Marietta Slomka: Über Susanne Osthoff ist ja viel berichtet worden, wir wollen gerne mit ihr selbst sprechen. Frau Osthoff, ich grüße Sie. Wie geht es Ihnen?
Susanne Osthoff: Schlecht.
Slomka: Wie haben Sie die letzten drei Wochen erlebt?
Osthoff: Das waren nicht drei Wochen, das war genau ein Monat, vom Freitag, den 25.11., wo ich betonen will, freitags haben alle Banken und öffentlichen Läden - zu Ihrer Information - geschlossen. Nicht dass irgendwelche Journalisten wieder auf Ideen kommen, ich hätte da Gelder transferiert, nur zur Information, dass Sie mal Fakten wissen. Freitag, 25.11., bis den letzten 25.11., das war Samstag, war dann schon Sonntag, 1 Uhr 20 war ich nicht, war ich unter, war ich nicht freier Mensch, ganz einfach.
Und deswegen brauchen Sie jetzt, damit erübrigen sich jetzt die weiteren Fragen, wieso haben Sie sich denn nirgendwo gemeldet? Ich habe eine Liste da, von allem, was mir abgenommen wurde. Wo ich auch nicht ran kann jetzt und das beinhaltet SIM-Karten, die sind nicht mehr da, mein ganzes Gepäck ist nicht mehr da. Wie Sie sich vorstellen können, ist das nicht ganz einfach dann und deswegen: Es geht auch nicht mehr ums Gepäck nach solchen Dingen. Und wie es einem dann geht, denn rein die körperliche Verfassung wird irgendwann absinken, denn dann wird man nicht viel schlafen können, nämlich gar nicht.
Slomka: Mögen Sie uns erzählen, wie das an dem Tag der Entführung abgelaufen ist? Sie waren in einem Auto und plötzlich wurden Sie dort herausgezerrt?
Osthoff: Ich glaube, diese Details sind uninteressant. Das interessiert niemanden, ein Kidnapping läuft mit Gewalteinwirkung ab in der Regel. Die Leute schauen ja viel Fernsehen, die sehen ja vielleicht, dass man nicht freiwillig dann sich schnappen lässt. Da ist eine kurze Gewalteinwirkung, die natürlich so ist, dass man da keine Möglichkeiten mehr hat und wo das stattfindet und so weiter. Das hat alles das BKA aufgenommen, in detaillierter Form, deswegen dauerte das auch ab dem Zeitpunkt, wo ich draußen war, von der selben Minute an bis 25.12., 1 Uhr 30. Und das sind Tatsachen, die nicht nur auf ein kurzes Verbrechen zurückschließen, sondern das geht in die lange Geschichte zurück.
Slomka: Es gab dieses Video, das uns hier in Deutschland auch sehr erschüttert hat, in dem Sie gefesselt waren, mit verbundenen Augen. War das die ganze Zeit über so?
Osthoff: Das Video ist, da haben sich ja schon viele Leute schon Gedanken gemacht, dass dieses Video so eine eine schlechte Qualität hätte. Deswegen, daraus versucht man ja in Terror-Krisenstäben, jemand als Spezialist versuchen daraus was zu analysieren. Das ist leider ganz ne falsche Annahme, wenn man meint, dass die Qualität jetzt leider nicht mehr auf Herrn Abu Mussab Al Sarkawi schließen lässt. Die Lebensqualität ist halt auch schon ein bisserl abgesunken, das dort innerhalb kürzester Zeit vielleicht 30 oder 40 neue Gruppierungen innerhalb von einem Monat auf der Bildfläche erscheinen. Denen ist es egal, ob der Videoclip gerade sauber ist oder nicht. Die wollen nur diese Message rüberbringen und die Message war ja eindeutig und daraus, das ist eben der Fehler der Denkweise der Deutschen, die meinen, der Mussab hat noch Zeit, dann noch sich zu überlegen oder seine Gruppierungen, wie schaut denn das jetzt auch, haben wir auch die Wand noch richtig geweißelt? Das interessiert hier keinen mehr.
