Tod einer Fahne
Verfasst: 16.10.2005, 22:18
Sie wurde nicht einmal ein Jahr alt. Sie war nicht spektakulär und nicht gross. Sie stand immer im Schatten der älteren und grösseren Schwester 'La Force Valaisanne'. Heute wurde sie im Letzi von einer Gruppe agressiver, jugendlicher 'Westtribüneler' zerfetzt: meine selbst gemachte 'Argentinier'-Fahne.
Kurz vor der Reise nach Budapest kam mir die Idee: eine Fahne, um meine Unterstützung für unsere Argentinier zu zeigen. Stoff gekauft, Schablonen hergestellt, Nähmaschine hervorgeholt.... noch im Hotel in Budapest war ich am ausmalen der Nummern und Buchstaben. Und dann der grandiose Einstand: Rossi schoss das Ausgleichstor; sein Torjubel bleibt wohl unvergessen. Schon alleine daher war das kleine Ding für mich von besonderer Bedeutung.
Heute hing sie, wie an den meisten Spielen, neben der grossen Schwester auf der Gegentribüne, Höhe Mittellinie, dort wo ein Tor eine der wenigen Aufhängmöglichkeiten darstellte. Schon vor dem Spiel hat eine Zürcherin sie zurückgeschlagen. Aber ein paar erklärende Worte, und sie durfte sich wieder präsentieren. Nach dem Spiel, ich war an meinem Platz in der obersten Reihe eben am Zusammenpacken meiner Videokamera, sah ich sie plötzlich.... über den Zaun hängen! Und auch die grosse Schwester war weg!!! Diese entdeckte ich zusammengeknüllt in den Händen eines schwarzgekleideten Zürcher Jugendlichen. Videokamera oder Fahne? Keine Frage! Die Videokamera hingelegt, eine Bitten an den Zürcher Sitznachbarn, doch kurz ein Auge darauf zu haben, dann die Treppe hinuntergestürmt wie eine Furie, ein Aufschrei über die Ränge. Der Zürcher macht zuerst Anstalten, die Fahne mitzunehmen, dann wird mit dem Feuerzeug gedrocht, aber dann lässt er sie doch zu Boden fallen, gesellt sich zu seinen Kollegen, die am abmontieren ihrer Zaunfahne 'Westtribüne' sind. Meine 'Argentinier' hängt leblos über dem Zaun vor dem Tor daneben, ausserhalb meiner Reichweite; bin schliesslich kein Kletteraffe
. Ich strecke die Finger durch den Zaun, kralle sie in die Zürcher Zaunfahne. Ein wütendes Ultimatum: ich lasse eure Fahne erst los, wenn ich meine wieder zurück bekomme. Hin und her fliegen böse Worte, es wird gezerrt, aber meine Finger geben nicht nach. Nach einem ersten Anlauf eines hochkletternden Zürchers hängt meine Fahne noch an einer Ecke, nach einem zweiten Anlauf bekomme ich sie schliesslich zurück. Den Dreiangel habe ich zuvor schon entdeckt, aber erst jetzt wird mir bewusst, dass die ganze obere Leiste mit Saum, Doppelnaht und Bändern weggerissen ist. Die Überreste finde ich dort, wo sie zuvor gehangen hatte. Auch die LFV ist mitgenommen, zerknüllt, die Bänder verknotet.... Wütend, mit Emotionen kämpfend, gehe ich an meinen Platz zurück. Die Kamera ist noch dort. Die verknoteten Bänder lassen ein ordentliches Zusammenlegen der LFV nicht zu, die anderen Überreste werden zusammengefalltet, beides in den Rucksack versorgt. Ich hatte immer geglaubt, auf der Tribüne hat es 'andere' Fans als in den Fansektoren. Diese Illusion wurde mir heute geraubt.
Eigentlich wollte ich nach dem Spiel noch zum Mannschaftsbus. Aber die Strasse ist abgesperrt, kein Durchkommen. Mit riesigem Umweg komme ich zu Parkplatz, wo endlich die LFV entwirrt und richtig zusammengelegt wird. Eine bekannte Person kommt zu Fuss am Parkplatz vorbei, steht meinen Emotionen hilflos gegenüber; ja, inzwischen fliessen unaufhaltsam die Tränen, später muss auch noch mein 'Pilot' herhalten. Der einen Kontaktlinse wird das ganze zuviel, sie verzieht sich irgendwohin unter den Augendeckel....
