Unabhängigkeitsbewegungen in Europa

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Bierathlet
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Unabhängigkeitsbewegungen in Europa

Beitrag von Bierathlet »

Um die anderen Fäden zu schonen, eröffne ich hier den richtigen Faden.

Was denkt Ihr zum Referendum in Katalonien?

Wie schätzt ihr die Chancen anderer Unabhängigkeitsbewegungen in Europa ein?

Was haltet ihr von einem Europa der Regionen?

Hier noch ein kleiner Überblick über die verschiedenen Bewegungen in Europa

Liste derzeitiger Sezessionsbestrebungen in Europa
Sali Zämme! hat geschrieben:Die Erde ist eine Scheibe. #infotweet

Lusti
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Beitrag von Lusti »

Danke für die "Zentralisierung" der Diskussion über die "Dezentralisierung" der Regionen.

Das Referendum in Spanien war keines. Ein Papiertiger welcher von irgendwelchen Machtpolitikern wieder dazu verwendet werden wird, politische Brandherde zu bewirtschaften.

Allgemein schätze ich die Bestebung der Regionen für Unabhängigkeit eher hoch ein, deren Chancen aber gering. Das "die da oben"-Problem wurde eigentlich durch die EU richtig sichtbar. Die aufgeführten Regionen streben zum Teil schon länger die Unabhängigkeit an, meist weil sie durch die Zentralregierungen der jeweiligen Länder vergessen wurden, andererseits weil sie durch Sprache, Kultur oder andere Ursachen, sich dem Staat in dem sie sind, nie zugehörig gefühlt haben. Ein Kardinalsfehler all dieser Unabhängigkeitsbewegungen ist aber die Tatsache, dass sie jeweils gerne eine romantische ideale Form ihrer Unabhängigkeit betrachten dabei aber gerne vergessen, dass die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat auch durchaus Vorteile bringt. So sehen diese Regionen zwar den Anteil welchen Sie an den Nationstaat abtreten (Steuern, Güter usw.), sehen aber nicht den finanziellen und logistischen Aufwand für den Unterhalt eines eigenen Nationalstaats. Ein Europa der Regionalstaaten ist kein besseres Europa, ein Europa mit Nationalstaaten welche die Regionen respektieren und auf deren speziellen Bedürfnisse eingehen ist erfolgreich.
FC Basel - Rasenmeister 2007

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Bierathlet
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Beitrag von Bierathlet »

Ich denke auch, dass die Staaten nicht unbedingt vollständig unabhängig sein müssen, aber sie sollten angemessene Möglichkeiten zur Selbstverwaltung erhalten. In Katalonien wären viele auch mit mehr Selbstverwaltung zufrieden gewesen, aber Madrid macht nicht gerne Zugeständnisse.
Oder die Schweiz, eine Willensnation, ist das beste Beispiel, wie man einen Staat, der nicht aus einer einheitlichen Ethnie besteht, zusammenhalten kann. Stichwort "Willensnation".

Faustregel: Es nicht wie Frankreich machen. Für mich persönlich absolut verachtenswert, was Paris bis jetzt geboten hat. Im 1. Weltkrieg die jungen Bretonen, die kein französisch verstehen, in die erste Reihe stellen und über den Haufen schiessen lassen (240'000 Bretonen fielen) und nach den Kriegen ethnische Franzosen in der Bretagne und auf Korsika ansiedeln, um die Bretonen und Korsen zur lokalen Minderheit zu machen. Wie China, welches Han-Chinesen in Tibet und Xinjiang ansiedelt.
Sali Zämme! hat geschrieben:Die Erde ist eine Scheibe. #infotweet

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Konter
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Beitrag von Konter »

Frankreich ist DER Verbrecherstaat in Westeuropa
Nid füre Lohn, für d'Region
LordTamtam hat geschrieben:Ich freu mich auf morgen früh. Dann geht das gejammer um Trump nochmals 4 Jahre weiter.:D

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SubComandante
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Beitrag von SubComandante »

Pro Freistaat Basel mit Basel inkl. Speckgürtel!

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Mundharmonika
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Beitrag von Mundharmonika »

Bierathlet hat geschrieben:Was denkt Ihr zum Referendum in Katalonien?
Ich kenne etliche Katalanen (= Bewohner der spanischen Region Katalonien oder ursprünglich von daher kommend) und auch etliche Katalanisten (= Katalanen, die für die Unabhängigkeit von Katalonien sind). Die Positionen zu diesem Thema sind in Spanien nicht nur in der Politik, sondern auch in der Bevölkerung festgefahren. Da rückt kaum einer von seiner Position ab.

Aus neutraler Sicht sind es aber vor allem die Katalanisten, die auffallen. Ihre Wappenfarben oder ihre Sprüche sprayen sie überall auf Schulhäuser, Regierungsgebäude oder sonstige Wände und ihr Wappen hängen sie regelmässig als Provokation auf irgendwelche Bergspitzen oder an anderen exponierten Stellen. Ich kenne viele Katalanen und Spanier, denen dieses Verhalten schon seit langem gewaltig auf die Eier geht.

Dass die Katalanen ein eigenes Volk mit einer eigenen Sprache sind, wird meiner Sicht nur als Vorwand benutzt, um sich damit auf das Völkerrecht und somit auch auf das Selbstbestimmungsrecht beziehen zu können. Historisch gesehen steht diese These aber auf eher wackligen Füssen, denn man beruft sich auf das Königreich Aragón als "Vorgängernation". Ein Königreich, das einst bis nach Sizilien reichte, es aber seit 1707 nicht mehr gibt und zu welchem die heutigen Bewohner Kataloniens (gebürtige Katalanen, Spanier aus allen Landesteilen und Menschen aus den verschiedensten Länder der Erde) wohl kaum eine tiefere Beziehung haben können.

