Fussball und Rubel rollen gemeinsam: Vergleich Joggeli - neues Wankdorf
Verfasst: 10.06.2005, 01:02
© Cash; 09.06.2005[0]; Nummer 23; Seite 10
Sport Fussballstadien
Fussball und Rubel rollen gemeinsam
Ende Juli wird in Bern das 350 Millionen Franken teure «Stade-de-Suisse- Wankdorf» eröffnet. Obwohl der Fussball in den neuen multifunktionalen Arenen eine eher untergeordnete Rolle spielt, hängt der wirtschaftliche vom sportlichen Erfolg ab. Das zeigt ein Vergleich des Berner Stadions mit dem St.-Jakob-Park in Basel.
Von Lukas Hadorn
Tiago Calvano ist ein Fussballer, von dem manch ein Verein in der Schweiz nur träumen kann. Die Berner Young Boys habens gut, sie haben den Italo-Brasilianer verpflichtet. Aber in der Hauptstadt freut sich kaum jemand über den Zuzug aus Barcelona. Man hatte an Tiagos Stelle auf einen klingenderen Namen gehofft: auf Rivaldo vielleicht, auf Hakan Yakin oder Richard Nuñez.
Wie bitte? Rivaldo bei YB? Hakan Yakin im Dress der Gelb-Schwarzen? Ist man beim Vierten der abgelaufenen Saison etwa grössenwahnsinnig geworden? Nein. YB befindet sich vielmehr in den Vorbereitungen auf die erste Saison im neuen Stadion. Ende Juli zieht der Berner Traditionsverein ins «Stade-de-Suisse», jenen 350-Millionen-Bau im Norden der Stadt. Und eins ist klar: In einem Stadion mit 32 000 Plätzen muss eine attraktive Mannschaft her, sonst gähnen die gelb-schwarzen Schalensitze schon bald wie hässliche Zahnlücken von den Rängen.
Auf den Fussball entfällt weniger als die Hälfte des Umsatzes
Dabei könnte man sich fragen: Was soll das? Warum das Tamtam um mehr oder weniger klingende Spielernamen? In den modernen Arenen des 21. Jahrhunderts spielt der Fussball doch ohnehin keine Rolle mehr. In Basel etwa, wo vor vier Jahren mit dem St.-Jakob-Park das erste Schweizer Stadion der neuen Generation entstand, wird 55 Prozent des Umsatzes unabhängig vom Fussball erwirtschaftet. Den 30 Fussballspielen stehen in Basel 1200 Events - Konzerte, Führungen, Konferenzen - gegenüber. Warum soll der Verein da noch Geld für teure Spieler aus dem Fenster werfen?
Die Antwort ist simpel: Ein Stadion dieser Grössenordnung lässt sich kaum rentabel betreiben, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Der Anspruch des Fussballs ist nicht rein wirtschaftlicher, sondern emotionaler, atmosphärischer und sinnbildender Natur. Wird im Stadion kein guter Fussball geboten, fehlt dem Tempel der Nimbus des Erfolgs. Dann bleiben nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Geschäftskunden, die Mieter und VIP fern. «Es gibt eine Wechselwirkung zwischen dem Fussball und dem restlichen Geschäft», sagt Peter Jauch, Geschäftsführer der Firma «Stade-de-Suisse»-Wankdorf Nationalstadion AG, die das SdS betreibt. «Das eine befruchtet das andere.»
Der St.-Jakob-Park profitiert vom Ligakrösus FC Basel
Der FC Basel geniesst in diesem Zusammenhang eine Vorbildfunktion. Seit vier Jahren überfliegen die Blau-Roten die heimische Konkurrenz, seit 2002 ist der Verein im St.-Jakob-Park ungeschlagen. Die Stadionbetreiber profitieren nicht nur von der stattlichen Miete, die der wirtschaftlich erfolgreiche Club entrichtet (die Ausgaben des FCB belaufen sich auf bis zu 350 000 Franken pro Heimspiel), sondern auch vom Glanz, den der Ligakrösus verbreitet. Die Logen sind alle ausverkauft, für die nächsten Jahre bestehen Wartelisten.
Auch in Bern wird der sportliche über den wirtschaftlichen Erfolg entscheiden. Hürden gibt es einige:
l Der Verein.
