Schauen Sie sich doch die Resultate an»
Christian Constantin ist eine schillernde Figur. Vor dem Spiel am Sonntag bei YB spricht der Sion-Präsident gewohnt pointiert über Trainer-Ultimaten, Schiedsrichter, Hakan Yakin und Carlos Varela sowie über seine Rolle als Reizfigur.
Warum läuft es dem FC Sion derart schlecht?
Christian Constantin: Wir müssen knallhart feststellen, dass wir nicht genug gearbeitet haben.
Wie meinen Sie das?
Schauen Sie sich doch die Resultate an. Wir sind in der Super League nicht auf einer Spitzenposition, wir haben im Uefa-Cup enttäuscht, und wir sind im Schweizer Cup gegen Bellinzona, ein Challenge-League-Team, ausgeschieden. Das entspricht schlicht und ergreifend nicht unseren Ansprüchen.
Also gilt das Ultimatum für Trainer Alberto Bigon, vier Punkte aus den zwei letzten Spielen vor der Winterpause zu holen, noch.
Selbstverständlich.
Nach dem 0:0 gegen Luzern muss Sion also am Sonntag bei den Young Boys gewinnen, sonst ist Bigon nicht mehr YB-Trainer?
Wenn Sion die Partie in Bern nicht gewinnen kann, bedeutet dies, dass die Verantwortlichkeiten innerhalb des Vereins anders verteilt werden
und Alberto Bigon entlassen wird?
Das habe ich so nicht gesagt.
Finden Sie es clever, Ihre Trainer jeweils mit derartigen Ultimaten zusätzlich unter Druck zu setzen?
Ein Ultimatum ist grundsätzlich keine sehr intelligente Lösung. Aber angesichts unserer Situation ist es eine korrekte. Ich habe den Staff sehr lange unterstützt und wenig Druck ausgeübt. Aber die Situation hat sich nur wenig verändert. Deswegen habe ich meine Erwartungen klar formuliert. Das ist meine Aufgabe als Präsident. Und daher kann es jetzt auch keine unangenehmen Überraschungen geben. Dies halte ich zumindest für fair. Nicht nur der Trainer, sondern der Stab mit Assistent und Sportchef stehen unter Druck.
Aber war Ihre Zielsetzung, Schweizer Meister zu werden, überhaupt realistisch?
Wir starten in jede Saison, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Wir haben dem Trainer ein starkes Team mit guten Einzelspielern zur Verfügung gestellt. Man darf also erwarten, nach 17 Runden weniger als 17 Punkte Rückstand auf den Leader FC Basel zu haben.
Kann denn der FC Sion überhaupt in Konkurrenz zu den Teams in den grossen Städten Zürich, Basel und Bern treten?
Der FC Sion wird der grösste Schweizer Klub! (Lacht laut und fügt nach einer kurzen Pause an

Schreiben Sie aber, dass ich dies mit einem Augenzwinkern gesagt habe. Aber natürlich können wir Erfolg haben, dass haben wir ja auch oft bewiesen.
Gibt es für Christian Constantin überhaupt einen idealen Trainer, der diese Ziele erreichen kann?
Natürlich. Ein Trainer sollte die Qualitäten der Spieler ausnutzen und sie weiterentwickeln. Und er sollte sich keinesfalls ausruhen, sondern beharrlich und akribisch weiterarbeiten.
Also gilt Ihr Spruch nicht mehr, nicht Sie, sondern der Totomat entlasse die Trainer.
Nein, diese Faustformel gilt spätestens seit Bigon nicht mehr.
Nicht nur auf Grund Ihres verschwenderischen Umgangs mit Trainern sind Sie eine der grössten Reizfiguren in der Super League. Wie sehen Sie Ihre Rolle?
Als Präsident bin ich beim FC Sion insgesamt rund zehn Jahre im Amt. Wir erreichten neun Mal den Europacup. Und vier Cupsiege, ein Meistertitel sowie ein Double sind doch ein recht ordentliches Palmarès, oder?
Ja, aber was hat das mit Ihnen als Reizfigur zu tun?
Ich sehe mich überhaupt nicht als Reizfigur. Ich möchte nicht provozieren, auch wenn es teilweise so aussieht. Alle Vereine in der Schweiz und auch das Nationalteam haben sehr viel Entwicklungspotenzial. Und ich will ständig besser werden. Da kann man nicht immer bequem sein.
Speziell Ihr Verhältnis zu YB gilt seit den Scharmützeln vor dem Cupfinal 2006 als gestört
das stimmt nicht. Zu YB habe ich eigentlich ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe viel Respekt vor dem, was der Verein in den letzten Jahren geleistet hat. Ich freue mich immer auf Spiele im Wankdorf, wir haben in Bern grossartige Cupsiege gefeiert. Es wäre einfach viel schöner, auf einem Naturrasen zu spielen.
Warum haben Sie das Gefühl, YB werde von den Verbänden und den Schiedsrichtern bevorteilt?