Die wahren Gründe der gewünschten Abspaltung sind aus meiner Sicht:
  • Viele Katalanen sind der Meinung, dass sie die fleissigsten Spanier sind. Sie sind nicht einverstanden, dass mit ihren Steuern die "faulen Andalusier" und andere Regionen unterstützt werden. Es ist also eine fehlende Solidarität gegenüber den wirtschaftlich schwächeren Regionen.
  • Spätestens seit dem Bürgerkrieg unter General Franco existiert eine angeborene Abneigung bis hin zum blinden Hass gegen die Zentralregierung in Madrid. Franco hatte die Rechte der Katalanen beschnitten, die katalanische Sprache verboten und wer sich widersetzte, einsperren oder erschiessen lassen. Viele, die diese Zeit erlebt haben, sind also "aus Prinzip" gegen Madrid, ganz besonders natürlich dann, wenn der Regierungschef vom Partido Popular (PP) gestellt wird, einer Partei, die als Nachfolgepartei der hauptsächlich von Frankisten gegründeten Alianza Popular (AP) verstanden wird.
Die Positionen sind u.a. deshalb fest gefahren, weil einerseits die Politiker in Madrid und in diesem Fall Rajoy wenig Dialogbereitschaft zeigen oder sich des Problems in Katalonien nicht proaktiv annehmen. Andererseits sind auch die Separatisten und Politiker wie Puigdemont nicht kooperativ genug, sondern sie versuchen mit politischem und zivilem Ungehorsam etwas herbei zu zwingen, was von einem Grossteil der Spanier und vermutlich auch von einer - wenn auch nicht überzeugenden - Mehrheit der Katalanen gar nicht gewünscht wird.

Um eine Lösung für das spanische Problemkind Katalonien zu finden, muss aus meiner Sicht zuerst einmal der viel zu radikale Puigdemont - Ministerpräsident der Region Katalonien - weg, den ich als Hauptverantwortlichen für die gestrigen Vorkommnisse ansehe. Aus meiner Sicht gehört er eigentlich auch hinter Gitter, denn er hat mit allen Mitteln versucht etwas durchzusetzen, das gegen die spanische Verfassung verstösst. Ein gemässigter Politiker muss hier das Zepter übernehmen. Und in Madrid muss ein Umdenken stattfinden und an Lösungen gearbeitet werden. Nicht in erster Linie an einer Lösung für eine Unabhängigkeit Kataloniens, sondern an einer Lösung für ein friedliches Zusammenleben.

Ich persönlich glaube übrigens, dass trotz all der Bilder, die nach aussen etwas anderes suggerieren mögen, eine Mehrheit der Bevölkerung Kataloniens gegen eine Abspaltung ist.

Wo der Konflikt um Katalonien seinen Ursprung hat (NZZ)

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joggeliwurst
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Beitrag von joggeliwurst »

Wir haben mal mit dem Gedanken gespielt die freie Republik Lehenmatt auszurufen. Wir hätten die Autobahn bei der Breite annektiert und Zoll verlangt, womit die Steuern geregelt gewesen wären, der Schwarzpark als Naherholungsgebiet, das Joggeli als Sportstätte.... hätte alles gepasst.
Leider irgendwie nix draus geworden...

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Käppelijoch
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Beitrag von Käppelijoch »

Die Süd-Tiroler mussten lange kämpfen, bis sie ihre Autonomie erhielten. Der italienische Staat beklekerte sich nicht gerade mit Ruhm, so sind Folterungen mit Todesfällen dokumentiert (In den 1960ern!!!).
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Chrisixx
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Beitrag von Chrisixx »

Käppelijoch hat geschrieben:Die Süd-Tiroler mussten lange kämpfen, bis sie ihre Autonomie erhielten. Der italienische Staat beklekerte sich nicht gerade mit Ruhm, so sind Folterungen mit Todesfällen dokumentiert (In den 1960ern!!!).
Immer noch nicht gut genug.

Aftershock
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Beitrag von Aftershock »

Rajoy hat jedoch mit dem Entsenden seiner Paramilitärischen Schlägerpolizisten alles geändert. Und dass er deren Einsatz dann auch noch als Verhältnismässig betitelt hat, gipfelt das Ganze noch. In meinen Augen hat er gezeigt, dass er bereit ist, die Katalanen zu unterdrücken. Und das in bester Franco-Manier. Daher mag das Referendum per se nicht Legitim gewesen sein. Der Unabhängigkeitswunsch jedoch, wurde von Rajoy absolut untermauert.

Ich denke, dass ich es noch erleben werde, dass die Katalanen ihre Unabhängigkeit erklären. Und wenn es so weit kommt, werde ich es gutheissen (das interessiert zwar kein Schwein).

Bei den anderen Regionen, die ein bisschen laut von Abspaltung und Sezession sprechen, denke ich nicht, dass ich es noch erleben werde.
- Bayern
- Südtirol
- Nordirland (Jedoch um sich Irland anzuschliessen) -Dank Brexit nicht unrealistisch
- Spaltung Belgiens in Flandrien und Wallonien
- Vorarlberg
- Schottland - Nicht unrealistisch
- Sardinien
- Veltin
- Pandanien
- Baskenland
- Elsass
- ...

Ob es richtig oder falsch ist, lässt sich von uns föderalismusverwöhnten Schweizern kaum beurteilen.

Und wenn wir schon von Abspaltung sprechen... Das Fricktal sollte sich mal vom Aargau lösen.

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Käppelijoch
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Beitrag von Käppelijoch »

Süd-Tirol hat da eine ganz eigene Geschichte. Es kam als Kriegsbeute zu Italien und seine Kultur wurde brutalstens unterdrückt und noch heute müssen die Süd-Tiroler noch um ihre kulturelle und sprachliche Autonomie gegen Italien ankämpfen. Und auch um ihre politische. Süd-Tirol ist im italienischen Nationalstaat ein Fremdkörper, fremdverpflanzt und hat dort eigentlich nichts zu suchen.

Padanien ist eine Erfindung der Lega Nord und keine politische, historische und kulturelle Einheit.

