Irakische Terrorgruppe droht Römern mit Angriff
Die Drohungen gegen Papst Benedikt XVI. und den Vatikan werden trotz dessen Erklärungen nach seiner umstrittenen Rede immer schärfer. Die irakische Terrorgruppierung Ansar al-Sunna droht Rom zu attackieren. Türkische Anwälte wollen den Papst vor Gericht bringen.
Kairo - Die kurdisch-irakische Extremistengruppe Ansar al-Sunna drohte wegen der Äußerungen von Papst Benedikt XVI. mit Angriffen einer "islamischen Armee" auf Rom. "Die Mauern Roms werden bald von der Armee der Rechtgläubigen attackiert", hieß es in einer Erklärung im Namen der Gruppe, die im Internet verbreitet wurde. "Außer dem Schwert werden sie von uns nichts sehen", erklärte die sunnitische Gruppe. Den Papst beschimpften die Extremisten als "Vertreter des Teufels".
Die Äußerungen des Papstes zeigten, dass die Christen im Namen des Kreuzes einen Krieg gegen Muslime führten. Angesichts dieser Beleidigungen dürften die Muslime nicht still halten, sondern müssten gegen die "Feldherren der Ungläubigen" ausholen, hieß es weiter in der Erklärung der Gruppe, die vermutlich auch Mitglieder in Deutschland und anderen europäischen Ländern hat.
Auch das Terrornetzwerk al-Qaida hat in Reaktion auf die Papstrede dem Westen einen heiligen Krieg angedroht, bis der Islam die Weltherrschaft erlangt habe. Auf einer Webseite militanter Muslime tauchte eine Erklärung im Namen des Schura-Rats der Mudschaheddin auf, einer Dachorganisation sunnitischer Extremisten im Irak, zu der auch al-Qaida im Irak gehört. Ihre Authentizität konnte zunächst nicht verifiziert werden.
Die Internet-Erklärung nahm Bezug auf die Regensburger Rede von Benedikt XVI. in der vergangenen Woche. Der Papst hatte einen byzantinischen Kaiser aus dem 14. Jahrhundert mit den Worten zitiert, der Prophet Mohammed habe nur Schlechtes und Inhumanes gebracht, weil er den Glauben mit dem Schwert verbreiten lassen wollte.
"Ihr Ungläubigen und Despoten, wir werden unseren Dschihad fortsetzen und niemals aufhören, bis Gott uns hilft, eure Hälse abzuschneiden und das flatternde Banner des Monotheismus weht und Gottes Herrschaft über alle Völker und Nationen errichtet ist", hieß es darin. Der Papst wurde als "Anbeter des Kreuzes" bezeichnet, der mit dem Westen zum Untergang verdammt sei. "Wir werden das Kreuz zerbrechen", hieß es. Nach einem Sieg im Dschihad werde es für die Unterlegenen nur die Möglichkeit geben, zum Islam überzutreten oder "mit dem Schwert getötet zu werden".
Türkischer Verband will Papst verhaften lassen
Obwohl Benedikt inzwischen bedauerte, dass sein Zitat von Muslimen in aller Welt als Beleidigung aufgefasst worden sei und klar stellte, dass es in keiner Weise seine eigenen Gedanken wiedergebe, sind viele Gemüter weiterhin in Wallung. Ein türkischer Anwaltsverband will den Papst gar vor Gericht bringen. Mitglieder des Verbandes Hukuk-Der hätten eine entsprechende Eingabe beim Justizministerium eingereicht, meldete die online-Ausgabe der Zeitung "Hürriyet" unter Berufung auf die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Der Verbandsvorsitzende Fikret Karabekmez, ein ehemaliger islamistischer Parlamentsabgeordneter, beantragte demnach unter anderem die Verhaftung des Papstes bei dessen Türkei-Besuch im November.
Die Äußerungen des Papstes waren in der Türkei auf breite Kritik gestoßen, doch stellte die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan klar, dass sie an der geplanten Papst-Reise festhalten wolle. Karabekmez und der Verband Hukuk-Der argumentieren, dass der Papst mit seiner Rede der Türkei und der türkischen Nation Schaden zugefügt habe. Der Justizminister muss über die Zulassung der Klage entschieden, weshalb der Initiative wenig Chancen eingeräumt werden.