Es ist eine Tatsache, dass in allen Verbandsorganen, Kommissionen, im Zentralvorstand und leider auch in den Schiedsrichterkommissionen viel mehr Berner vertreten sind als Romands oder gar Walliser. Schauen Sie sich doch einfach einmal die Organigramme des Verbandes an. Dieses Ungleichgewicht ist schlicht eine Realität. Und das stört mich.
Es heisst seit Jahren, Sie würden die YB-Spieler Hakan Yakin und Carlos Varela zu Fuss ins Wallis holen, falls sich ein Transfer endlich realisieren liesse.
Ja, es sind meine zwei Lieblingsfussballer. Ich beglückwünsche beide zu ihren aussergewöhnlichen Leistungen zuletzt. Insbesondere Yakin war herausragend. Bei Varela würde nicht nur ich mir wünschen, dass er sich weniger mit negativen Gesten gegenüber dem Publikum beschäftigt. Er ist ein sehr, sehr guter Fussballer, das hat er gar nicht nötig.
Auch die Sion-Fans haben für Aufsehen gesorgt. Luzerns Torhüter David Zibung wurde am Samstag von einem Gameboy getroffen. Warum haben Sie darauf gleich die gesamte Nordtribüne, wo der harte Kern der Sion-Fans die Spiele verfolgt, vorläufig gesperrt?
Als Erstes möchte ich festhalten, dass die Person, die den Gameboy geworfen hat, ausfindig gemacht werden konnte. Ich habe entschieden, dass wir in finanzieller und juristischer Hinsicht ein Exempel statuieren. Es ist vollkommen inakzeptabel, dass wir Walliser uns so daneben verhalten. Früher war das Wallis bekannt für positive Emotionen und faire Fans. Und selbst wenn man den Gegner auspfeift, sollte man ihm immer mit Respekt und Sachlichkeit begegnen.
Sie selber stehen wieder einmal vor Gericht. Wie beurteilen Sie den Fall, der vor dem Obergericht Luzern derzeit verhandelt wird?
Also (holt tief Luft): Beim Spiel in Kriens liefen Spieler, Trainer und Reservespieler beider Teams und auch das Schiedsrichtertrio in Richtung Kabinen, als das Spielfeld gestürmt wurde. Wirklich niemand von uns hatte Lust darauf, zwischen die Fans und den Sicherheitsdienst zu geraten. Dabei kam es am engen Katakombeneingang zu einen Gedränge, wobei ich mit dem Schiedsrichter zusammengestossen bin. Kurz darauf sprach ich mit dem Schiedsrichter und erkundigte mich nach seinem Befinden. Dort sagte der Unparteiische vor Zeugen, er hätte gar nichts sehen können. Einige Tage später hat der Schiedsrichter seine Meinung geändert, wohl um dem Schweizerischen Fussballverband (SFV) Freude zu bereiten.
Wie meinen Sie das?
Es ist doch kein Zufall, dass mir nur wenige Tage später sogar ein Tritt in die Genitalien des Schiedsrichterassistenten vorgeworfen wurde. Der SFV hat keine Kosten und Mühen gescheut und alle Hebel in Bewegung gesetzt, um gegen mich vorzugehen. Wegen des angeblichen Tritts in die Genitalien wurde ich schon in erster Instanz freigesprochen. Ich strenge auch einen Zivilprozess gegen einige Personen wegen Falschaussagen an. Zum Glück sind diese Leute grösstenteils schon bei der Verhandlung in erster Instanz als nicht glaubwürdig unberücksichtigt geblieben.
Was treibt Sie eigentlich an, als einsamer Kämpfer ständig im Clinch mit dem SFV zu liegen?
Ich habe gegen den Verband noch nie einen Prozess verloren. Noch nie. Letztendlich geht es mir in allererster Linie um den Fussball und um die Jugend. Der Verband sollte für die Vereine und jeden Sportler da sein und nicht die Sportler für den Verband. Und natürlich geht es mir auch um den FC Sion. Wahrscheinlich bin ich mit meiner direkten Art genau aus diesem Grund für den Verband ein hartnäckiger und unbequemer Widersacher. Es wäre wichtig, dass alle Vereinspräsidenten noch stärker zusammenhalten, um die Super League zu stärken.
Die Schweiz wird im Sommer 2008 stark im Fokus stehen. Freuen Sie sich auf die Euro?
Es ist die Zeit gekommen, der Realität ins Auge zu schauen. Wir mussten zuletzt immer wieder erkennen, das wir nur als Einheit erfolgreich sein können. Wir müssen an der EM mit Selbstvertrauen und Leidenschaft auftreten. Und zwar nicht nur die Spieler, sondern insbesondere auch die Mannschaftsleitung.
Halten Sie den manchmal zögerlichen Köbi Kuhn also nicht für den richtigen Nationaltrainer?
Diese Frage stellt sich im Moment nicht. Er ist der Kapitän unseres Schiffes. Wir müssen alles tun, um ihn zu unterstützen.
Interview: Fabian Ruch