Beim Elsass haben es die Franzosen erfolgreich geschafft, die ursprüngliche Kultur und Sprache praktisch auszulöschen.
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Chrisixx
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Beitrag von Chrisixx »

Käppelijoch hat geschrieben:Süd-Tirol hat da eine ganz eigene Geschichte. Es kam als Kriegsbeute zu Italien und seine Kultur wurde brutalstens unterdrückt und noch heute müssen die Süd-Tiroler noch um ihre kulturelle und sprachliche Autonomie gegen Italien ankämpfen. Und auch um ihre politische. Süd-Tirol ist im italienischen Nationalstaat ein Fremdkörper, fremdverpflanzt und hat dort eigentlich nichts zu suchen.
Das mir in Bozen teilweise auf Italienisch geantwortet wird nervt mich abgöttisch. Leider ist nun die Mehrheit der Bevölkerung italienischer Herkunft. Da hat Mussolini gute Arbeit geleistet. Die Denkmäler und Wandwerke der Faschisten stehen ja immer noch.

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Käppelijoch
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Beitrag von Käppelijoch »

Ja, in Bozen sind 73% der Einwohner Italiener. Während im Vinschgau über 90% der Bevölkerung Süd-Tiroler sind z.B. Die Italiener sind lediglich in den grösseren Städten wie Bozen, Meran (50:50) stärker vertreten, im Landesschnitt machen sie noch knapp 24% aus.

Ich spreche in Bozen überall konsequent deutsch. Und siehe da, auf einmal können die Italiener deutsch. Auch wenn ich es mit Behörden, Polizei oder Zoll zu tun habe: Ich beharre auf deutsch - und auf einmal geht es. (P.S.: Wenn Du auf deutsch sprichst und das Protokoll wird in Italienisch verfasst, dann ist es ungültig - so kommt man manchmal um Bussen herum :D )
Heusler.

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Chrisixx
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Beitrag von Chrisixx »

Käppelijoch hat geschrieben:Ja, in Bozen sind 73% der Einwohner Italiener. Während im Vinschgau über 90% der Bevölkerung Süd-Tiroler sind z.B. Die Italiener sind lediglich in den grösseren Städten wie Bozen, Meran (50:50) stärker vertreten, im Landesschnitt machen sie noch knapp 24% aus.

Ich spreche in Bozen überall konsequent deutsch. Und siehe da, auf einmal können die Italiener deutsch. Auch wenn ich es mit Behörden, Polizei oder Zoll zu tun habe: Ich beharre auf deutsch - und auf einmal geht es. (P.S.: Wenn Du auf deutsch sprichst und das Protokoll wird in Italienisch verfasst, dann ist es ungültig - so kommt man manchmal um Bussen herum :D )
Ich bleib schon beim Deutsch, ich beharre auf meinem Recht.

edit: Dativ nix kann

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footbâle
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Beitrag von footbâle »

Käppelijoch hat geschrieben: Ich spreche in Bozen überall konsequent deutsch.
Und ich in Merano konsequent italienisch. :)

P.S. Catalunya Lliure!
Cheerie, how up, do Clown.

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footbâle
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Beitrag von footbâle »

Chrisixx hat geschrieben:Ich bleib schon beim Deutsch, ich beharre auf mein Recht.
"Beharren auf" verlangt den Dativ. ;)
Wenn wir hier schon die deutsche Sprache verhandeln..
Cheerie, how up, do Clown.

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Käppelijoch
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Beitrag von Käppelijoch »

Nana mein lieber footbâle...hier einfach die faschistische Schreibweise der süd-tiroler Ortsnamen zu übernehmen, also also ;)
Heusler.

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Soriak
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Beitrag von Soriak »

Moutier hat gezeigt, wie man es in einem demokratischen Staat macht: man bereitet einen Uebergangsweg vor und laesst die Bevoelkerung abstimmen. Hat doch keinen Zweck eine Region zum Bleiben zu zwingen, wenn die Mehrheit der lokalen Bevoelkerung das nicht will. Man mag romantische Vorstellungen einer Unabhaengigkeit haben -- und wenn es dann doch nicht klappt, sitzen sie im Dreck. Aber mit Polizeigewalt eine Meinungsumfrage (eine rechtlich gueltige Abstimmung war es ja nicht) zu verhindern und so brutal gegen Leute vorzugehen... das hat mit Demokratie doch nichts mehr zu tun. Solche Bilder erwartet man aus der Tuerkei, nicht aus Europa.

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Asselerade
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Beitrag von Asselerade »

Mundharmonika hat geschrieben: Die wahren Gründe der gewünschten Abspaltung sind aus meiner Sicht:
  • Viele Katalanen sind der Meinung, dass sie die fleissigsten Spanier sind. Sie sind nicht einverstanden, dass mit ihren Steuern die "faulen Andalusier" und andere Regionen unterstützt werden. Es ist also eine fehlende Solidarität gegenüber den wirtschaftlich schwächeren Regionen.
  • Spätestens seit dem Bürgerkrieg unter General Franco existiert eine angeborene Abneigung bis hin zum blinden Hass gegen die Zentralregierung in Madrid. Franco hatte die Rechte der Katalanen beschnitten, die katalanische Sprache verboten und wer sich widersetzte, einsperren oder erschiessen lassen. Viele, die diese Zeit erlebt haben, sind also "aus Prinzip" gegen Madrid, ganz besonders natürlich dann, wenn der Regierungschef vom Partido Popular (PP) gestellt wird, einer Partei, die als Nachfolgepartei der hauptsächlich von Frankisten gegründeten Alianza Popular (AP) verstanden wird.
gute zusammenfassung - beim ersten punkt sprichst du von fehlender solidarität - nennst allerdings gerade im zweiten punkt ein möglicher grund für diese. die blickweise sollte hier eher aus den augen der katalenen kommen. ganz einfach gesprochen: man hat sich nie als ein ganzes land gesehen, bzw war man nie wirklich stolz darauf. wie kann da eine solidarität im nationalstaatlichem sinne aufkommen?

alle anderen punkte fasst du gut zusammen, allerdings sollte die kraft der faschisten-zeit und deren auswirkungen nicht unterschätzt werden. der hass, die historische chance auf einmal den freien willen zu haben zu entscheiden was mit der region passiert, nach all dem was im letzten jahrhundert passiert ist (die generation die den krieg miterlebt hat, ist noch da; diejenigen die in katalonien während der diktatur die schule besucht haben ebenfalls) - diese kraft sollte man nicht unterschätzen und spielt meiner meinung nach (berechtigterweise) stark in den wahren wunsch nach dieser abstimmung mit ein.
Einige gingen hinter die Theke und stellten weitere Bratwürste auf den Grill und reichten sie den hungrigen Fans

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Mundharmonika
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Beitrag von Mundharmonika »

Asselerade hat geschrieben:gute zusammenfassung - beim ersten punkt sprichst du von fehlender solidarität - nennst allerdings gerade im zweiten punkt ein möglicher grund für diese.
Die Katalanen gelten in Spanien grundsätzlich eher als sparsam, um nicht zu sagen geizig. Sie drehen den Cent in der Regel immer zweimal um. Dies behaupten nicht nur Spanier aus anderen Regionen des Landes, die Katalanen selbst spielen gerne mit diesem Cliché. Ich habe einige katalanische Freunde und wenn es darum geht, im Restaurant eine Runde zu zahlen und sie sich drücken wollen, dass berufen sie sich immer scherzend darauf, dass sie Katalanen sind.

