Am Tag danach: FCB-Gross und der Gaucho (BAZ-Online)
Verfasst: 25.08.2005, 23:20
Am Tag danach: FCB-Gross und der Gaucho
Bremen. Si/baz. In Bremen verlor der FC Basel mehr als nur ein Europacup- Spiel. Christian Gimenez degradierte den mächtigsten Schweizer Verein mit seinem erzwungenen Transfer zu Marseille zum hilflosen Statisten.
Die Rückkehr zum «Courant normal» wird den Baslern nach dem schwarzen Bremer Mittwoch schwerfallen. Zum einen ist die unnötige 0:3-Niederlage und die erneut verpasste Teilnahme an der Champions League zu besprechen, andererseits müssen die Beteiligten abwarten, welche Spuren das unsägliche Transfertheater um Christian Gimenez hinterlassen hat. Der Nachbetrachtung des sportlichen Scheiterns ist unter Umständen nicht mehr Gewicht beizumessen als der Ursachenforschung im «Fall Gimenez».
Am Tag nach der Enttäuschung hielt Trainer Christian Gross eine ziemlich emotionslose Rückschau auf die Etappen zum Out aus dem Millionen-Geschäft. Die Mannschaft habe sich eine Stunde lang vorzüglich präsentiert, aber die Chance zum 1:0 ausgelassen. Der Zürcher vermisste im einen oder anderen Fall zwar die Reife, «ansonsten habe ich sehr viel Positives gesehen». Gross war während der öffentlichen Analyse spürbar bemüht, der Arbeit seiner Equipe bis zum 0:1 (65.) mehr Platz einzuräumen als dem miserablen Abschied von Gimenez.
Gegen aussen hin zumindest wirkte Gross gefasst. Ein Arbeitsplatzwechsel habe sich schliesslich seit Wochen abgezeichnet. Gewiss, Gimenez sandte regelmässig Signale, den Klub verlassen zu wollen. Aber ein Absprung am Spieltag vor dem möglicherweise «wichtigsten Erfolg in der Vereinsgeschichte des FC Basel» (Zitat Gross), kalkulierte niemand ein - auch Gross nicht. Im Nachgang bezeichnete er den beispiellosen Transfer mit gutem Grund als «exzessivste Form des heutigen Fussball- Business».
Was sich von Montag bis Mittwoch hinter den Kulissen des Schweizer Titelhalters abgespielt hat, liesse sich auch als Pervertierung des internationalen Transfermarktes umschreiben. Anfang Woche liess Gimenez seinen Coach wissen, dass er im Falle einer UEFA-Cup-Qualifikation von Olympique Marseille am Dienstag tags darauf nicht für den FCB einlaufen werde. Nachdem OM den Vorstoss in den Europacup sichergestellt hatte, nahm das Unheil seinen Lauf. «Als ich das Resultat (5:1 gegen La Coruña) sah, wusste ich, dass er nicht spielen wird», erklärte Gross.
Derweil die beiden Klubs in Bremen hinter verschlossenen (Hotel- )Türen die letzten Details regelten, frühstückte Gimenez am Mittwochmorgen noch mit seinen mehrheitlich ahnungslosen Spielerkollegen. Nach einem Footing bestritt das Pokerface sogar das Abschlusstraining. Erst nach der Mittagsruhe stellte Gross die Mannschaft vor vollendete Tatsachen. Nicht alle reagierten gleich ruhig. Zeit zur grossen Aufregung blieb indes keine, der Anpfiff zur kursweisenden Partie gegen Werder stand in wenigen Stunden bevor.
Gimenez weilte zu jenem Zeitpunkt, in welchem Gross alle Kadermitglieder in Kenntnis setzte, nicht mehr im Spielerhotel. «Ich habe ihm nahe gelegt, persönlich für die Rückreise zu sorgen», formulierte es Gross diplomatisch. Eine Konfrontation mit dem Rest der Mannschaft mochte der Trainer tunlichst vermeiden; wohl der Sorge wegen, die mentale Vorbereitung auf den vermeintlichen Saisonhöhepunkt nicht noch erheblicher zu beeinträchtigen.