Angesichts der andauernden Empörung in muslimischen Ländern bemüht sich der Vatikan weiter, den Streit zu entschärfen. Der Heilige Stuhl habe seine apostolischen Nuntien (Botschafter) in den islamischen Ländern damit beauftragt, den politischen und religiösen Autoritäten den Inhalt der Rede von Benedikt XVI. genau zu erklären. Das sagte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone der Zeitung "Corriere della Sera". Bisher sei die Rede Joseph Ratzingers manipuliert und ganz anders dargestellt worden, als sie gemeint gewesen sei.
Sicherheitsmaßnahmen im Vatikan verstärkt
Wegen der Drohungen gegen das katholische Kirchenoberhaupt verstärkte die Stadt Rom unterdessen die Sicherheitsmaßnahmen an den wichtigsten Monumenten. Rings um den Petersplatz bildeten sich seit dem Wochenende lange Schlangen, weil alle Besucher und ihre Taschen mit Metalldetektoren kontrolliert werden. Sporadisch müssten Touristen jetzt auch ihre Taschen durchsuchen lassen, bevor sie in den Petersdom eingelassen werden, berichtete die Zeitung "Il Messaggero". Gleichzeitig ist der Luftraum über dem Vatikan und der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo seit gestern für den Flugverkehr gesperrt. Am Wochenende war in Somalia vermutlich im Zusammenhang mit der Papst-Rede von Regensburg eine italienische Nonne erschossen worden.
Der Papst hatte gestern beim Angelusgebet bedauert, dass seine jüngsten Islam-Äußerungen missverstanden worden seien. Er nahm aber keine Aussage zurück. Die Vereinigung der Muslime Chinas nannte die Selbstkritik des Papstes jedoch laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua unzureichend und verlangte, dass Benedikt sich persönlich entschuldigt. Die Islamische Aktionsfront (IAF), Jordaniens stärkste Partei, las aus den jüngsten Äußerungen des Papstes kein Bedauern heraus, sondern eine neue "Beleidigung" der islamischen Religion. Im Irak sowie in Syrien kam es zu Protesten mit einigen hundert Demonstranten. Im irakischen Basra gingen dabei deutsche und amerikanische Fahnen in Flammen auf. Mehrere hundert Schiiten forderten von Benedikt ebenfalls eine "Entschuldigung".
Chamenei sieht Verschwörung
Der oberste Führer Irans, Ajatollah Ali Chamenei, nannte die "empörten Reaktionen" in der muslimischen Welt "verständlich". Die Papst-Äußerungen seien ganz auf der Linie der amerikanischen "Verschwörung" gegen den Islam. In Pakistan rief der Generalsekretär der regierenden Muslim-Liga (PML), Mushahid Hussain, dagegen seine muslimischen Landleute dazu auf, Ruhe zu bewahren und die Worte des Bedauerns anzunehmen.
Der einflussreiche islamische Würdenträger Scheich Jussuf al-Kardawi rief weltweit zu einem "Tag des friedlichen Zorns" auf. Im katarischen Fernsehsender al-Dschasira forderte er von Muslimem, mit Demonstrationen und Sit-ins nach der Freitagspredigt in den Moscheen gewaltlos gegen das katholische Kirchenoberhaupt zu protestieren. Der ägyptischstämmige katarische Geistliche verbot seinen Anhängern, Kirchen anzugreifen.
Die EU-Kommission mahnte in dem Streit Fairness an. Ein Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, die Worte des Papstes dürften nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Zu den Inhalten meinte er: "Es steht der Kommission nicht zu, etwas klarzustellen oder zu interpretieren." Frankreichs Präsident Jacques Chirac rief dazu auf, "alles zu vermeiden, was Spannungen zwischen den Völkern oder zwischen den Religionen belebt". Jeder Vermengung des Islam, der eine respektierte Religion sei, mit dem radikalen Islamismus müsse man aus dem Weg gehen.
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner unterstützte den Papst und erklärte: "Wer meint, der Papst habe den Islam verunglimpfen wollen, hat seine Worte überhaupt nicht verstanden." Es gehe nicht um Gewalt und Islam, sondern grundsätzlich um Gewalt und Religion.
asc/AFP/AP/dpa/Reuters
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