Kurzum; ich glaube deshalb nicht, dass die fehlende Solidarität der Katalanen gegenüber anderen Regionen in erster Linie mit der Zeit unter Franco etwas zu tun hat. Viele Katalanen sind da einfach ein wenig egoistisch veranlagt und nicht gewillt, Regionen zu unterstützen, wo die Leute (insbesondere die "faulen Zigeuner" aus Andalusien) nicht die gleiche Arbeitsmoral an den Tag legen wie in Katalonien.
Asselerade hat geschrieben:die blickweise sollte hier eher aus den augen der katalenen kommen. ganz einfach gesprochen: man hat sich nie als ein ganzes land gesehen, bzw war man nie wirklich stolz darauf. wie kann da eine solidarität im nationalstaatlichem sinne aufkommen?
Wer ist man? Eine Mehrzahl der Katalanen bzw. Bürger Kataloniens, die ich kenne, sehen sich sehr wohl als Spanier. Man sieht in den Medien immer nur jene Katalanen, die auf die Strasse gehen und nach Unabhängigkeit schreien, aber die anderen, die zuhause bleiben, werden nicht beachtet. Und ich behaupte jetzt einmal, dass diejenigen, die man nicht sieht und die sich nicht von Spanien loslösen wollen, noch immer in der Mehrzahl sind.
Asselerade hat geschrieben:... die kraft der faschisten-zeit und deren auswirkungen nicht unterschätzt werden. der hass, die historische chance auf einmal den freien willen zu haben zu entscheiden was mit der region passiert, nach all dem was im letzten jahrhundert passiert ist (die generation die den krieg miterlebt hat, ist noch da; diejenigen die in katalonien während der diktatur die schule besucht haben ebenfalls) - diese kraft sollte man nicht unterschätzen und spielt meiner meinung nach (berechtigterweise) stark in den wahren wunsch nach dieser abstimmung mit ein.
Paradoxerweise sieht man bei Kundgebungen zur Unabhängigkeit neben älteren Generationen aber in erster Linie Jugendliche und Studenten unter 30 Jahren. Diese haben die Franco-Zeit nicht miterlebt und haben den Hass gegenüber der Zentralregierung höchstens von den Eltern übernommen. Daher bin ich der Meinung, dass viele, die für die Unabhängigkeit auf die Strasse gehen, vor allem von Politikern manipuliert werden. Die Franco-Zeit und anderes dient dabei lediglich als perfektes Alibi, um eine Loslösung von Spanien zu fordern.

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Asselerade
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Beitrag von Asselerade »

Mundharmonika hat geschrieben:Die Katalanen gelten in Spanien grundsätzlich eher als sparsam, um nicht zu sagen geizig. Sie drehen den Cent in der Regel immer zweimal um. Dies behaupten nicht nur Spanier aus anderen Regionen des Landes, die Katalanen selbst spielen gerne mit diesem Cliché. Ich habe einige katalanische Freunde und wenn es darum geht, im Restaurant eine Runde zu zahlen und sie sich drücken wollen, dass berufen sie sich immer scherzend darauf, dass sie Katalanen sind.

Kurzum; ich glaube deshalb nicht, dass die fehlende Solidarität der Katalanen gegenüber anderen Regionen in erster Linie mit der Zeit unter Franco etwas zu tun hat. Viele Katalanen sind da einfach ein wenig egoistisch veranlagt und nicht gewillt, Regionen zu unterstützen, wo die Leute (insbesondere die "faulen Zigeuner" aus Andalusien) nicht die gleiche Arbeitsmoral an den Tag legen wie in Katalonien.

Wer ist man? Eine Mehrzahl der Katalanen bzw. Bürger Kataloniens, die ich kenne, sehen sich sehr wohl als Spanier. Man sieht in den Medien immer nur jene Katalanen, die auf die Strasse gehen und nach Unabhängigkeit schreien, aber die anderen, die zuhause bleiben, werden nicht beachtet. Und ich behaupte jetzt einmal, dass diejenigen, die man nicht sieht und die sich nicht von Spanien loslösen wollen, noch immer in der Mehrzahl sind.

Paradoxerweise sieht man bei Kundgebungen zur Unabhängigkeit neben älteren Generationen aber in erster Linie Jugendliche und Studenten unter 30 Jahren. Diese haben die Franco-Zeit nicht miterlebt und haben den Hass gegenüber der Zentralregierung höchstens von den Eltern übernommen. Daher bin ich der Meinung, dass viele, die für die Unabhängigkeit auf die Strasse gehen, vor allem von Politikern manipuliert werden. Die Franco-Zeit und anderes dient dabei lediglich als perfektes Alibi, um eine Loslösung von Spanien zu fordern.
das mit dem geizig stimmt. aber deshalb die gesamte fehlende solidarität auf diesen egoistischen zug zuzuschieben halte ich für ein bisschen übertrieben. wer zahlt schon gerne? ich bekräftige nochmals meinen punkt, dass man die strahlkraft des faschismus nicht unterschätzen sollte. damit meine ich alle sachen, die unter franco passiert ist. die überwiegt meiner erfahrung nach sehr vieles. und dabei geht es nicht nur um ur-katalanen, sondern auch um einen teil der andalusisichen migration nach katalonien. stammtischmässig zusammengefasst: viele deren die in katalonien zur schule gingen oder unter der zeit von franco gelebt haben und sich (sei es auch als inner-spanischer migrant) ein wenig mit der katalanischen kultur identifiziert hat, den hat diese zeit im denken unglaublich geprägt. das ist meine erfahrung - und da ist es meiner meinung nach unwichtig ob man junge (für die rebellion hip ist) auf der strasse sieht. ich kenne katalanen (andalusischer herkunft) und ur-katalanen, und bei beiden geht es im kern darum, dass man (überspitzt gesagt) einfach mal ein zeichen setzen will. was dieses zeichen ausdrücken soll, wissen sie wohl selber so nicht genau - aber im kern dreht es sich darum endlich von dieser schmachvollen zeit abgrenzen zu wollen.
diese kraft darf man nicht unterschätzen und sie vernebelt zur zeit auch sehr viele leute ob es wirtschaftlich sinnvoll ist sich loslösen zu wollen. sie ist für mich nicht spührbar (da nicht selber erlebt) aber zumindest glaubwürdig und nachvollziehbar.
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Mundharmonika
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Beitrag von Mundharmonika »