Das Verhalten des argentinischen Stürmers, welcher der Lohnerhöhung in Marseille rücksichtslos alles unterordnete, war trotz aller Beschönigungen der (vermutlich geschockten) Basler Delegation ein Störfaktor sondergleichen. Ausgerechnet im grell erleuchteten Vorzimmer zur europäischen Eliteklasse wurde der Schweizer Nobel-Klub von einem geldgierigen Gaucho blossgestellt. Im Bremer Weserstadion schüttelten jedenfalls nicht nur die Schweizer Kommentatoren mit dem Kopf.
Seit dem Bosman-Urteil 1995 haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Das bekam nun der Schweizer Branchenleader in aller Schärfe zu spüren. Nicht der Verein diktiert die Regeln, sondern der Spieler bestimmt die Stossrichtung. Verträge sichern den Klubs im besten Fall eine Transfersumme. Mehr nicht. Wenn ein Spieler wie Gimenez den Spieleinsatz verweigert, bleibt einem Verein der Grössenordnung Basels kaum etwas anderes übrig, als einzulenken - egal zu welchem Zeitpunkt.
Der Schein in der Fussball-Welt trügt mehr denn je. Die nicht neue Einschätzung wird nach der Affäre um Gimenez speziell im Raum Basel die Mehrheit der rot-blauen Gemeinde teilen. Wieviel Prozent der von einem argentinischen Egomanen verursachte Skandal zum Scheitern in Bremen beigetragen hat, ist schwierig zu eruieren und hinterher nicht mehr erheblich. Wesentlich gravierender könnte hingegen die Signalwirkung des falschen Gimenez-Solo sein.
Welcher FCB-Profi wird als Nächster zur Unzeit ins benachbarte Ausland abspringen? Wie ist unter solchen Umständen eine vernünftige Planung möglich? Wie wird Gigi Oeri diesen Vertrauensmissbrauch verdauen? Welche Schlüsse zieht der ehrgeizige Gross aus dem Affront des Jahres? Ein Nachbeben in der Winterpause ist nicht ausgeschlossen.
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@IP-Lotto: Für BAZ-Verhältnisse wird tatsächlich aus allen Rohren geschossen. Und nein, ein Autor wird nicht genannt, aber alleine aus der SI-Küche kann das nicht kommen.
Übrigens, mit Betätigung dieses Links kann man dem Artikel die Bestnote verteilen: http://www.baz.ch/_actions/rating.cfm?O ... 5A&value=6
Bremen. Si/baz. In Bremen verlor der FC Basel mehr als nur ein Europacup- Spiel. Christian Gimenez degradierte den mächtigsten Schweizer Verein mit seinem erzwungenen Transfer zu Marseille zum hilflosen Statisten.
Die Rückkehr zum «Courant normal» wird den Baslern nach dem schwarzen Bremer Mittwoch schwerfallen. Zum einen ist die unnötige 0:3-Niederlage und die erneut verpasste Teilnahme an der Champions League zu besprechen, andererseits müssen die Beteiligten abwarten, welche Spuren das unsägliche Transfertheater um Christian Gimenez hinterlassen hat. Der Nachbetrachtung des sportlichen Scheiterns ist unter Umständen nicht mehr Gewicht beizumessen als der Ursachenforschung im «Fall Gimenez».
Am Tag nach der Enttäuschung hielt Trainer Christian Gross eine ziemlich emotionslose Rückschau auf die Etappen zum Out aus dem Millionen-Geschäft. Die Mannschaft habe sich eine Stunde lang vorzüglich präsentiert, aber die Chance zum 1:0 ausgelassen. Der Zürcher vermisste im einen oder anderen Fall zwar die Reife, «ansonsten habe ich sehr viel Positives gesehen». Gross war während der öffentlichen Analyse spürbar bemüht, der Arbeit seiner Equipe bis zum 0:1 (65.) mehr Platz einzuräumen als dem miserablen Abschied von Gimenez.
Gegen aussen hin zumindest wirkte Gross gefasst. Ein Arbeitsplatzwechsel habe sich schliesslich seit Wochen abgezeichnet. Gewiss, Gimenez sandte regelmässig Signale, den Klub verlassen zu wollen. Aber ein Absprung am Spieltag vor dem möglicherweise «wichtigsten Erfolg in der Vereinsgeschichte des FC Basel» (Zitat Gross), kalkulierte niemand ein - auch Gross nicht. Im Nachgang bezeichnete er den beispiellosen Transfer mit gutem Grund als «exzessivste Form des heutigen Fussball- Business».