Slomka: Die Botschaft ...
Osthoff: Wenn Sie selbst drin sitzen, dann wundern Sie sich nur noch über solche komischen Terror-Experten.
Slomka: Die Botschaften in dem Video, das Sie gerade ansprachen, war, dass man Sie töten würde. Hatten Sie davor Angst, dass die das wahr machen, oder hatten Sie das Gefühl, das ist mehr eine Drohung?
Osthoff: Ich wäre, da hat man gar kein Gefühl mehr, weil man nämlich ständig kurz vor dem Tod steht. Denn ich hab ja schon mal gesagt, dass das ein Verkauf war und unter einem sehr schlechten Vorzeichen, nämlich jüdischer Geheimdienstoffizier. Und normalerweise, wenn es in Arabien keine Gnade gäbe, wäre ich im Kofferraum nach einer Stunde schon eliminiert worden und dann in den Kanal daneben rein geschmissen worden.
Slomka: Ihnen ist es aber gelungen, mit den Geiselnehmern in Kontakt zu treten, also mit ihnen zu reden?
Osthoff: Und alles andere, die wollten dann mit mir reden, denn sie haben ja natürlich mich schon länger beobachtet und wussten, dass ich natürlich nicht so ein Feigling bin, wie manch andere Menschen. Deswegen waren sie verblüfft, weshalb ich denn in Mossul noch arbeite und Sie haben ja selber gesehen, was ich da arbeite.
Slomka: Sie sagten, Sie hätten sie länger ...
Osthoff: Dass ich mich da bereichere, denn ich habe von Deutschland, jetzt erwähne ich das mal schnell, von Deutschland habe ich dafür keine müde Mark dafür bekommen. Es sind 15.000 Euro für ein Kulturprojekt zur Verfügung gestellt worden. Ich hatte knallharte Auflagen, die haben mich unter Druck gesetzt, zwei Mitarbeiter noch, der Herr Erbel, der Botschafter ist davon auszunehmen. Ich wurde noch kurz vorher darauf hingewiesen, dass ich im Januar, wenn ich das Projekt, das Budget geht bis Ende des Jahres 2005. Wenn ich das nicht bis Ende Januar alles ausgegeben ist, also mit jedem Beleg und sie möchten das nicht gehört haben, dass ich davon einen Pfennig nehme, das muss klar sein, das wusste ich natürlich, weil ich brauche das Geld nicht von Deutschland, ich habe selber das Projekt finanziert. Und die 15.000 Euro sind alle abgerechnet, da sind noch nicht mal die Gehälter für den Oberbauaufseher drin. Das haben wir alles selber gezahlt.
Und deswegen muss ich mir das jetzt dann verbieten, dass noch einmal irgendwas von Deutschland erwähnt wird. Deutschland hat damit nichts zu tun. Denn das Geld ist nach wie vor wahrscheinlich auf einer Bank, ich weiß es nicht, und ich frage es auch nicht mehr. Ich verzichte freiwillig. Ich mache das selber und Deutschland hat sich da nicht einzumischen. Ich habe alles selbst, die Verantwortung immer schon übernommen, schon seit vielen Jahren. Da hat keiner nachgefragt, ich bin wochenlang nicht erschienen.
Ich hatte nur, weil ich dringende Gründe hatte, einem menschlichen Mitarbeiter, der Botschaft diesen Zettel gegeben, um im Falle des Falles an meine Tochter ranzukommen und nichts weiter irgendwelchen Firlefanz zu erzählen, ja? Der Mann hat Gott sei Dank als einziger versteht er das, denn er hat selber die Botschaft geschützt, ja? Und nicht nur mit irgendwelchen blöden Texten, sondern mit Taten, da muss ich mal sagen, das war eine Blamage für Deutschland, ganz einfach. Und der Geiz schreit zum Himmel und das tut mir leid, ich habe niemanden beauftragt, den ganzen Wirbel aufzurollen, denn 43 Jahre kennt mich keiner, jetzt plötzlich wollen die irgendwas von mir, ist ein bisschen peinlich.
