Rankhof hat geschrieben:Um hier mal mit ein paar Halbwahrheiten aufzuräumen:
Ja, es sollen (wie weiterhin) die sog. Randdaten der Telekommunikation gespeichert werden - also wer mit wem wann gesprochen hat und wo sich derjenige befand (welche Antenne). Gesprächsinhalte werden nicht auf Vorrat aufgenomen. Auch in Zukunft nicht. Und wer mit wem telefoniert, speichern Swisscom und Co sowieso, schliesslich müssen sie ja auch Rechnung stellen.
Aber wie bis anhin bekommt die Staatsanwaltschaft die Einsicht in die Daten nur, wenn ein dringender Tatverdacht gegen eine Person auf eine mittelschwere bis schwere Straftat vorliegt. Und auch dann muss ein Gericht den Zugriff genehmigen. Es ist also mehrfach abgesichert. Damit man aber z.B. anhand des Telefonstandsorts einer später verdächtigen Person nachweisen kann, dass sie mit dem Opfer Kontakt hatte, dass sie zur Tatzeit am Tatort war (wo z.B. jemand umgebracht wurde, wo jemand beraubt, bestohlen wurde etc.), muss man logischerweise vorher schon die Daten des Handys speichern. Und da man da ja noch nichts von der Tat weiss - sie noch gar nicht begangen wurde - kommt man nicht drum herum, dass die Daten aller Handybenützer für ein halbes Jahr gespeichert werden - aber eben, und das ist entscheidend, niemand bekommt Zugriff darauf, ausser aber man benötigt die Daten im Einzelfall für die Aufklärung einer schweren Straftat. Dann, und nur dann, werden die Daten dieser einen Person - und auch nur dieser und nur mit richterlicher Genehmigung verwendet. Und ob jemand schuldig oder unschuldig ist, entscheidet dann auch wiederum ein Gericht.
Schön, dass Du hier mit Halbwahrheiten "aufräumst". Man kann es drehen und wenden wie man will. Man kann es mit viel Text schönreden. Es bleibt eine vorbehaltslose Datenspeicherung aller Bürger. Mehrere Europäische Gerichte haben hier einen Verstoss gegen die Grundrechte festgestellt. Es wird nun auch noch ausgeweitet auf alle Kommunikationsdienste, die Dritten zur Verfügung gestellt wird. Das heisst auch ein privates WLAN, dass man anderen, also z.B. privaten Besucher, zur Verfügung stellt. Hier wird endgültig jegliche Verhältnismässigkeit überschritten.
Rankhof hat geschrieben:
Ja, es soll die Möglichkeit für Staatstrojaner gegeben werden. Warum? Schon bisher konnte die Staatsanwaltschaft Telefonate abhören (live), wenn die abzuhörende Person im dringenden Verdacht stand, ein schweres Delikt begangen zu haben (also Aufklärung des Delikts nach begangenem Delikt). Und auch nur mit Einwilligung eines Gerichts. Heute telefonieren aber nur noch wenige "normal". Viele nutzen WhatsApp, Skype, VoIP etc. Diese Dienste sind verschlüsselt. Das nutzen Verbrecher aus. Wenn man also auch solche Gespräche abhören will, benötigt man einen Trojaner, der Zugang verschafft. Es ist also immer noch das gleiche Abhörprinzip wie vor 100 Jahren, aber mit den heutigen technischen Mitteln. Und wie gesagt nur zur Aufklärung schwerer Verbrechen.
Nun, ein Trojaner verschafft Zugang zum ganzen Gerät. Das heisst auch zu Mic oder zur Kamera. Es ist ein Produkt, dass man von einem Anbieter einkauft. Der Anbieter im Falle der Zürcher Staatsanwaltschaft, der auch Kunden hatte wie der Staat Saudi Arabien oder Jemen, wurde leider gehackt. Sämtliche Kundendaten inkl. Sourcecode des Trojaners wurden veröffentlicht. Jetzt muss die Schweiz selber auch bei einem Anbieter einkaufen. Dieser Anbieter befindet sich aufgrund fehlender Alternativen im Ausland. Der Quellcode ist nicht ersichtlich. Gut möglich, dass dieser Trojaner, der eingesetzt wird, zukünftig ein Sicherheitsloch haben wird. Plötzlich hat man Kriminelle, die auch Zugang zum System mit Trojaner haben bei diesem Fall.
Es ist _nicht_ dasselbe Abhörprinzip wie vor 100 Jahren. Man kann nun _alles_, was jemand macht am Computer, "abhören". Man hat Zugang zu allen Daten. Und noch schöner: wer etwas versteht, kann sich gegen den Trojaner schützen. Und nein, vor 100 Jahren hat man kein ausländischen Agent bezahlt, um die Wohnung eines Verdächtigen komplett auf den Kopf zu stellen.
Der Staatstrojaner ist ein Skandal. Sicherheitstechnisch absolut bedenklich. Und bezüglich Integrität ist auf einen ausländischen Anbieter, der den Quellcode nicht anbietet, kein Verlass. Wer sagt nicht, dass dieser für Dritte arbeitet und noch mehr Backdoors anbietet? Das ganze ist ein No-Go.