Asselerade hat geschrieben:ich bekräftige nochmals meinen punkt, dass man die strahlkraft des faschismus nicht unterschätzen sollte. damit meine ich alle sachen, die unter franco passiert ist. die überwiegt meiner erfahrung nach sehr vieles.
Ich meinerseits glaube, dass man die "Strahlkraft des Faschismus" vor allem als den perfekten Vorwand nimmt, um den Ungehorsam und die Unabhängigkeitsbestrebungen zu rechtfertigen. Es ist doch so: sobald etwas gegen die katalanische Sprache gesagt wird oder etwas wie eine Bevormundung durch die zentrale Regierung wahrgenommen wird, packen die linken Parteien und die politisch links Stehenden wieder den seit über 40 Jahren toten Franco und den Faschismus aus so wie man in Deutschland rasch einmal in die braune Ecke gestellt wird, wenn man sich erlaubt, etwas gegen die Juden oder den Staat Israel zu sagen.
Asselerade hat geschrieben:... katalanischen kultur ...
Das ist meine Meinung eine dieser weiteren Mythen. Immer wieder höre ich diesen geflügelten Ausdruck von der "katalanische Kultur". Was bitte unterscheidet denn die Katalanen - abgesehen von der Sprache und den üblichen regionalen Unterschieden, die es in jedem Land gibt, - so grossartig von den anderen Spaniern als dass man hier von einem eigenen Volk oder einer eigenen Kultur sprechen könnte? Also ich sehe da bedeutend grössere kulturelle Unterschiede zwischen einem Basler und einem Tessiner oder einem Sankt Galler und Genfer als zwischen einem Katalanen und einem Madrilenen.
Asselerade hat geschrieben:und da ist es meiner meinung nach unwichtig ob man junge (für die rebellion hip ist) auf der strasse sieht.
Ich glaube, dass dies leider ein wichtiger Punkt in dieser ganzen Debatte ist. Für viele Junge ist Rebellion einfach hip. Viele Spanier wissen auch nicht, wie eine Demokratie zu funktionieren hat. Für sie ist "Meinungsfreiheit" gleichbedeutend wie gegen die von einer Mehrheit gefällte Entscheidungen zu demonstrieren und die Umsetzung zu blockieren. Würde in Katalonien abgestimmt und die Unabhängigkeit von einer Mehrheit abgelehnt, würden die Separatisten weiter auf die Strasse gehen und Fahne schwenkend die Strassen blockieren. Mit politischem Konsens haben sie es nicht so in Spanien.
Asselerade hat geschrieben:ich kenne katalanen (andalusischer herkunft) und ur-katalanen, und bei beiden geht es im kern darum, dass man (überspitzt gesagt) einfach mal ein zeichen setzen will. was dieses zeichen ausdrücken soll, wissen sie wohl selber so nicht genau.
:p Da wiederum bin ich voll bei Dir!
Asselerade hat geschrieben:aber im kern dreht es sich darum endlich von dieser schmachvollen zeit abgrenzen zu wollen.
Indem man einem Politiker wie Puigdemont folgt, der die Verfassung missachtet und eigenhändig nach einer alles anderen als korrekten Wahl vermutlich die Unabhängigkeit wird ausrufen wollen...
Asselerade hat geschrieben:diese kraft darf man nicht unterschätzen und sie vernebelt zur zeit auch sehr viele leute
Wie gesagt, ich glaube, dass es die linken Politiker diesbezüglich bestens verstehen, die Massen zu manipulieren, indem sie die Geschichten um Franco und den Faschismus am Leben erhalten. Nicht dass man diese Zeit totschweigen oder verharmlosen sollte, aber sie dient eben auch, um immer wieder die rechten Politiker anzugreifen, sobald diese ein bisschen zu forsch auftreten.

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Beitrag von Mundharmonika »

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die katalanischen Separatisten, die der spanischen Regierung Faschismus vorwerfen, in der EU vor allem von den grössten Ultrarechten wie Nigel Farage, Geert Wilders oder Heinz-Christian Strache Unterstützung zugesprochen bekommen.

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Beitrag von Asselerade »

Mundharmonika hat geschrieben:Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die katalanischen Separatisten, die der spanischen Regierung Faschismus vorwerfen, in der EU vor allem von den grössten Ultrarechten wie Nigel Farage, Geert Wilders oder Heinz-Christian Strache Unterstützung zugesprochen bekommen.
wieso? ist doch absolut falsch. nur weil europas ultrarechte den begriff des nationalismus nicht wirklich verstehen und die selbstprojektion ihres nationalismus nicht auf andere länder und regionen ummünzen können? das ist doch nicht das problem derjenigen personen, die einen nationalismus in katalonien ausführen. zudem kann man ja gerne mal tiefer in den katalanischen nationalismus hineinhorchen und man wird bemerken dass der nach mittel- und westeuropäischen standart äusserst links angesiedelt werden kann. man kann in katalonien immer noch die marxisten wählen und die setzen sich beispielsweise seit ich mich erinnern kann für die unabhängigkeit aus. oberflächliche gedanken ziehen hier eine verbindung zu den übrigen europäischen rechten..
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Beitrag von Asselerade »

