 sind, hatten teils schwerere innere Leiden, die ihnen zum Teil gar nicht bewusst waren.» Ist also jemand, der anscheinend ohne spürbare Probleme lebt auch schon ein «Todgeweihter», der eh in den nächsten Wochen gestorben wäre? Ich gehe davon aus, dass du das nicht so siehst. Behalte mal diese Leute im Kopf, ich komme am Schluss wieder darauf zurück.
Oben weist Du mich auf die Gefahr von Schlussfolgerungen aufgrund einer "nicht belegbare Verkürzung" hin. Meinst Du nicht, dass Du Dich dann konsequenterweise auch nicht nur auf Annahmen stützen solltest?
Ich sage
nicht, dass die Belegbarkeit Voraussetzung für eine Annahme ist, denn dann wäre es keine Annahme mehr.
Belegbarkeit ist die Voraussetzung, aus Annahmen eine Tatsache zu machen und so eine Verkürzung zu erlauben. Da noch so wenig belegbar ist, versuche ich nicht Annahmen wie Tatsachen zu behandeln, sondern verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, statt Dinge auszuschliessen. Und für diese Annahmen orientiere ich mich am breiten Konsens der Wissenschaft, solange ich in ihren Erklärungen und Argumentation keine Widersprüche ausmachen kann.
Doch selbst wenn dem so wäre, dass vereinzelt Menschen an Corona sterben, die an keinerlei (bekannten) Vorerkrankungen litten, was ich übrigens keineswegs ausschliesse, dann muss auch hier einmal mehr erwähnt werden, dass sich dies bei der saisonalen Grippe genau gleich verhält. Auch bei der saisonalen Grippe sterben jedes Jahr Menschen, die man eigentlich nicht zur Risikogruppe gezählt hatte.
Es können auch sonst Gesunde an Grippe sterben. Mit gleicher Wahrscheinlichkeit?
Dann sag mir doch bitte einmal, in was für einer Kategorie sich das neue Coronavirus im Vergleich zur saisonalen Grippe bewegt und weshalb das Coronavirus in Deinen Augen so extrem viel gefährlicher sein soll.
Der Umstand, dass die Bevölkerung immun-naiv ist und dass darum die Möglichkeit besteht, innert kürzester Zeit sehr viele Menschen auf einmal zu betreffen.
Über die individuellen Unterschiede betreffend
Gefährlichkeit gibt es noch ungenügende Belege, da wird noch laufend geforscht. Es gibt Annahmen von geringfügig schlimmer als eine Grippe bis viel schlimmer als eine Grippe. Mir ist aber keine Annahme bekannt, die davon ausgeht, dass es weniger schlimm als eine Grippe sei. Würde sich die Grippe gleich schnell ausbreiten und die gleiche Anzahl von Menschen betreffen können, würden Influenza auf- aber nicht überholen. Aber genau dieses Wachstumspotenzial macht ja den Unterschied gravierend. Wieviel höher der Näherungswert der fallspezifischen Mortalität ausfallen wird, steht noch in den Sternen. Aber darüber muss man sich noch gar nicht einig sein, um ein anderes Vorgehen zu rechtfertigen.
Die zwei aus meiner Sicht einzig wirklich gravierenden Unterschiede für uns Menschen sind, dass das Coronavirus sich viel schneller und einfacher auszubreiten scheint als die saisonale Grippe und dass es für das Coronavirus zurzeit noch keinen Impfstoff gibt. Ich kann mich aber eigentlich nicht darauf festlegen, ob man das Coronavirus aufgrund dieser zwei Punkte als viel gefährlicher einstufen soll.
Nicht nur schneller und einfacher, sondern auch mehr potenzielle Ziele hat. Für den Einzelnen ist der Unterschied von Corona zu Grippe sehr variabel, für viele ist er eher gering, für einige sehr gross. Aber für die Gesellschaft ist der Unterschied massiv. Weil die Systeme durch einen plötzlichen Anstieg überlastet würden. Da diese Gefahr von einer Influenza nicht ausgeht, würde ich die Gefahr höher einstufen.
Tatsache ist, dass die Grippe uns schon seit vielen Jahren beschäftigt und sie trotz vorhandener Impfung jährlich Tausende Todesopfer fordert. Sollte Covid-19 wie schon die Vogel- oder Schweinegrippe nach nur einem Jahr wieder verschwinden oder zumindest unbedeutend werden, dann stellt sich für mich die Frage eigentlich nicht mehr, ob die saisonale Grippe oder Covid-19 für uns die grössere Bedrohung darstellt.
Darüber, dass auf Vogel- und Schweinegrippe überreagiert wurde, mehr Angst als nötig verbreitet wurde, brauchen wir nicht zu diskutieren. Da bin ich voll deiner Meinung.
Sorry, ich verstehe Deine Frage nicht. Von welcher Solidarität und Solidariät wofür sprichst Du im Zusammenhang mit dem Coronavirus?