Mit den Young Boys ist in Bern ein ungleich unattraktiverer Verein eingemietet als in Basel. YB dürfte 2005 / 2006 über ein Budget von 10 bis 12 Millionen Franken verfügen (Basel: 30 Millionen). Ob damit eine Equipe unterhalten werden kann, die dem FCB das Wasser reicht, ist fraglich.
l Die Fans.
Der FC Basel hat auch für die kommende Saison bereits wieder knapp 25 000 Saisonkarten verkauft, für das «Stade-de-Suisse» wurden bisher lediglich 8500 Dauerkarten abgesetzt. Um die Kosten zu decken, braucht YB aber 14 000 Zuschauer pro Spiel.
l Die Organisation.
YB und das «Stade-de-Suisse» gehören den gleichen Personen, da die YB Betriebs AG im Besitz der Stadionbetreiberin ist. Das Modell birgt Zündstoff. «Bei einem Fussballclub stehen kurzfristige Interessen im Vordergrund, etwa die Kompetitivität des Teams in der nächsten Saison», erklärt Christian Kern, Chef von Basel United. «Ein Stadion hat einen längerfristigeren Fokus.» Für Jauch ist das kein Problem, er hält die Kombination für die optimale Lösung: «Die Stadionbetreiber haben so die Möglichkeit, den Verein und dessen Finanzen zu überwachen.»
l Das Nationalstadion.
Nicht zu unterschätzen ist die Frage, welches der beiden Stadien das Schweizer Nationalstadion sei. «Stade-de-Suisse», ist Peter Jauch überzeugt. Christian Kern sieht das anders: «Das kommt darauf an, wo die Schweiz gerade spielt.» Der Basler Trumpf: Mit dem Fussballverband (SFV) haben sie einen Vertrag bis 2018 abgeschlossen, der dem St.-Jakob-Park jährlich zwei SFV-Spiele «mit einem Potenzial von mehr als 30 000 Besuchern» beschert. Das «Stade-de-Suisse» riskiert, die wenig attraktiven Spiele zugeteilt zu bekommen.
Es gibt aber auch Hoffnung. Vielerorts in Europa erlebten Fussballvereine, die in neu eröffneten Stadien spielten, wahre Höhenflüge - unabhängig von Jahresbudget, Saisonkarten und Länderspielen. Mit etwas Glück ist das auch in Bern möglich. Und mit dem Ball rollt dann auch der Rubel.
Sport Fussballstadien
Fussball und Rubel rollen gemeinsam
Ende Juli wird in Bern das 350 Millionen Franken teure «Stade-de-Suisse- Wankdorf» eröffnet. Obwohl der Fussball in den neuen multifunktionalen Arenen eine eher untergeordnete Rolle spielt, hängt der wirtschaftliche vom sportlichen Erfolg ab. Das zeigt ein Vergleich des Berner Stadions mit dem St.-Jakob-Park in Basel.
Von Lukas Hadorn
Tiago Calvano ist ein Fussballer, von dem manch ein Verein in der Schweiz nur träumen kann. Die Berner Young Boys habens gut, sie haben den Italo-Brasilianer verpflichtet. Aber in der Hauptstadt freut sich kaum jemand über den Zuzug aus Barcelona. Man hatte an Tiagos Stelle auf einen klingenderen Namen gehofft: auf Rivaldo vielleicht, auf Hakan Yakin oder Richard Nuñez.
Wie bitte? Rivaldo bei YB? Hakan Yakin im Dress der Gelb-Schwarzen? Ist man beim Vierten der abgelaufenen Saison etwa grössenwahnsinnig geworden? Nein. YB befindet sich vielmehr in den Vorbereitungen auf die erste Saison im neuen Stadion. Ende Juli zieht der Berner Traditionsverein ins «Stade-de-Suisse», jenen 350-Millionen-Bau im Norden der Stadt. Und eins ist klar: In einem Stadion mit 32 000 Plätzen muss eine attraktive Mannschaft her, sonst gähnen die gelb-schwarzen Schalensitze schon bald wie hässliche Zahnlücken von den Rängen.
Auf den Fussball entfällt weniger als die Hälfte des Umsatzes
Dabei könnte man sich fragen: Was soll das? Warum das Tamtam um mehr oder weniger klingende Spielernamen? In den modernen Arenen des 21. Jahrhunderts spielt der Fussball doch ohnehin keine Rolle mehr. In Basel etwa, wo vor vier Jahren mit dem St.-Jakob-Park das erste Schweizer Stadion der neuen Generation entstand, wird 55 Prozent des Umsatzes unabhängig vom Fussball erwirtschaftet. Den 30 Fussballspielen stehen in Basel 1200 Events - Konzerte, Führungen, Konferenzen - gegenüber. Warum soll der Verein da noch Geld für teure Spieler aus dem Fenster werfen?