Mundharmonika hat geschrieben:Ich meinerseits glaube, dass man die "Strahlkraft des Faschismus" vor allem als den perfekten Vorwand nimmt, um den Ungehorsam und die Unabhängigkeitsbestrebungen zu rechtfertigen. Es ist doch so: sobald etwas gegen die katalanische Sprache gesagt wird oder etwas wie eine Bevormundung durch die zentrale Regierung wahrgenommen wird, packen die linken Parteien und die politisch links Stehenden wieder den seit über 40 Jahren toten Franco und den Faschismus aus so wie man in Deutschland rasch einmal in die braune Ecke gestellt wird, wenn man sich erlaubt, etwas gegen die Juden oder den Staat Israel zu sagen.
hier bewegst du dich meiner meinung nach auf ganz dünnen eis. du vergleichst den umgang deutschlands (täterrolle) mit der faschistischen aufarbeitung mit derjenigen eines opfers. kann man so überhaupt nicht vergleichen.
und nein, es ist kein vorwand, sondern echter ausdruck von emotionen. mein vater und viele aus meiner familie sind rationalisten, und treffen normalerweise keine entscheidungen aus emotionen oder irgendwelche andere faktoren. doch diese ebene ist so stark, dass über die frage einer unabhänigkeit nicht diskutiert wird. dies aus dem grund um endlich mal "fuck you" sagen zu können. des weitern spielt dann die geschichte des spanischen einheitsstaates seine argumentative rolle (die emotionen sind jedoch von franco geschuldet - die geschichte ist bloss das argumentatorium). katalonien wurde gegen seinen willen einen teil von spanien. katalonien wurde gegen seinen willen teil des spanischen faschismus.
dieses historische argument, gekoppelt an die unrechtbehandlung des faschismus (und diese kraft ist wirkich gross, ich wiederhole mich hier. ich weiss nicht wie alt deine katalanischen freunde sind, aber ich kenne leute aus quasi allen altersgenerationen, denen ich vertraue und auch die ich auch kenne - und alle heben diese zeit, für mich absolut glaubwürdig, hervor. geschichten von verhafteten eltern, geschichten von franco huldigen im klassenzimmer, geschichten von der kapitalen angst vor der guardia civil, geschichten des zivilen ungehorsam indem man katalanisch aus trotz und stolz gesprochen hat obschon der familie auf grund dessen gedroht wurde) - unterschätze niemals diese kraft, bzw verwässere sie geistig nicht, indem sie du an deinen politischen wunsch (die einheit spanien) adaptierst

abschliessend möchte ich noch sagen, dass ich ein grosses misstrauen gegen jedwelche politischen eliten habe, so auch puigdemont, jedoch liegt es auf der hand, dass er die verfassung bricht. in seinen augen ist es eine ungewollte spanische verfassung, wieso sollte man die ehren und schätzen? ist man jemals gefragt worden ob man diese verfassung akzeptieren möchte? wir haben hier verschiedene blickwinkel und gewisse blickwinkel (so wie für mich derjenige von rajoy absolut nachvollziehbar ist) sollte man einfach so stehen lassen, bzw versuchen die handlungen dieser person nachzuvollziehen. meine tante arbeitet auf der generalitat. am montag letzte woche wurde sie auf grund einer gefährdenansprache vorgeladen. sie ist katalanische nationalistin: mit welchem recht verweist man hier auf eine einheitsverfassung die es zu wahren gilt, wenn es darum geht das ganze aus dem big picture zu betrachten? hier macht man es sich zu einfach. akzeptanz der realität: es gibt in katalonien personen die wollen nicht ein teil von spanien sein und werden so lange stunk machen bis sie kein teil mehr sind. genauso wie diejenigen personen akzeptieren müssen, dass cirka die hälfte der bewohner eben ein teil von diesem spanien sein wollen.
weisst du was sagt mir mein gefühl? dass es in absehbarer zeit tote geben wird.
Einige gingen hinter die Theke und stellten weitere Bratwürste auf den Grill und reichten sie den hungrigen Fans

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Mundharmonika
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Beitrag von Mundharmonika »

Asselerade hat geschrieben:das ist doch nicht das problem derjenigen personen, die einen nationalismus in katalonien ausführen.
Sag ich doch gar nicht.
Fand es einfach irgendwie witzig, dass ausgerechnet die Ultra-Rechten Europas im EU-Parlament Partei für Katalonien oder gegen Spanien ergriffen.

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Mundharmonika
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Beitrag von Mundharmonika »

Asselerade hat geschrieben:... dieses historische argument, gekoppelt an die unrechtbehandlung des faschismus (und diese kraft ist wirkich gross, ich wiederhole mich hier. ich weiss nicht wie alt deine katalanischen freunde sind, aber ich kenne leute aus quasi allen altersgenerationen, denen ich vertraue und auch die ich auch kenne - und alle heben diese zeit, für mich absolut glaubwürdig, hervor. geschichten von verhafteten eltern, geschichten von franco huldigen im klassenzimmer, geschichten von der kapitalen angst vor der guardia civil, geschichten des zivilen ungehorsam indem man katalanisch aus trotz und stolz gesprochen hat obschon der familie auf grund dessen gedroht wurde)
Da gibt es absolut nichts zu beschönigen. Traurigerweise haben aber viele Katalanen das Blatt nach dem Tod von Franco gewendet und tun nun genau das, was sie Franco vorwarfen.

Franco hatte die katalanische Sprache verboten. Im Gegenzug wird nun in Katalonien und in Gebieten, wo katalanisch gesprochen wird, die spanische Sprache so gut wie möglich ignoriert. Auf Gemeindeverwaltungen stellen sie auf stur, wenn man eine Anfrage auf spanisch stellt oder in Schulen wird versucht, die spanische Sprache so gut wie möglich zu verdrängen.

