McCline: «Walujew boxt mechanisch und langsam»
Nikolai Walujew ist bereit für den grossen Showdown im WM-Kampf in Basel. Für den Russen geht es um mehr als die Titelverteidigung. Noch drei Siege fehlen ihm zum Rekord von Rocky Marciano: «Wenn so ein unglaublicher Rekord im Raume steht, will ich ihn auch brechen.» Doch sein Herausforderer McCline hat einige Schwächen bei seinem Gegner entdeckt.
120 Journalisten aus allen Ländern kamen, um das Boxmonster bei der Pressekonferenz zu hören. Und Walujew machte eine deutliche Kampfanasage. Am Anfang habe ihn der Rekord der Box-Legende (49 Siege, keine Niederlage) gar nicht interessiert. In den letzten Wochen und Monaten sei aber immer mehr darüber geredet worden. «Wenn so ein unglaublicher Rekord im Raume steht, will ich ihn auch brechen. Deswegen werde ich aber nicht gegen leichtere Gegner boxen. Und wenn Wladimir Klitschko gegen mich kämpfen will, bevor ich den Rekord gebrochen habe, bin ich dazu jederzeit gerne bereit.»
Zuerst muss der Russische Riese aber Jameel McCline aus dem Weg räumen. Der 36-jährige Amerikaner, der bereits zum dritten Mal um die Krone im Schwergewicht boxt, fühlt sich in der Form seines Lebens. «Ich habe so hart trainiert wie noch nie zuvor», erklärte McCline, «ich bin optimistisch, dass ich der Erste sein werde, der Valuev schlagen wird». Zwei-Meter-Mann McCline (120 Kilogramm) glaubt, beim grössten (2.13m) und schwersten (150kg) Champion aller Zeiten diverse Schwächen ausgemacht zu haben. «Nikolai boxt mechanisch und langsam, das ist meine Chance. Meine grosse Stärke ist meine Schnelligkeit und meine Explosivität.»
Boxen hoch im Kurs
An Boxen kommt in diesen Tagen kaum einer vorbei. Muhammad Ali wurde am Mittwoch 65-jährig, «Iron»-Mike Tyson droht erneut der Freiheits-Entzug und Rocky VI kommt endlich auch in die Schweizer Kinos. Und schliesslich ist Basel und damit die Schweiz am Samstag erstmals Austragungsort einer Schwergewichts-WM.
Die beiden Protagonisten des geschichtsträchtigen Duells wirkten bei der abschliessenden Medienkonferenz in Basel sehr entspannt. Das Giganten-Duell zwischen WBA-Titelhalter Nikolai Walujew (33, Russ) und Jameel McCline (36, USA) in der St. Jakobshalle (Kampfbeginn frühestens 22.50 Uhr/ARD überträgt live ab 22.30 Uhr) wird zur schwersten Box-WM der Geschichte. Denn wenn der 2,13 m grosse russische Gigant Walujew und der 1,98 m grosse McCline in der St. Jakobshalle aufeinanderprallen, treffen knapp 150 kg Wettkampfgewicht des Champions auf rund 120 kg des Herausforderers. Und die St. Jakobshalle dürfte mit gut 9000 Zuschauern vollbesetzt sein. Zum Abschluss gelangen noch 500 bis 1000 Stehplatztickets à 25 Franken in den Verkauf.
Die bislang grösste Kulisse für einen WM-Kampf in der Schweiz gab es beim Aufeinandertreffen der Schweizer Boxlegende Fritz Chervet gegen Chionoi Chartchai (Thai/Titelverteidiger). Diesen WBA- WM-Fight im Fliegengeswicht im April 1974 wollten 11 250 Zuschauer im damaligen Zürcher Hallenstadion sehen. In mindestens 63 Ländern der Welt soll nun Basels «Nacht der Leidenschaft» via TV-Bilder zu sehen sein. Das Budget der Veranstaltung beträgt offiziell rund vier Millionen Schweizer Franken, darin enthalten sollen auch die Börsen der beiden Boxer sein. Walujew will seiner Frau Galina nach dem Kampf deshalb keine grossen Geschenke machen. «Sie wird aber mir selbst viel mehr als Geld schenken, wenn im Februar oder März unser zweites Kind auf die Welt kommt.»
Der auch deshalb gesprächig und sichtlich gut gelaunt wirkende Champion liess bei der abschliessenden Medienkonferenz einen Geburtstagsgruss an Muhammad Ali ausrichten. «Mögen sich alle seine Wünsche erfüllen», sagte Walujew. Zusätzlich wünschte er der Schweiz die baldige Rückkehr eines «weissen Winters.» Seinen Kontrahenten vom Samstag betrachtet Walujew als ernstzunehmenden Brocken. «Allein von der Grösse und von der Erfahrung her ist McCline eine harte Nuss.»
McCline hat sich im Vorbereitungscamp in Florida mit seinen amerikanischen Landsleuten Julius Long und Larry Donald auf den Kampf vorbereitet. Julius Long (14:8 Siege, 1 Kampf ohne Wertung) ist 2,15 m gross (Sauerland: «Long macht eine Stange Geld damit, dass ihn die jeweiligen Gegner von Walujew als Sparringspartner verpflichteten»). Und der frühere Olympia-Teilnehmer Larry Donald hatte 2005 in einem WM-Ausscheidungskampf über zwölf Runden seinen «Bezwinger» Walujew nicht gerade vorteilhaft aussehen lassen.