Was sich von Montag bis Mittwoch hinter den Kulissen des Schweizer Titelhalters abgespielt hat, liesse sich auch als Pervertierung des internationalen Transfermarktes umschreiben. Anfang Woche liess Gimenez seinen Coach wissen, dass er im Falle einer UEFA-Cup-Qualifikation von Olympique Marseille am Dienstag tags darauf nicht für den FCB einlaufen werde. Nachdem OM den Vorstoss in den Europacup sichergestellt hatte, nahm das Unheil seinen Lauf. «Als ich das Resultat (5:1 gegen La Coruña) sah, wusste ich, dass er nicht spielen wird», erklärte Gross.
Derweil die beiden Klubs in Bremen hinter verschlossenen (Hotel- )Türen die letzten Details regelten, frühstückte Gimenez am Mittwochmorgen noch mit seinen mehrheitlich ahnungslosen Spielerkollegen. Nach einem Footing bestritt das Pokerface sogar das Abschlusstraining. Erst nach der Mittagsruhe stellte Gross die Mannschaft vor vollendete Tatsachen. Nicht alle reagierten gleich ruhig. Zeit zur grossen Aufregung blieb indes keine, der Anpfiff zur kursweisenden Partie gegen Werder stand in wenigen Stunden bevor.
Gimenez weilte zu jenem Zeitpunkt, in welchem Gross alle Kadermitglieder in Kenntnis setzte, nicht mehr im Spielerhotel. «Ich habe ihm nahe gelegt, persönlich für die Rückreise zu sorgen», formulierte es Gross diplomatisch. Eine Konfrontation mit dem Rest der Mannschaft mochte der Trainer tunlichst vermeiden; wohl der Sorge wegen, die mentale Vorbereitung auf den vermeintlichen Saisonhöhepunkt nicht noch erheblicher zu beeinträchtigen.
Das Verhalten des argentinischen Stürmers, welcher der Lohnerhöhung in Marseille rücksichtslos alles unterordnete, war trotz aller Beschönigungen der (vermutlich geschockten) Basler Delegation ein Störfaktor sondergleichen. Ausgerechnet im grell erleuchteten Vorzimmer zur europäischen Eliteklasse wurde der Schweizer Nobel-Klub von einem geldgierigen Gaucho blossgestellt. Im Bremer Weserstadion schüttelten jedenfalls nicht nur die Schweizer Kommentatoren mit dem Kopf.
Seit dem Bosman-Urteil 1995 haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Das bekam nun der Schweizer Branchenleader in aller Schärfe zu spüren. Nicht der Verein diktiert die Regeln, sondern der Spieler bestimmt die Stossrichtung. Verträge sichern den Klubs im besten Fall eine Transfersumme. Mehr nicht. Wenn ein Spieler wie Gimenez den Spieleinsatz verweigert, bleibt einem Verein der Grössenordnung Basels kaum etwas anderes übrig, als einzulenken - egal zu welchem Zeitpunkt.
Der Schein in der Fussball-Welt trügt mehr denn je. Die nicht neue Einschätzung wird nach der Affäre um Gimenez speziell im Raum Basel die Mehrheit der rot-blauen Gemeinde teilen. Wieviel Prozent der von einem argentinischen Egomanen verursachte Skandal zum Scheitern in Bremen beigetragen hat, ist schwierig zu eruieren und hinterher nicht mehr erheblich. Wesentlich gravierender könnte hingegen die Signalwirkung des falschen Gimenez-Solo sein.
Welcher FCB-Profi wird als Nächster zur Unzeit ins benachbarte Ausland abspringen? Wie ist unter solchen Umständen eine vernünftige Planung möglich? Wie wird Gigi Oeri diesen Vertrauensmissbrauch verdauen? Welche Schlüsse zieht der ehrgeizige Gross aus dem Affront des Jahres? Ein Nachbeben in der Winterpause ist nicht ausgeschlossen.
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@IP-Lotto: Für BAZ-Verhältnisse wird tatsächlich aus allen Rohren geschossen. Und nein, ein Autor wird nicht genannt, aber alleine aus der SI-Küche kann das nicht kommen.
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