Echt nicht? Nicht mal mit ein wenig Fantasie? Der Begriff Solidarität ist doch nicht so schwer zu verstehen, oder doch? Wieviel Last sind die Angehörigen eines Staates bereit für andere Angehörige des Staates mitzutragen und wo liegt die Grenze, bei der diese Last zu gross wird?
Dein Beispiel mit der Everest-Besteigung hilft mir zum Verständnis auch nicht wirklich weiter, weil ich da keinerlei Parallelen mit dem Coronavirus sehe.
Die Expedition entspricht wie ein Staat einer Schicksalsgemeinschaft. Und dabei meine ich weder das Besteigen im Alleingang, noch eine Anbieter/Kunde Situation. Ich gehe von gleichberechtigten Personen aus, die sich gemeinsam auf das Abenteuer einlassen. Das Virus entspricht vielleicht einem unvorhergesehenen Wetterumschwung.
Wenn ich den Everest besteigen will, egal ob in einer Gruppe oder im Alleingang, dann setze ich mich bewusst einer Gefahr aus. Abgesehen davon stellt sich die Frage am Everest meist auch gar nicht, ab wann man auf sich selbst angewiesen ist und damit rechnen muss, bei Erschöpfung zurück gelassen zu werden. Das ist normalerweise entsprechend den natürlichen Umständen in der Todeszone ab 7'000 Meter Höhe der Fall. Bei solchen Expeditionen sind zudem in der Regel in den allgemeinen Geschäfts- oder Vertragsbedingungen die Risiken deutlich beschrieben und die Verantwortung des Expeditionsveranstalter klar vordefiniert. Eine Everest-Expedition, wo man Dir garantiert, dass man Dich lebend rauf und wieder runter bringt oder Dich im Falle von Erschöpfung oder einer Verletzung in der Todeszone vom Berg runter holt, wirst Du nirgendwo buchen können.
Die Bedingungen und Ziele einer Demokratie können genauso diskutiert werden, wie bei der bewussten Entscheidung für eine Expedition. Eine Gesellschaft/Expedition sollte sich klar sein, worauf man sich geeinigt hat, was man voneinander erwarten kann, etc. um sich auch einem gemeinsamen Ziel widmen zu können. Eine Gesellschaft/Expedition sollte aber auch jederzeit das Ziel neu ausdiskutieren können, wenn sich die Bedingungen verändern oder man realisiert, sich im Vorfeld einzeln oder kollektiv über- oder unterschätzt zu haben. Würdest du auf im Vorfeld abgeschlossene Abmachungen beharren, wenn andere Teilnehmer sagen, dass sie nicht mehr mögen und umkehren wollten? Oder würdest du die Anzeichen für einen Wetterumschwung einfach ignorieren, bis der Wetterumschwung belegt oder zumindest die zuvor ausgemachten Bedingungen für einen Abbruch erfüllt wären?
Kannst du dich noch an die Leute vom Beginn erinnern, die völlig unerwartet starben, weil sich Vorerkrankungen gar nie bemerkbar gemacht hatten? Kannst du dir nicht verstehen, dass einige durch diese Beobachtung zum Schluss kommen und sagen, dass sie die Ziele vielleicht neu diskutieren wollen? Weil sie angesichts der Unvorhersehbarkeit des Todes realisieren, dass jeder Lebende auch gleichzeitig todgeweiht ist. Vielleicht persönliche Prioritäten neu ordnen und diskutieren wollen? Sich fragen, wer und wann überhaupt die bisherige Marschroute festgelegt hat und der Ansicht sind, dass sie diese vielleicht gar nicht selbst so wählen würden?
Du realisierst ja auch, dass du deinen Massstab anders setzt, als andere. Jeder hat einen individuellen Massstab. Aber wir sollten anfangen, uns über diese Massstäbe auszutauschen, weil es im Sinne der Gesellschaft/Expedition wichtig wäre, sich auf gemeinsame Ziele und Werte zu einigen.
Man ist nicht nur Individuum, man ist auch gleichzeitig – freiwillig oder unfreiwillig – Teil unzähliger Gemeinschaften. Innerhalb dieser Gemeinschaften ist es sinnvoll zu fragen: «Was will man?»
Dich beschäftigt die Frage «Ob der neue Coronavirus wirklich so gefährlich ist und ob die Massnahmen gerechtfertigt waren?» schon recht lange. Diese lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, denn es ist eine Frage persönlicher Werte. Ist z.B. Wirtschaftswachstum sehr wichtig ist, wird die Antwort anders ausfallen, als wenn das Wirtschaftswachstum in Frage stellt wird. Wenn dir jemand in der Beantwortung widerspricht, sagt das nichts über den Wahrheitsgehalt deiner oder seiner Antwort aus. Nur über die Gewichtung der Werte.