Romantischer Reichtum
Verfasst: 29.12.2004, 21:14
Romantischer Reichtum
Ronny Blaschke
Die Schweiz ist für vieles bekannt: Käse, Uhren, Nummernkonten, auch für Roger Federer, den besten Tennisspieler südlich des Nordpols. Wäre da nicht dieser Makel, diese schmerzliche Lücke, dieser Minderwertigkeitskomplex: Die Schweiz ist kein Fußball-Land. Wie lange liegt der letzte Titel zurück? Richtig, es gab keinen. Die Schweizer kicken so, wie sie sprechen: langsam und unverständlich. Beobachtet werden die Spiele von ein paar Tausend Unentwegten, die Stimmung in den Stadien ist so lebendig wie das Premiere-Fernsehbild. Ohne Decoder.
All das sollte man sich vor Augen führen, bevor man nach Basel reist. Andernfalls stolpert man von einer Überraschung in die nächste. Der FC Basel ist ein faszinierender Verein. Er ist der glitzernde Gegenentwurf zur biederen Schweizer Fußball-Kultur, eine Art Staat im Staat. Er spielt in einem schmucken Stadion, das immer ausverkauft ist und in dessen Bauch ein Einkaufszentrum, Restaurants und eine Seniorenresidenz stecken. Er hat einen ordentlichen Etat auf die Beine gestellt. In einem verschlafenen Städtchen, das so groß ist wie Rostock.
Zugegeben: Ein Hotelzimmer im Baseler Stadtzentrum kostet so viel wie eine Woche Urlaub in Osteuropa. Andererseits, was nimmt man nicht alles in Kauf, wenn man Rostocker Fußballverweigerungen schnell vergessen möchte?
Basel in der Bundesliga
Zweimal ist der FC Basel in den vergangenen drei Jahren Meister geworden in der Super League, wie die erste Schweizer Liga offiziell heißt. 2003 drang er in die Zwischenrunde der Champions League vor. Ein verknüpfendes "und" fehlt der Super League allerdings: Super ist nur der FC Basel, die League besteht aus den restlichen neun Teams. Auch in dieser Saison hat das Team von Trainer Christian Gross die Konkurrenz in der Meisterschaft links liegen gelassen. Mit europatauglichem Spiel tourt Basel von Sieg zu Sieg. Und das in der Schweiz. Es wäre wohl einfacher gewesen, die Biathlon-Weltmeisterschaft nach Hamburg zu holen. Was für eine Romanze.
Und dann wäre da noch Gigi Oeri, die milliardenschwere Vereinspatronin. Spötter bezeichnen sie als blondierte Light-Version von Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch. Doch das ist die halbe Wahrheit. Oeri hat einige Millionen aus ihrem Sparstrumpf in den Verein gesteckt, aber ein Einkaufsbummel zu Wucherpreisen ist nicht geplant.
Die Schweiz würde eine Fußballüberdosis so schnell nicht verkraften. Ginge es nach Gigi Oeri, würde Basel in der Bundesliga spielen. "Geht es nach Etat, Fans und Leistungen, würden wir in Deutschland im oberen Drittel liegen", sagt sie. In vier Jahren macht die Europameisterschaft auch in Basel Station. Spätestens dann will die Schweiz ein Fußball-Land sein. Falls es nicht klappt, ein kleiner Trost: Der Käse und die Nummernkonten bleiben auf jeden Fall erhalten.
Der Autor ist 23 Jahre alt und freier Mitarbeiter der Sportredaktion.
quelle:http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 07947.html
Ronny Blaschke
Die Schweiz ist für vieles bekannt: Käse, Uhren, Nummernkonten, auch für Roger Federer, den besten Tennisspieler südlich des Nordpols. Wäre da nicht dieser Makel, diese schmerzliche Lücke, dieser Minderwertigkeitskomplex: Die Schweiz ist kein Fußball-Land. Wie lange liegt der letzte Titel zurück? Richtig, es gab keinen. Die Schweizer kicken so, wie sie sprechen: langsam und unverständlich. Beobachtet werden die Spiele von ein paar Tausend Unentwegten, die Stimmung in den Stadien ist so lebendig wie das Premiere-Fernsehbild. Ohne Decoder.
All das sollte man sich vor Augen führen, bevor man nach Basel reist. Andernfalls stolpert man von einer Überraschung in die nächste. Der FC Basel ist ein faszinierender Verein. Er ist der glitzernde Gegenentwurf zur biederen Schweizer Fußball-Kultur, eine Art Staat im Staat. Er spielt in einem schmucken Stadion, das immer ausverkauft ist und in dessen Bauch ein Einkaufszentrum, Restaurants und eine Seniorenresidenz stecken. Er hat einen ordentlichen Etat auf die Beine gestellt. In einem verschlafenen Städtchen, das so groß ist wie Rostock.
Zugegeben: Ein Hotelzimmer im Baseler Stadtzentrum kostet so viel wie eine Woche Urlaub in Osteuropa. Andererseits, was nimmt man nicht alles in Kauf, wenn man Rostocker Fußballverweigerungen schnell vergessen möchte?
Basel in der Bundesliga
Zweimal ist der FC Basel in den vergangenen drei Jahren Meister geworden in der Super League, wie die erste Schweizer Liga offiziell heißt. 2003 drang er in die Zwischenrunde der Champions League vor. Ein verknüpfendes "und" fehlt der Super League allerdings: Super ist nur der FC Basel, die League besteht aus den restlichen neun Teams. Auch in dieser Saison hat das Team von Trainer Christian Gross die Konkurrenz in der Meisterschaft links liegen gelassen. Mit europatauglichem Spiel tourt Basel von Sieg zu Sieg. Und das in der Schweiz. Es wäre wohl einfacher gewesen, die Biathlon-Weltmeisterschaft nach Hamburg zu holen. Was für eine Romanze.
Und dann wäre da noch Gigi Oeri, die milliardenschwere Vereinspatronin. Spötter bezeichnen sie als blondierte Light-Version von Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch. Doch das ist die halbe Wahrheit. Oeri hat einige Millionen aus ihrem Sparstrumpf in den Verein gesteckt, aber ein Einkaufsbummel zu Wucherpreisen ist nicht geplant.
Die Schweiz würde eine Fußballüberdosis so schnell nicht verkraften. Ginge es nach Gigi Oeri, würde Basel in der Bundesliga spielen. "Geht es nach Etat, Fans und Leistungen, würden wir in Deutschland im oberen Drittel liegen", sagt sie. In vier Jahren macht die Europameisterschaft auch in Basel Station. Spätestens dann will die Schweiz ein Fußball-Land sein. Falls es nicht klappt, ein kleiner Trost: Der Käse und die Nummernkonten bleiben auf jeden Fall erhalten.
Der Autor ist 23 Jahre alt und freier Mitarbeiter der Sportredaktion.
quelle:http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 07947.html