NZZ, 23. Juli 2008
Über (Un-)Sinn und Zweck der Geisterspiele
Der FC Zürich vor dem ersten von zwei Spielen ohne Zuschauer
rwe. Ausschreitungen sind am Mittwochabend im Letzigrund nicht zu befürchten: Der FC Zürich bestreitet gegen den FC Luzern ein Geisterspiel. Es ist die erste von zwei FCZ-Heimpartien ohne Zuschauer, ein Verdikt, das die Swiss Football League (SFL) nach den Vorfällen in Basel vom 2. Mai angeordnet hat. Damals warfen Zürcher Chaoten während des Matches brennende Fackeln in Richtung Basler Zuschauer; ein Vergehen, das nur dank vielen glücklichen Umständen glimpflich ausging. Das Strafmass entsprach ungefähr jenem, das die Disziplinarkommission der SFL gegen den FC Basel nach den Ausschreitungen am 13. Mai 2006 ausgesprochen hatte.
Nur das Reglement durchgesetzt
Die «Basler Zeitung» stellte hinterher mit Genugtuung fest, im Fall des FCZ sei mit gleichen Ellen wie zwei Jahre zuvor gemessen worden. Das Urteil von 2006 stelle offenbar ein Präjudiz dar, das auch künftig, bei ähnlichen Vergehen, zur Anwendung komme. Ein nicht genannt sein wollendes Mitglied der Disziplinarkommission (der Präsident Odilo Bürgy weilt in den Ferien) stellte diese Vermutung jedoch in Abrede. Es gehe hier nicht darum, mit gleichen Ellen zu messen, sondern darum, aufgrund der Faktenlage den vorhandenen Reglementen zum Durchbruch zu verhelfen.
Über (Un-)Sinn und Zweck von Geisterspielen gehen die Meinungen weit auseinander. Bernhard Heusler, Vizepräsident des FC Basel, sagt unmissverständlich: «Ich bin prinzipiell gegen solche Kollektivstrafen.» René Strittmatter, Präsident des FCZ-Verwaltungsrates, hat hiezu ebenfalls eine klare Meinung: «Hier gehen alle als Verlierer vom Platz. Vor allem trifft das Urteil jene 99 Prozent der Besucher, die mit dem Vorfall nicht das Geringste zu tun haben.» Edmond Isoz, Senior Manager der SFL, widerspricht dieser These: «Die Zuschauer haben durchaus eine gewisse Verantwortung. Sie sollten sich einmischen, die Chaoten denunzieren u2013 und nicht, wie heute üblich, sich vom Geschehen abwenden.»
Die Frage nach einer sinnvolleren Art der Strafe muss erlaubt sein. Beispielsweise sehr hohe Bussen? Mit diesen Summen hätte die SFL im Kampf gegen Chaoten zusätzliche Mittel zur Verfügung; Gelder, die dringend gebraucht werden. Heusler neigt dazu, einem solchen Strafmass zuzustimmen. Doch er sagt auch: «Geisterspiele haben eine enorme Ausstrahlungskraft. Weit mehr, als dies mit einer Geldbusse der Fall wäre. Das würde die Fans nur am Rande interessieren.» Heusler lässt auch durchblicken, dass sich das Verdikt der Geisterspiele im internationalen Fussball durchgesetzt habe. Eine Tatsache, die auch das Mitglied der Disziplinarkommission bestätigt: «Wir folgen hier weitgehend der Uefa- und Fifa-Praxis.»
Höhere Bussen? Eher Status quo
Es kommt hinzu, dass eine Abweichung vom bisherigen Vorgehen u2013 dem Aussprechen von Geisterspielen bei gravierenden Vorfällen in den Stadien u2013 zu Beginn der Saison kommuniziert werden müsste. Der Vorschlag einer Änderung dieser Art wäre zuvor von den Klubpräsidenten einzubringen. Parallel dazu müsste der Bussen-Katalog eine Erweiterung finden. Die heute vorgesehene Höchststrafe im Sicherheitswesen beträgt lediglich 100 000 Franken u2013 kein adäquater Betrag für Verfehlungen, wie sie 2006 und 2008 in Basel geschehen sind. Die Erhöhung dieser Summe u2013 zum Beispiel auf 500 000 Franken u2013 wäre wiederum nur mit einer Abstimmung an der Generalversammlung durchzusetzen. Angesichts der zahlreichen Hürden und im Wissen um die Zurückhaltung vieler Vereinspräsidenten wird sich deshalb an der bisherigen Strafpraxis so rasch nichts ändern.
http://www.nzz.ch/nachrichten/sport/akt ... 90021.html