Rankhof hat geschrieben:
Dasselbe gilt für IMSI-Catcher und Antennensuchläufe: Ja, man kann mit dem IMSI-Catcher feststellen, welches Handy eine bestimmte Person nutzt (damit man es dann später abhören kann). Und ja, mit dem Antennensuchlauf kann man herausfinden, welche Handys bei einer bestimmten Antenne eingeloggt waren. Und ja, 99.9% der erhaltenen Daten betreffen Unschuldige. Aber das weiss die Polizei und die Staatsanwaltschaft auch. Es geht um die 0.1%, die interessant sind. Die muss man herausfinden. Und auch diese Mittel benötigen eine richterliche Genehmigung im Einzelfall und dürfen nur zur Aufklärung schwerster Delikte eingesetzt werden.
Ganz bedenklich ist, dass IMSI Catcher schon jetzt eingesetzt werden, obwohl jegliche gesetzliche Grundlage dafür fehlt. Ein solcher Catcher ist nicht nur dafür da abzuklären, wer wohin angerufen hat. Er ist dafür da, Gespräche abzuhören. Dafür wird er eingesetzt. 99.9% der erhaltenen Daten betreffen Unschuldige? Wie steht es denn damit, dass auch jede Menge Unschuldiger abgehört werden können?
Rankhof hat geschrieben:
Denken wir an den Vierfachmord in Rupperswil. Vielleicht findet man den Täter nur, weil sein Handy bei der Antenne eingeloggt war. Da ist es mir doch scheissegal, dass im Zuge dieser Ermittlungen irgendein Polizist aufgrund der Antennendaten gesehen hat, dass mein Handy auf der nahen Autobahn durchgefahren ist - wie tausende anderer auch.
Bei welchem Verbrechen solchen Ausmasses konnte die bisher schon vorhandene Massendatenspeicherung denn helfen? Keinem? Richtig...?
Rankhof hat geschrieben:
Oder denken wir an all die vielen Einbrüche / Schlafzimmerraube etc.. Wenn man aufgrund der Standortdaten von seinem Handy einem (Schwer-)Kriminellen nachweisen kann, dass er schwere Straftaten begangen hat, dann zahle ich gerne den Preis dafür, dass die Swisscom meine Telefonverbindungen ein halbes Jahr aufbewahrt. Angesehen hat sie aber niemand, weil ich kein Einbrecher bin. Nur die Daten des Einbrechers - die aber genauso wie meine gespeichert werden - die werden angeschaut.
Schön in der Theorie. Aber ausser man lebt wirklich in der Pampa ist die Nachweisbarkeit wohl eher ein Witz. Nebenbei lassen sich Mobile Phones auch ausschalten. Also wird das ganze obsolet.
Rankhof hat geschrieben:
Es handelt sich also hier nicht einfach um Überwachung und Bespitzelung der Bürger, sondern um das Zurverfügungstellen von Instrumenten für eine wirkungsvolle Strafverfolgung. Und das sollte im Interesse jedes rechtschaffenen Bürger sein. Wer sich gegen eine solche minimale "Überwachung" einsetzt, unterstützt damit Verbrecher - auch wenn er natürlich andere Absichten hat. Ich finde es auch nicht toll, dass meine Daten gespeichert werden. Aber es sind nunmal nicht alle Menschen gut. Und wenn meine Sicherheit und die öffentliche Sicherheit dadurch verbessert werden können, bin ich gerne bereit dazu, diesen minimalen Preis zu zahlen.
Das ist keine "minimale" Ueberwachung mehr, wenn man die Daten aller Bürger von 6 Monaten speichert, sie sogar dazu zwingt, die WLAN-Daten zu loggen und dazu noch die absolut bedenklichen Staatstrojaner einsetzt. Vorallem muss mal erst der Nachweis gebracht werden, dass dieser Einschnitt in die Privatsphäre wirklich die öffentliche Sicherheit verbessert. Tut sie vermutlich nicht. Einzig ein paar Firmen werden gut daran verdienen. Gute Aufträge. That's it...
Rankhof hat geschrieben:
Gerade auch die Terrorgefahr zeigt doch, wie wichtig Überwachung ist. Gewiss, absolute Sicherheit wird nie herrschen. Auch totale Überwachung kann solche Anschläge nie verhindern. Aber Überwachung kann solche Anschläge erschweren und vielleicht auch den einen oder anderen verhindern. Und wenn es doch passiert ist, kann Überwachung als ein Puzzlestück unter vielen zur Verurteilung der Verursacher führen. Natürlich kann man nie beweisen, ob und wenn ja wieviel Überwachung zur Sicherheit genau beiträgt - so wie man auch im Einzelfall nicht beweisen kann, dass gute Schulbildung und gute Jugendprogramme spätere Delinquenz verhindern. Eine alternative Realität ("Was wäre gewesen, wenn wir es nicht gemacht hätten") lässt sich nun mal nicht beweisen.
Man kann nicht Beweisen, ob Ueberwachung zur Sicherheit beiträgt. Die jüngsten Anschläge haben bewiesen: gar nicht. Das ganze bringt erst etwas, wenn man eine professionelle Ueberwachung wie in den USA hat. Aber das kostete Hunderte Milliarden, wenn nicht mehr.
Rankhof hat geschrieben:
Und schliesslich führen wir eine Scheindiskussion. Gewisse regen sich hier drin drüber aus, dass der Staat - zu dem wir eigentlich Vertrauen haben sollten, schliesslich ist er von uns allen gewählt - <...>
Der Unterschied ist: wir selber können entscheiden, ob wir die Daten an dritte geben wollen oder nicht. _Das_ ist ein wesentlicher Unterschied! Ein Android kann auch ohne Playservices laufen. Man kann auch die Security soweit bringen, dass keine App senden darf.