«Für mich ist dieser dritte WM-Kampf (nach Niederlagen gegen Wladimir Klitschko/Ukr, 2002 um WBO-Titel, und 2004 Chris Byrd/USA- Red.) die grösste und wohl letzte Chance meiner Karriere», betont McCline, der sich diesmal vor allem auch mental so gut vorbereitet wie nie zuvor fühlt. Fest steht bereits jetzt, dass sich der Sieger aus Walujew gegen McCline nach Basel dem WBA-Pflichtherausforderer Ruslan Schagajew stellen muss. Der Usbeke hat immerhin schon Kubas Boxidol Felix Savon nach Amateurregeln besiegt. Auch hinterliess Schagajew im WM-Ausscheidungskampf gegen John Ruiz (USA/Puerto Rico) einen besseren Eindruck, als Walujew gegen den gleichen Gegner im Dezember 2005 beim umstrittenen Punktsieg und WBA- Titelgewinn.
Sauerland-Hiebe gegen Wladimir Klitschko
Von Titelvereinigungen wird im Schwergewicht zwar dauernd gesprochen, doch die wenigsten werden rasch realisiert. Wilfried Sauerland legte an der abschliessenden Medienkonferenz in Basel seine Sicht dazu dar. «Wladimir Klitschko (IBF-Champion und früherer McCline-Bezwinger, wird von den meisten Experten als «Nummer-1-Schwergewichtler» eingestuft - Red.) wäre der Wunschgegner von Walujew, ganz klar. Ich ging bislang davon aus, dass Wladimir bislang keinen Kampf gegen Walujew wollte, weil Don King (partizipiert gemäss Abmachung mit Sauerland mit - Red.) involviert wäre. Doch jetzt habe ich erfahren, dass er durchaus gewillt ist, einen Ray Austin zu boxen, der bei Don King unter Vertrag steht.» Sauerland deutete damit an, dass Wladimir Klitschko eigentlich vor Walujew kneift. Was aus der anderen Ecke natürlich anders tönt.
Walujews deutscher Promoter Wilfried Sauerland, der seit über zwei Jahrzehnten in Saanen bei Gstaad auch einen Schweizer Wohnsitz hat, betrachtet Walujew wegen dessen überragender Physis als derzeitige Nummer 1 im Schwergewicht. Walujew selbst will wie der letzte grosse weisse Schwergewichts-Weltmeister Rocky Marciano (USA, 49:0 Siege) ungeschlagen abtreten. Walujew hält derzeit bei 46:0 Siegen (ein Kampf ohne Wertung).
Weitere ernstzunehmende Schwergewichts-Weltmeister der Gegenwart neben Wladimir Klitschko und Walujew sind WBC-Champion Oleg Maksajew (Kas/Russ) sowie WBO-Titelhalter Shannon Briggs (USA). Briggs war seinem New Yorker Rivalen und jetzigen Walujew- Herausforderer McCline (38:6 Siege, 3 Remis) in einem Nicht- Titelkampf im April 2002 über zehn Runden nach Punkten unterlegen.
Seferi als Schlussnummer
Neben Walujew wird in Basel auch der beim WM-Kampf mitpartizipierende Don King die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der charismatische Dauerlächler mit der Starkstrom-Frisur ist der bekannteste Promoter der Welt. Mike Tyson, Muhammad Ali, George Foreman und andere Ikonen standen schon allesamt bei King unter Vertrag, der ab Donnerstag in Basel erwartet wird. «Es wird ein Kampf der Superlative. Und die Resonanz auf den Kampf in der Schweiz übertrifft bislang klar meine Erwartungen», betont Wilfried Sauerland schon einmal in einer Art Vorspiel vor Kings Auftritt.
In den elf Kämpfen des Rahmenprogramms wird nur ein Faustkämpfer mit Schweizer Pass auftreten. Der international bestandene Burgdorfer Cruisergewichtler Nuri Seferi (17:5 Siege) wird in einem auf acht Runden gesetzten Kampf auf den Kroaten Sinisa Puljak (Kro) treffen. Der Fight von Seferi, der sich zuletzt drei Wochen in Deutschland beim Sauerland-Profiboxstall auf seinen Auftritt vorbereitete, wird als Schlussnummer des Meetings erst nach Mitternacht ausgetragen. Den Auftaktkampf der Veranstaltung wird um 18.30 Uhr der Wahl-Genfer Sofiane Sebihi bestreiten. Der algerische Supermittelgewichts-Profiboxer hat bislang alle zwölf Profikämpfe gewonnen und boxt mit einer Schweizer Profilizenz.
Die Veranstaltung wird unter anderem durch einen Music-Act von Rocker Zucchero sowie der finnischen Hitparaden-Stürmer Sunrise Avenue veredelt. Neben Sauerland und King steht die Kentaro Group hinter dem Anlass. Das Sportvermarktungsunternehmen hatte beispielsweise im letzten Frühsommer das brasilianische WM-Team nach Weggis gebracht.
Auf Ringplätzen der Boxveranstaltung in Basel und an der anschliessenden VIP-Party werden nach der ersten Schwergewichts-WM in der Schweiz neben Schweizer Prominenten auch die Wahl-Schweizer Boris Becker und Michael Schumacher oder der deutsche Schauspieler Heiner Lauterbach erwartet.
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