Die Antwort ist simpel: Ein Stadion dieser Grössenordnung lässt sich kaum rentabel betreiben, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Der Anspruch des Fussballs ist nicht rein wirtschaftlicher, sondern emotionaler, atmosphärischer und sinnbildender Natur. Wird im Stadion kein guter Fussball geboten, fehlt dem Tempel der Nimbus des Erfolgs. Dann bleiben nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Geschäftskunden, die Mieter und VIP fern. «Es gibt eine Wechselwirkung zwischen dem Fussball und dem restlichen Geschäft», sagt Peter Jauch, Geschäftsführer der Firma «Stade-de-Suisse»-Wankdorf Nationalstadion AG, die das SdS betreibt. «Das eine befruchtet das andere.»
Der St.-Jakob-Park profitiert vom Ligakrösus FC Basel
Der FC Basel geniesst in diesem Zusammenhang eine Vorbildfunktion. Seit vier Jahren überfliegen die Blau-Roten die heimische Konkurrenz, seit 2002 ist der Verein im St.-Jakob-Park ungeschlagen. Die Stadionbetreiber profitieren nicht nur von der stattlichen Miete, die der wirtschaftlich erfolgreiche Club entrichtet (die Ausgaben des FCB belaufen sich auf bis zu 350 000 Franken pro Heimspiel), sondern auch vom Glanz, den der Ligakrösus verbreitet. Die Logen sind alle ausverkauft, für die nächsten Jahre bestehen Wartelisten.
Auch in Bern wird der sportliche über den wirtschaftlichen Erfolg entscheiden. Hürden gibt es einige:
l Der Verein.
Mit den Young Boys ist in Bern ein ungleich unattraktiverer Verein eingemietet als in Basel. YB dürfte 2005 / 2006 über ein Budget von 10 bis 12 Millionen Franken verfügen (Basel: 30 Millionen). Ob damit eine Equipe unterhalten werden kann, die dem FCB das Wasser reicht, ist fraglich.
l Die Fans.
Der FC Basel hat auch für die kommende Saison bereits wieder knapp 25 000 Saisonkarten verkauft, für das «Stade-de-Suisse» wurden bisher lediglich 8500 Dauerkarten abgesetzt. Um die Kosten zu decken, braucht YB aber 14 000 Zuschauer pro Spiel.
l Die Organisation.
YB und das «Stade-de-Suisse» gehören den gleichen Personen, da die YB Betriebs AG im Besitz der Stadionbetreiberin ist. Das Modell birgt Zündstoff. «Bei einem Fussballclub stehen kurzfristige Interessen im Vordergrund, etwa die Kompetitivität des Teams in der nächsten Saison», erklärt Christian Kern, Chef von Basel United. «Ein Stadion hat einen längerfristigeren Fokus.» Für Jauch ist das kein Problem, er hält die Kombination für die optimale Lösung: «Die Stadionbetreiber haben so die Möglichkeit, den Verein und dessen Finanzen zu überwachen.»
l Das Nationalstadion.
Nicht zu unterschätzen ist die Frage, welches der beiden Stadien das Schweizer Nationalstadion sei. «Stade-de-Suisse», ist Peter Jauch überzeugt. Christian Kern sieht das anders: «Das kommt darauf an, wo die Schweiz gerade spielt.» Der Basler Trumpf: Mit dem Fussballverband (SFV) haben sie einen Vertrag bis 2018 abgeschlossen, der dem St.-Jakob-Park jährlich zwei SFV-Spiele «mit einem Potenzial von mehr als 30 000 Besuchern» beschert. Das «Stade-de-Suisse» riskiert, die wenig attraktiven Spiele zugeteilt zu bekommen.
Es gibt aber auch Hoffnung. Vielerorts in Europa erlebten Fussballvereine, die in neu eröffneten Stadien spielten, wahre Höhenflüge - unabhängig von Jahresbudget, Saisonkarten und Länderspielen. Mit etwas Glück ist das auch in Bern möglich. Und mit dem Ball rollt dann auch der Rubel.