Mit der Ambulanz zum Thun-Match
Verfasst: 21.11.2005, 23:04
Dort, wo diese Menschen leben, gibt es keinen Fernseher. Trotzdem werden diese Leute morgen, wenn der FC Thun gegen Arsenal spielt, vor dem TV sitzen. Aus Swasiland, Afrika, erreicht uns eine einzigartige Geschichte.

Die Fussballer des FC Chaos Limited / zvg
Martin Weber hat schon viel erlebt. Aber diese Geschichte hat den katastrophenerprobten Rotkreuzarzt «fast umgehauen». Es passierte im Kleinstaat Swasiland. Der 57-jährige Berner Arzt war im südlichen Afrika als medizinischer Berater eines Aidstherapie-Projekts des Roten Kreuzes unterwegs. Swasiland weist mit 42 Prozent die weltweit höchste HIV-Infektionsrate aus. Die Lebenserwartung dort beträgt gerade noch 34 Jahre u2013 45 Jahre weniger als in der Schweiz.
Das Treffen im Busch
Martin Weber lernt im Gesundheitszentrum von Sigombeni, einem Dorf in der gebirgigen Provinz von Swasiland, Muzi Dlamini kennen. Auch den 25-jährigen lokalen Rotkreuzhelfer hat es in dieses afrikanische Niemandsland verschlagen. Die Regierung und der im Volk verehrte König Mswati III. beschränken Aidstherapie-Projekte neuerdings nicht mehr auf städtische Zentren, sondern sie gehen mit Aufklärung und medizinischer Versorgung hinaus ins ländliche Swasiland. Rund 80 Prozent der 1,1 Millionen Swasi leben auf dem Land.
«Hopp Thun!»
Im Gesundheitszentrum von Sigombeni diskutieren die Leute über ein Thema besonders angeregt: über die Spiele des FC Thun in der Champions League! «Das muss man sich einmal vorstellen», sagt Martin Weber tief beeindruckt, «in diesem abgelegenen Kaff irgendwo in Afrika, wo die Menschen weder ein Auto noch einen Fernseher haben, fanen die Menschen für den FC Thun.» Wie ist das möglich?
In Sigombeni gibt es einen Fussballklub. Muzi Dlamini, der 25-jährige lokale Rotkreuzhelfer, der so gerne Medizin studieren möchte, spielt dort mit. Er ist Stürmer und Führungsspieler des FC Chaos Limited. Weil es in Sigombeni keinen Fernseher gibt, müssen die Kicker in die Hauptstadt Mbabane fahren, um die Champions-League-Spiele des FC Thun zu sehen. Dank der Satellitenschüssel auf dem Dach des Zentralspitals in Mbabane können die Menschen den südafrikanischen Sportsender Super Sport empfangen. Dieser England-orientierte Sender überträgt alle Spiele der Champions League live. Und weil die Fuss-baller des FC Chaos Limited im gesellschaftlichen Leben zu den Aussenseitern gehören, identifizieren sie sich eben nicht mit den Millionären aus Arsenal, sondern mit dem Underdog aus Thun.
Der FC Thun ist ein Notfall
Die Fussballer leben in weit verstreuten Siedlungen rund um Sigombeni. Um sich vor dem 50 Kilometer langen Fussmarsch in die Hauptstadt zu drücken, lassen sich die fernsehbegeisterten Jungs des FC Chaos Limited am Champions-League-Spieltag jeweils mit der Ambulanz zum Thun-Match transportieren. Sie treffen sich immer im Gesundheitszentrum. Morgen Dienstag, wenn der FC Thun in Bern gegen Arsenal spielt, dürfte es in Sigombeni wieder auffallend viele Notfälle geben.
Der Brief an den FC Thun
Bevor Martin Weber aus Sigombeni abgereist ist, hat ihn Muzi Dlamini um etwas gebeten: «Grüssen Sie Urs Schönenberger von uns und sagen Sie dem Thun-Trainer, dass wir ihm gegen Arsenal die Daumen drücken.» Muzi Dlamini hat Weber auch ein Mannschaftsfoto mitgegeben. Auf der Rückseite steht sinngemäss geschrieben (siehe Faksimilie links):
«Lieber Mister Schönenberger. Wir sind eine Gruppe ehrgeiziger Fussballstars aus Sigombeni. Fussball, dieses Spiel der Grossen (so wie der FC Thun), hilft uns, die drückenden Alltagssorgen zu vergessen. Bitte werft eure gebrauchten Fussballutensilien nicht fort. Schickt uns eure alten Schuhe oder die getragenen Trikots. Wir würden uns darüber freuen. Vielen Dank. FC Chaos Limited, Muzi Dlamini.»
In der Schweiz nimmt Martin Weber mit Urs Schönenberger Kontakt auf. Er zeigt ihm das Foto. Berührt liest Schönenberger die Zeilen. Spontan sagt er: «Wir helfen den Jungs. Ich spendiere ihnen gerne einen Trikotsatz. Das ist eine unglaubliche Geschichte.»
Urs Schönenberger weiss, wie hell die Augen der Jungs des FC Chaos Limited leuchten werden, wenn sie Post aus der Schweiz bekommen. «Ich erinnere mich an unsere Trainingslager mit dem FC Zürich in den 80er-Jahren», sagt Schönenberger. «Wir waren in Simbabwe, Kamerun und Aserbaidschan. Die Freude war jeweils gross, wenn wir die Materialkisten zurückliessen.»
Nachdenklich fügt Schönenberger an: Jetzt haben wir auch in Swasiland Fans. Neulich schickte mir jemand eine Thun-Story, die in einer Zeitung in Singapur erschienen ist. Dank Satelliten-TV sieht man uns überall.»