Der Mitarbeiter in der Botschaft in dem letzten Gespräch hat mich noch darauf aufmerksam gemacht, der zuständige Mensch Kulturreferent, neu eingesetzt, hat mich darauf aufmerksam gemacht. Ich habe alles notiert, jeden Satz, den er gesagt hat. "Frau Osthoff, wir brauchen hier keinen Orientalisten". Ich habe ihm gesagt, wissen Sie was in Mossul so los ist, der Gouverneur hat mir selber noch ein Schreiben gegeben, dass wir (... unverständlich/Anm. der Redaktion) müssen, wegen der Wahlen und der Eskalationen.
Der Mann war keinen Meter draußen, da hatte er Husten, weil der Staub in Bagdad so krass ist, ich war da mit den Nerven schon ziemlich runter, denn ich lass mir das nicht bieten, von solchen Bürokraten (...) machen Sie mal den Fernseher an und schauen Sie mal, ich musste, ich sag Ihnen, ich musste, denn das Projekt wäre sonst, das Geld wäre nicht zum Einsatz gekommen und wir arbeiten nicht 1,5 Jahre, ja 40 Familien, die davon leben wollten, dass das Geld die Leute erreicht.
Ich hab es ja erwirkt, dass wir wenigstens einen Aufschub kriegen, nachdem ich, wie Sie ja wissen, nicht ganz auf den Mund gefallen bin, sonst hätte ich schon längst nicht mehr überlebt, hab ich das erwirkt, das Geld zu erhalten, sonst hätten wir es gleich zurückgegeben.
Slomka: Sie sagten, Sie sind nicht auf den Mund gefallen. War das Ihre Rettung, dass Sie mit den Geiselnehmern auch so viel gesprochen haben? Glauben Sie, dass Sie auch dazu viel selbst beigetragen haben, dass Sie am Ende freigelassen worden?
Osthoff: Sie wissen ja gar nicht, dass ich mit denen gesprochen habe. Schauen Sie mal, ich hab noch keinerlei Details Ihnen gesagt. Sie wissen nicht, ob ich überhaupt sprechen durfte. Ob ich geknebelt war und sonst irgendwas. Ich habe noch eine kleine Plastiktüte dabei, für meine Erinnerungen an diese Tage, ich sag es Ihnen, es gibt dort Einwirkungen, die Sie nicht mehr unter Kontrolle haben.
Da kann ich Ihnen nur eine kleine Plastiktüte zeigen, daraus können Sie vielleicht ein paar Dinge jetzt entnehmen (Anmerkung der Redaktion: Frau Osthoff hält eine Plastiktüte hoch und entnimmt Gegenstände, die nicht zu identifizieren sind). Das sind meine letzten Erinnerungen. Und das waren drei Wochen meine Utensilien, die ich noch hatte. Das heißt, die habe ich mitnehmen dürfen als Erinnerung. So hab ich da, und das können Sie nicht interpretieren. Sie müssen die Vorgabe bedenken, jüdischer Geheimdienstoffiziere, was das bedeutet. Ja und da ist man natürlich teilweise gefesselt, denn die Leute handeln nach Anweisung, ja?
Slomka: Also konnten Sie nicht mit den Entführern sprechen während der drei Wochen?
Osthoff: In der Lage können Sie nicht mehr was sagen vielleicht, Sie haben keine Möglichkeit, Sie müssen auf Anweisung, Sie werden verhört und sie können nicht einfach "Hallo, wie heißt Du denn" sagen. "Bist Du jetzt (unverständlich) . Das ist nicht möglich.