Zudem findet in Katalonien ein unglaublicher Brainwash statt, indem man den Leuten einzuhämmern versucht, dass Katalonien ein eigenes Volk mit einer eigenen Jahrhundert alten Kultur ist. Das hält sich mittlerweile so fest wie der Mythos, dass der FCB während den Nati-B-Zeiten regelmässig mehr als 20'000 Leute im Stadion hatte. Einiges, was als typisches katalanisches Kulturgut verkauft wird, ist gar nicht so katalanisch, wie man meinen könnte. Pep Ventura, der als Erfinder des katalanischen Sardana-Tanzes gilt, war in Wirklichkeit ein gebürtiger Andalusier, der auch nicht Pep, sondern José Maria hiess. Oder die traditionelle katalanische Krippenfigur "El Caganer" ist ein weitaus weniger alter Brauch als oftmals behauptet. So wirklich nachweisen lässt er sich erst ab dem 19. Jahrhundert. Und der katalanische Nationalfeiertag - der 11. September 1714 - erinnert an den Spanischen Erbfolgekrieg, wo sich die Habsburger aus Österreich gegen die Bourbonen aus Frankreich stritten, was aber in Katalonien gerne als ein erstes Auflehnen gegen die spanische Herrschaft umgewandelt wird.

Es findet in Katalonien eine nicht unerhebliche Manipulation der Geschichte statt, die mich teilweise an totalitäre Regimes erinnert.
Asselerade hat geschrieben:... deinen politischen wunsch (die einheit spanien) ...
Sorry, aber da liegst Du nun völlig daneben. Ich bin nicht Spanier und habe auch keine spanische Familie. Mir ist es absolut egal, ob Katalonien (nach einem regulären und legalen Referendum im ganzen Land) selbstständig wird oder bei Spanien bleibt. Wenn meine Posts so klingen, wie wenn ich für die Einheit Spaniens wäre, dann lediglich aus dem Grund, weil ich bei diesem Referendum mit der Vorgehensweise der katalanische Regierung nicht einverstanden bin. Für dieses rebellische und anti-konstitutionelle Vorgehen von Puigdemont und seinen Leuten gibt es in meinen Augen absolut keine Rechtfertigung. Kein europäischer Staat würde tolerieren, dass sich eine Regionalregierung selbstständig macht, seine eigenen Regeln kreiert und die Unabhängigkeit ausruft. Ich bin nicht für oder gegen die Einheit Spaniens, sondern gegen Leute - in diesem Fall Puigdemont und die Separatisten -, die unberechtigt Unruhe in die Gesellschaft bringen und die Leute gegeneinander aufstacheln.
Asselerade hat geschrieben:in seinen augen ist es eine ungewollte spanische verfassung, wieso sollte man die ehren und schätzen? ist man jemals gefragt worden ob man diese verfassung akzeptieren möchte?
Die gültige spanische Verfassung vom Jahre 1978 wurde in einem Referendum von 91% (!) der stimmberechtigten Bevölkerung, auch von einer klaren Mehrheit der Katalanen, gutgeheissen. Siehe HIER!
Asselerade hat geschrieben:es gibt in katalonien personen die wollen nicht ein teil von spanien sein und werden so lange stunk machen bis sie kein teil mehr sind. genauso wie diejenigen personen akzeptieren müssen, dass cirka die hälfte der bewohner eben ein teil von diesem spanien sein wollen.
Ich persönlich glaube, dass diejenigen, die bei Spanien bleiben wollen, noch immer die Mehrheit bilden. Ich schätze so 54% zu 46%. Aber egal... Du sprichst einen wichtigen Punkt an. Ein Teil derjenigen, die sich abspalten wollen, würde auch nach einer Wahlniederlage keine Ruhe geben. Sie würden weiter auf die Strasse gehen, ihre Fahnen schwenken und die Wände besprayen. Und genau damit habe ich Mühe. Einerseits wirft man Madrid zu wenig Feingefühl und Egoismus vor, aber die Separatisten sind da keine Spur besser. Schon alleine die Tatsache, dass Puigdemont davon spricht, in den nächsten Tagen die Unabhängigkeit auszurufen, obwohl das Referendum nachweislich aufgrund des Polizei-Einsatzes nicht korrekt durchgeführt werden konnte, zeigt doch, dass diese Unabhängigkeitsfanatiker keinerlei Respekt vor Demokratie und Gesetz haben und schon gar nicht konsensfähig sind. Was um Gottes Willen soll dann Katalonien für eine Republik werden???
Asselerade hat geschrieben:weisst du was sagt mir mein gefühl? dass es in absehbarer zeit tote geben wird.
Das ist leider zu befürchten. Auch wenn ich kein Freund von Rajoy bin und er in der ganzen Sache auch ein jämmerliches Bild abgibt, sehe ich da als Hauptschuldige Puigdemont und sein Gefolge.

Lusti
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Beitrag von Lusti »

Puigdemont sieht sich schon als Heilsbringer, der William Wallace von Katalonien. Gerne würde er wohl seine Büste oder gleich eine Statue seiner selbst im Stadtzentrum von Barcelona sehen. Abgesehen von den guten Ausführungen von Munharmonika (besten Dank dafür) ist das wohl ein Hauptgrund der aktuellen Lage. Da will sich jemand einen Platz in der Geschichte sichern.

Der normale, politische Prozess wäre sich an die aktuell geltenden Gesetze und Verfassung zu halten. So kann man in aller Ruhe eine Volkbefragung durchführen um zu sehen, ob man von der Bevölkerung das politische Mandat erhält, die Unabhängigkeit anzustreben. Wohl würde diese Befragung sehr knapp ausfallen, aber die 90% Zustimmung nach der Volkbefragung erinnern doch stark an DDR und UDSSR Zeiten. Ich habe noch nie eine Abstimmung egal über welches Thema auch immer gesehen, welche korrekt durchgeführt 90% Pro oder Contra hatte.