Morgen auch im Zentralspital von Mbabane, Swasiland.

Die Fussballer des FC Chaos Limited / zvg
Martin Weber hat schon viel erlebt. Aber diese Geschichte hat den katastrophenerprobten Rotkreuzarzt «fast umgehauen». Es passierte im Kleinstaat Swasiland. Der 57-jährige Berner Arzt war im südlichen Afrika als medizinischer Berater eines Aidstherapie-Projekts des Roten Kreuzes unterwegs. Swasiland weist mit 42 Prozent die weltweit höchste HIV-Infektionsrate aus. Die Lebenserwartung dort beträgt gerade noch 34 Jahre u2013 45 Jahre weniger als in der Schweiz.
Das Treffen im Busch
Martin Weber lernt im Gesundheitszentrum von Sigombeni, einem Dorf in der gebirgigen Provinz von Swasiland, Muzi Dlamini kennen. Auch den 25-jährigen lokalen Rotkreuzhelfer hat es in dieses afrikanische Niemandsland verschlagen. Die Regierung und der im Volk verehrte König Mswati III. beschränken Aidstherapie-Projekte neuerdings nicht mehr auf städtische Zentren, sondern sie gehen mit Aufklärung und medizinischer Versorgung hinaus ins ländliche Swasiland. Rund 80 Prozent der 1,1 Millionen Swasi leben auf dem Land.
«Hopp Thun!»
Im Gesundheitszentrum von Sigombeni diskutieren die Leute über ein Thema besonders angeregt: über die Spiele des FC Thun in der Champions League! «Das muss man sich einmal vorstellen», sagt Martin Weber tief beeindruckt, «in diesem abgelegenen Kaff irgendwo in Afrika, wo die Menschen weder ein Auto noch einen Fernseher haben, fanen die Menschen für den FC Thun.» Wie ist das möglich?
In Sigombeni gibt es einen Fussballklub. Muzi Dlamini, der 25-jährige lokale Rotkreuzhelfer, der so gerne Medizin studieren möchte, spielt dort mit. Er ist Stürmer und Führungsspieler des FC Chaos Limited. Weil es in Sigombeni keinen Fernseher gibt, müssen die Kicker in die Hauptstadt Mbabane fahren, um die Champions-League-Spiele des FC Thun zu sehen. Dank der Satellitenschüssel auf dem Dach des Zentralspitals in Mbabane können die Menschen den südafrikanischen Sportsender Super Sport empfangen. Dieser England-orientierte Sender überträgt alle Spiele der Champions League live. Und weil die Fuss-baller des FC Chaos Limited im gesellschaftlichen Leben zu den Aussenseitern gehören, identifizieren sie sich eben nicht mit den Millionären aus Arsenal, sondern mit dem Underdog aus Thun.
Der FC Thun ist ein Notfall
Die Fussballer leben in weit verstreuten Siedlungen rund um Sigombeni. Um sich vor dem 50 Kilometer langen Fussmarsch in die Hauptstadt zu drücken, lassen sich die fernsehbegeisterten Jungs des FC Chaos Limited am Champions-League-Spieltag jeweils mit der Ambulanz zum Thun-Match transportieren. Sie treffen sich immer im Gesundheitszentrum. Morgen Dienstag, wenn der FC Thun in Bern gegen Arsenal spielt, dürfte es in Sigombeni wieder auffallend viele Notfälle geben.
Der Brief an den FC Thun
Bevor Martin Weber aus Sigombeni abgereist ist, hat ihn Muzi Dlamini um etwas gebeten: «Grüssen Sie Urs Schönenberger von uns und sagen Sie dem Thun-Trainer, dass wir ihm gegen Arsenal die Daumen drücken.» Muzi Dlamini hat Weber auch ein Mannschaftsfoto mitgegeben. Auf der Rückseite steht sinngemäss geschrieben (siehe Faksimilie links):
«Lieber Mister Schönenberger. Wir sind eine Gruppe ehrgeiziger Fussballstars aus Sigombeni. Fussball, dieses Spiel der Grossen (so wie der FC Thun), hilft uns, die drückenden Alltagssorgen zu vergessen. Bitte werft eure gebrauchten Fussballutensilien nicht fort. Schickt uns eure alten Schuhe oder die getragenen Trikots. Wir würden uns darüber freuen. Vielen Dank. FC Chaos Limited, Muzi Dlamini.»
In der Schweiz nimmt Martin Weber mit Urs Schönenberger Kontakt auf. Er zeigt ihm das Foto. Berührt liest Schönenberger die Zeilen. Spontan sagt er: «Wir helfen den Jungs. Ich spendiere ihnen gerne einen Trikotsatz. Das ist eine unglaubliche Geschichte.»
Urs Schönenberger weiss, wie hell die Augen der Jungs des FC Chaos Limited leuchten werden, wenn sie Post aus der Schweiz bekommen. «Ich erinnere mich an unsere Trainingslager mit dem FC Zürich in den 80er-Jahren», sagt Schönenberger. «Wir waren in Simbabwe, Kamerun und Aserbaidschan. Die Freude war jeweils gross, wenn wir die Materialkisten zurückliessen.»
Nachdenklich fügt Schönenberger an: Jetzt haben wir auch in Swasiland Fans. Neulich schickte mir jemand eine Thun-Story, die in einer Zeitung in Singapur erschienen ist. Dank Satelliten-TV sieht man uns überall.»
Morgen auch im Zentralspital von Mbabane, Swasiland.