Ich bin nicht der ausschliesslichen Meinung, dass eine simple Verstaatlichung ohne weitere Reformen die Kosten bremsen würde. Wenn man vom Grundprinzip her so weiter macht wie bis anhin, würden eventuelle Einsparungen im Nu wieder verpuffen.
Ich bin der Ansicht, dass man sich in einer Debatte über die Leistungen, welche durch so eine Kasse abgedeckt werden sollten, auch offen mit deren Kosten beschäftigen müsste. Wenn wir uns immer teurer werdende Therapien wie beispielsweise Gentherapien leisten wollen, dann dürfen wir uns auch nicht über die steigenden Kosten beklagen.
Ich bin auch der Ansicht, dass die Leistungen besser kanalisiert werden sollten. Also mindestens über ein Hausarztmodell funktionieren, ergänzt mit mehr telemedizinischen Angeboten. Ich sehe einfach mehr Potenzial darin, dies innerhalb einer staatlichen Kasse schlicht vorzuschreiben, als dass es sich in einem durch einen obligatorischen Leistungskatalog eingeschränkten Wettbewerbspielraum mittels finanzieller Anreize durchsetzen könnte.
In meiner Vorstellung von Solidarität steht an erster Stelle, dass allen die gleiche Mindestversorgung zugänglich und auch gesichert ist. Erst an zweiter Stelle würde ich diese Versorgung ausbauen, sofern wir es uns leisten wollen und auch leisten können. Daher mein Votum für eine Entkoppelung in zwei parallel verlaufende, sich ergänzende Systeme. Ich habe den Eindruck, dass vielen zu wenig bewusst ist, das die Maximalversorgung für alle auch die entsprechenden Kosten für alle nach oben treibt. Es scheint mir beinahe so, als ob einige so die Eigenverantwortung ausblenden können, indem man übermässig Leistungen in Anspruch nimmt (direkt zum Spezialisten oder ins Spital rennt) oder einem kostentreibendem Lebenswandel fröhnt (ungesunde Ernährung, Alkohol, Tabak, zu wenig Bewegung, zu viel einseitige Bewegung, etc.). Man verlässt sich darauf, dass dieser Topf nicht versiegen wird, weil daraus auch die Mindestversorgung gespiesen wird, zu der man sich ja bekannt hat. Ich finde es aber fragwürdig, dass sich das laufend erweiternde Versorgungsangebot und die gesellschaftlich vereinbarte Mindestversorgung aus dem gleichen Topf bedienen sollen, weil sämtliche Bestrebungen, das Versorgungsangebot auszubauen gleichzeitig die Kosten in die Höhe treibt und dadurch auch die Mindestversorgung gefährden.
Daneben finde ich es absolut krank, dass sinnvolle Medizin zum Teil ungenügend erforscht wird, weil sich daraus zu wenig Kapital schlagen lässt. Nur um einige Beispiele zu nennen: neue Antibiotika oder Phagen. Da sind sich führende Spezialisten eigentlich einig, dass die aktuellen Marktmechanismen sinnvolle Forschungen zu wenig pusht, ja sogar behindert. Aber auch der Bereich Impfungen ist – abgesehen von den Umständen der aktuellen Pandemie – zu wenig lukrativ, als dass sich die Pharmariesen damit beschäftigten. Zu teuer sind die klinischen Studien, zu gering die Gewinnmarge und am Ende «bezahlt» die Bevölkerung durch Krankheit oder für lukrative Therapien. (Ein – unter Vorbehalt – empfehlenswerter Podcast:
The Cure – Heilung aus dem Grab der ARD. Gut recherchiert, aber ich hätte mir ein Kondensat der inhaltlichen Brisanz gewünscht, welche sich zu Gunsten der eigentlich unterhaltsamen Erzählung leider auf weite Strecken verteilt.)
Ich erhoffe mir also von dieser Entkoppelung langfristige Veränderungen. Auch, dass die staatliche gesicherte Mindestversorgung an Gesundheit dazu führen wird, dass für die Gesundheit sinnvolle Forschung genügend Mittel erhält, weil wir Gesundheit wollen und bereit sind, darin zu investieren. Wir können doch nicht alles dem Markt delegieren, wenn wir regelmässig sehen, wo seine Mechanik versagt? Aber genauso vermessen wäre es auch, Dinge bestimmen zu wollen, welche der Markt offensichtlich besser kann. Marktmechanik scheint mir überall dort angebracht, wo man Entwicklung und Wachstum will. Ich halte sie aber ungeeignet für die Bereiche, wo man etwas sicherstellen will, wie beispielsweise in einer Grundversorgung. Die sollte in erster Priorität eine
gesicherte Baseline darstellen und sich erst in zweiter Priorität weiter entwickeln.