Der Spiel-Beobachter / Inside, Offside
Verfasst: 07.08.2006, 16:34
Der Spiel-Beobachter - NZZ vom 07.08.2006
Inside, Offside
Jeder Verein, der etwas auf sich hält (oder es sich leisten kann), beschäftigt einen Spiel-Beobachter. Dieser besucht in der Saisonvorbereitung Testpartien zuhauf, nimmt künftige Gegner unter die Lupe und befasst sich ab und zu auch mit der Beurteilung von neu in der Schweiz tätigen Fussballern. Für den FC Basel erledigt diesen Job Christian Boss, ein langjähriger, erfahrener Fussball- Instruktor. Er wurde 1996 vom damaligen FCB- Trainer Karl Engel angeworben und blieb dem Klub bisher treu. Einzig unter Jörg Berger, der einen Beobachter für überflüssig hielt, sowie unter Guy Matthey, der welsche Copains für diese Aufgabe bevorzugte, stand er kurzfristig «Gewehr bei Fuss». Boss ist heute derart mit dem FCB verbunden, dass er nach einer Niederlage eine schlaflose Nacht verbringt.
Besonders angetan ist er von der Zusammenarbeit mit Christian Gross, dem er jeweils persönlich zu rapportieren hat. Die Arbeit von Boss umfasst einen Beschrieb von sieben Seiten über den nächsten Gegner, drei davon sind Zeichnungen zu Standardsituationen oder Laufwegen einzelner Spieler. Hier lassen sich mit der Zeit bestimmte Regelmässigkeiten festhalten, die Gross diverse Anhaltspunkte geben. So wechselten beispielsweise in der letzten Saison im FC St. Gallen die Aussenbahn-Läufer Callà und Marazzi nach einer Viertelstunde stets ihre Plätze und hatten auf der «falschen» Seite die Tendenz, viel früher als auf der angestammten Position in die Mitte zu drängen. Akribisch notiert werden auch die Gewohnheiten von Penaltyschützen, die Fortschritte sowie der Formstand der Fussballer.
Viel Wert legt Gross auf jene Sequenzen, die vom Fernsehen nicht gezeigt werden. Wie verhalten oder positionieren sich jene Spieler, die sich bei einem Corner, Freistoss, einer Offensiv- oder Defensiv-Aktion nicht im Fokus der Kamera befinden? All diese mit hohem Aufwand zusammengetragenen Details fügen sich zu einem abgerundeten Ganzen und vermitteln dem Coach sowie der Mannschaft das (beruhigende) Gefühl, den Gegner aus dem Effeff zu kennen. Doch Boss, hauptamtlich von der reformierten Landeskirche Aargau als Finanzverwalter angestellt, ist sich bewusst, dass ein, zwei krasse individuelle Fehler des eigenen Teams das gesammelte Wissen ad absurdum führen können. Deshalb bewertet er seine Arbeit sehr zurückhaltend: «Ich bin nur ein ganz kleines Rädchen in diesem Betrieb.»
Rolf Wesbonk
Inside, Offside
Jeder Verein, der etwas auf sich hält (oder es sich leisten kann), beschäftigt einen Spiel-Beobachter. Dieser besucht in der Saisonvorbereitung Testpartien zuhauf, nimmt künftige Gegner unter die Lupe und befasst sich ab und zu auch mit der Beurteilung von neu in der Schweiz tätigen Fussballern. Für den FC Basel erledigt diesen Job Christian Boss, ein langjähriger, erfahrener Fussball- Instruktor. Er wurde 1996 vom damaligen FCB- Trainer Karl Engel angeworben und blieb dem Klub bisher treu. Einzig unter Jörg Berger, der einen Beobachter für überflüssig hielt, sowie unter Guy Matthey, der welsche Copains für diese Aufgabe bevorzugte, stand er kurzfristig «Gewehr bei Fuss». Boss ist heute derart mit dem FCB verbunden, dass er nach einer Niederlage eine schlaflose Nacht verbringt.
Besonders angetan ist er von der Zusammenarbeit mit Christian Gross, dem er jeweils persönlich zu rapportieren hat. Die Arbeit von Boss umfasst einen Beschrieb von sieben Seiten über den nächsten Gegner, drei davon sind Zeichnungen zu Standardsituationen oder Laufwegen einzelner Spieler. Hier lassen sich mit der Zeit bestimmte Regelmässigkeiten festhalten, die Gross diverse Anhaltspunkte geben. So wechselten beispielsweise in der letzten Saison im FC St. Gallen die Aussenbahn-Läufer Callà und Marazzi nach einer Viertelstunde stets ihre Plätze und hatten auf der «falschen» Seite die Tendenz, viel früher als auf der angestammten Position in die Mitte zu drängen. Akribisch notiert werden auch die Gewohnheiten von Penaltyschützen, die Fortschritte sowie der Formstand der Fussballer.
Viel Wert legt Gross auf jene Sequenzen, die vom Fernsehen nicht gezeigt werden. Wie verhalten oder positionieren sich jene Spieler, die sich bei einem Corner, Freistoss, einer Offensiv- oder Defensiv-Aktion nicht im Fokus der Kamera befinden? All diese mit hohem Aufwand zusammengetragenen Details fügen sich zu einem abgerundeten Ganzen und vermitteln dem Coach sowie der Mannschaft das (beruhigende) Gefühl, den Gegner aus dem Effeff zu kennen. Doch Boss, hauptamtlich von der reformierten Landeskirche Aargau als Finanzverwalter angestellt, ist sich bewusst, dass ein, zwei krasse individuelle Fehler des eigenen Teams das gesammelte Wissen ad absurdum führen können. Deshalb bewertet er seine Arbeit sehr zurückhaltend: «Ich bin nur ein ganz kleines Rädchen in diesem Betrieb.»
Rolf Wesbonk