Puigdemont dreht weiter an der Eskalationsschraube, arbeitet weiter an "seinem" Staat. Wie es Mundhaarmonika auch hier korrekt dargelegt hat: Was genau soll das für eine Republik werden?
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Asselerade
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Beitrag von Asselerade »

ist wohl ein unterschied ob man auf grund der sprache von den personen gemeidet wird (was in anderen kulturkreisen und im kleinen auch bei uns in der schweiz statt) oder man ernsthafte staatliche repressalien befürchten muss. ich empfinde es eine frechheit dass den katalanen eine art franco-kultur unterstellt wird. gerade diejenigen die am längsten gegen franco gekämpft haben.

und ja, ich weiss dass es eine abstimmung um die verfassung gab. mein punkt ist jedoch ein anderer: wann hatte katalonien die chance darüber zu entscheiden ob sie ein land sein wollen oder zu spanien gehörig? nicht im 18. jahrhundert, nicht nach dem spanischen bürgerkrieg, nicht nach dem tode francos. ist ja klar dass eine verfassung die einigermassen autonomie gewährt gewählt wird, wenn vorher ein terrorregime geherrscht hatte.

und natürlich wird die nichtergebung als aufstand gegen die spanische krone gesehen. willst du jetzt etwa erklären, die katalonische geschichte ist erdacht und eine mär? 1714 war am schluss des erbfolgekrieges und defakto standen sich katalanische truppen und spanisch, französische truppen gegenüber. es ging darum, dass sich die katalanen nicht der krone kastillien und arragon ergaben. hier ein stellvertreter-krieg aus habsburg gegen frankreich zu machen halte ich historisch gesehen für ein bisschen gewagt.

welche wahl? was nach der wahl ruhe geben? du kannst doch nicht eine vermutung in der zukunft mit einer fiktiven wahl verbinden und dann damit argumentieren. fakt 1: in katalonien gab es keine wahl und die personen fordern die möglichkeit darüber abzustimmen. fakt 2: spanien hat die autonomie von katalonien wieder verkleinert, nachdem man auf einem guten weg war. du kannst jetzt nicht in die zukunft schauen und sagen "gewisse kräfte würden immer sturm laufen, auch wenn es eine wahl gibt".

meiner meinung nach gibt es 2 ausgänge aus dieser situation:

ausgang 1: man macht eine wahl und beide seiten akzeptieren das votum. diejenigen kräft die die unabhängigkeit wollen, würden jedwelche argumentation und standing bei einer niederlage verlieren. spanien wird diese wahl nie akzeptieren, was man am sonntag gesehen hat. 20% des BIP sind zu viel, als dass ein land das akzeptieren wird.

ausgang 2: katalonien und spanien machen beide einen schritt zurück und es gibt einen ausbau des autonomiestatus. ich denke es würde in eine ähnliche richtung wie in der schweiz gehen, wo die kantone auf der finanzieller ebene viel autonomer sind. dies ist für mich ein glaubwürdiger ausgang, wenn rajoy endlich einen schritt zurück machen wird. von daher gesehen, hat die jetztige regierung so viel wie noch nie für katalonien herausgeholt.

ausgang nummer 3 ist derjenige der bisher nie in den medien diskutiert wurde: beide bleiben stur und es löst sich irgendwann mal ein schuss. barcelona ist und war schon immer eine raue, aufmüpfige, kämpferische stadt (halt nicht die postkarten-idylle der touristen) und wie wir alle wissen, kann so eine scheisse sehr schnell und plötzlich losgehen.
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Asselerade
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Beitrag von Asselerade »

Lusti hat geschrieben:Puigdemont sieht sich schon als Heilsbringer, der William Wallace von Katalonien. Gerne würde er wohl seine Büste oder gleich eine Statue seiner selbst im Stadtzentrum von Barcelona sehen. Abgesehen von den guten Ausführungen von Munharmonika (besten Dank dafür) ist das wohl ein Hauptgrund der aktuellen Lage. Da will sich jemand einen Platz in der Geschichte sichern.

Der normale, politische Prozess wäre sich an die aktuell geltenden Gesetze und Verfassung zu halten. So kann man in aller Ruhe eine Volkbefragung durchführen um zu sehen, ob man von der Bevölkerung das politische Mandat erhält, die Unabhängigkeit anzustreben. Wohl würde diese Befragung sehr knapp ausfallen, aber die 90% Zustimmung nach der Volkbefragung erinnern doch stark an DDR und UDSSR Zeiten. Ich habe noch nie eine Abstimmung egal über welches Thema auch immer gesehen, welche korrekt durchgeführt 90% Pro oder Contra hatte.

Puigdemont dreht weiter an der Eskalationsschraube, arbeitet weiter an "seinem" Staat. Wie es Mundhaarmonika auch hier korrekt dargelegt hat: Was genau soll das für eine Republik werden?
dass die meisten politiker nicht für die sache sondern für sich selber kämpfen dürfte bekannt sein.

katalonien hat ein parlament und in dieses parlament wurde demokratisch diejenigen parteien gewählt, die mehrheitlich für die unabhänigkeit sind. das ist ein mandat, welches demokratisch ausreichend sein dürfte. wer wählt parteien deren übergeordnetes ziel es ist die unabhängigkeit zu erreichen wenn er diese nicht will? von daher dürfte sehr wohl der nächste schritt ein referendum sein.
und ja, die 90% dürften realistisch sein. die abstimmung spaltete die lager, zusätzlich herrschte polizeirepression. welcher anti-wähler geht da an eine veranstaltung die er für illegal erachtet.

wie eingangs erwähnt bin ich zutiefst überzeugt dass eine überwältigende mehrheit der politiker für sich selber kämpfen, aber deshalb die katalanische regierung mit einer diktatur zu vergleichen ist schon stark

natürlich schraubt er an der eskalationsschraube. er wurde mit dem auftrag die unabhänigkeit zu erreichen gewählt. es ist sein primäres ziel und seine hauptaufgabe. wie würdest du das machen? indem du "go bittbätti" machen gehst? madrid block alles verständlicherweise ab, so provoziert man damit man der situation einen ruck gibt. sich darüber zu beschweren halte ich für ein wenig naiv, da es ja seine primärer wahlauftrag ist.

was soll das für eine republik werden? pragmatisch gesehen ein kleinstaat, mit einer im weltvergleich starken wirtschaftskraft und einem anständigen jahresverdienst. dass diesem pragmatischem denken aber noch viele und starke ABER's folgen ist aber nicht unser problem. was soll bosnien für einen staat darstellen? was belgien? was andorra? ist doch nicht unser problem und darf auch nicht gegenstand der diskussion sein.
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