Ich weiss, ich bin eine sentimentale, alte Kuh. Aber die Fahne gehörte zu mir wie.... ich glaube, nur wer selber schon Stunde über Stunde an der Herstellung einer Fahne gearbeitet hat, seine Kreativität, sein Herz, seine Emotionen hineingestellt hat und sie mit Stolz an jedes Spiel mitgenommen hat, kann sich halbwegs vorstellen, wie es in mir aussieht. Heute wurde nicht nur meine Fahne 'ermordet', auch von mir ist ein Stück gestorben, auch wenn es vielleicht nur ein kleiner, positiv denkender Teil in meinem Kopf ist. Und ich Frage mich, ob ich LFV dieser Gefahr weiterhin aussetzen darf. Soll ich sie nur noch ins Joggeli mitnehmen?
R.I.P., meine kleine argentinische Begleiterin.
Kurz vor der Reise nach Budapest kam mir die Idee: eine Fahne, um meine Unterstützung für unsere Argentinier zu zeigen. Stoff gekauft, Schablonen hergestellt, Nähmaschine hervorgeholt.... noch im Hotel in Budapest war ich am ausmalen der Nummern und Buchstaben. Und dann der grandiose Einstand: Rossi schoss das Ausgleichstor; sein Torjubel bleibt wohl unvergessen. Schon alleine daher war das kleine Ding für mich von besonderer Bedeutung.
Heute hing sie, wie an den meisten Spielen, neben der grossen Schwester auf der Gegentribüne, Höhe Mittellinie, dort wo ein Tor eine der wenigen Aufhängmöglichkeiten darstellte. Schon vor dem Spiel hat eine Zürcherin sie zurückgeschlagen. Aber ein paar erklärende Worte, und sie durfte sich wieder präsentieren. Nach dem Spiel, ich war an meinem Platz in der obersten Reihe eben am Zusammenpacken meiner Videokamera, sah ich sie plötzlich.... über den Zaun hängen! Und auch die grosse Schwester war weg!!! Diese entdeckte ich zusammengeknüllt in den Händen eines schwarzgekleideten Zürcher Jugendlichen. Videokamera oder Fahne? Keine Frage! Die Videokamera hingelegt, eine Bitten an den Zürcher Sitznachbarn, doch kurz ein Auge darauf zu haben, dann die Treppe hinuntergestürmt wie eine Furie, ein Aufschrei über die Ränge. Der Zürcher macht zuerst Anstalten, die Fahne mitzunehmen, dann wird mit dem Feuerzeug gedrocht, aber dann lässt er sie doch zu Boden fallen, gesellt sich zu seinen Kollegen, die am abmontieren ihrer Zaunfahne 'Westtribüne' sind. Meine 'Argentinier' hängt leblos über dem Zaun vor dem Tor daneben, ausserhalb meiner Reichweite; bin schliesslich kein Kletteraffe

Eigentlich wollte ich nach dem Spiel noch zum Mannschaftsbus. Aber die Strasse ist abgesperrt, kein Durchkommen. Mit riesigem Umweg komme ich zu Parkplatz, wo endlich die LFV entwirrt und richtig zusammengelegt wird. Eine bekannte Person kommt zu Fuss am Parkplatz vorbei, steht meinen Emotionen hilflos gegenüber; ja, inzwischen fliessen unaufhaltsam die Tränen, später muss auch noch mein 'Pilot' herhalten. Der einen Kontaktlinse wird das ganze zuviel, sie verzieht sich irgendwohin unter den Augendeckel....
Ich weiss, ich bin eine sentimentale, alte Kuh. Aber die Fahne gehörte zu mir wie.... ich glaube, nur wer selber schon Stunde über Stunde an der Herstellung einer Fahne gearbeitet hat, seine Kreativität, sein Herz, seine Emotionen hineingestellt hat und sie mit Stolz an jedes Spiel mitgenommen hat, kann sich halbwegs vorstellen, wie es in mir aussieht. Heute wurde nicht nur meine Fahne 'ermordet', auch von mir ist ein Stück gestorben, auch wenn es vielleicht nur ein kleiner, positiv denkender Teil in meinem Kopf ist. Und ich Frage mich, ob ich LFV dieser Gefahr weiterhin aussetzen darf. Soll ich sie nur noch ins Joggeli mitnehmen?
R.I.P., meine kleine argentinische Begleiterin.