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F: Du warst dann der Outlaw, der durch die Lande zog und trotzdem diese Strukturen bediente.
Das war genau wie jetzt, du hast irgendwo Verträge gemacht und gespielt. Im Prinzip hat der Staat gezahlt, die Leute haben drei Mark zehn bezahlt, und die Gage der Staat. Wie die Schrippensubventionen, das war wirklich einmalig in der Welt. Ich hab' die Band immer als Guerillakommando begriffen. Was ist eine Band? Die ist nicht faßbar. Die taucht mal da auf, dann ist sie wieder am entgegengesetzten Ende des Landes, dann gibt's wieder ein unheilvolles Konzert, und wenn sie in Sachsen verboten war, dann haben wir eben in Thüringen gespielt.
F: Also doch verboten?
Nein. In Berlin-Weißensee zum Beispiel durften wir nicht spielen. Da war so 'ne Kuh bei der Polizei, Erlaubniswesen, die verbot unsere Veranstaltungen immer, dann haben wir eben in Adlershof gespielt. Zwischendurch sind wir in Polen verschwunden, als deutsche Band erstaunlich erfolgreich.
F: Nicht ein Text von euch wurde verboten?
Ich hab' überhaupt nie eine Textkritik bekommen, wir sind einfach begünstigt. Klar hab' ich auch immer gedacht, irgendwas wird jetzt passieren, du wirst rausgeschmissen.
Ich hab' den Staat betrachtet wie eine hysterische Mutter, bei der du nie weißt, was passiert, aber komischerweise immer alles durchsetzt, was du willst. Deshalb ist alles geglückt. Man hat so vorsichtig eine Tür bei Amiga aufgemacht, zum Schluß haben die uns ein ganzes Studio drei Monate gestellt. Ich habe dort Grillpartys gemacht, im teuersten Studio der DDR, mit hundert Mann, ich habe mich dort regelmäßig besoffen, die Fans haben die teuren Neumann-Mikrophone geklaut, dreitausend Mark das Stück, ich hab' drei Monate nur gesungen, wenn ich besoffen war. Drei Monate - das sind jetzt 250 000 Mark, das bietet dir heute keine Firma. Wir waren die erste Punkband, die zu der einzigen professionellen Plattenfirma kam. Und Paul hat denen über Musik einen Vortrag gehalten, dem Produzenten und dem Tonmeister. Er hat ihnen die schlimmsten Garagenplatten vorgespielt, völlig schräge Geschichten, er hat ihnen gesagt, das ist die Musik der Welt. Die haben gesagt, das ist ja unglaublich, daß es so etwas gibt, da wissen wir nicht, was wir machen sollen. Danach akzeptierten die alles. Ich lag besoffen auf der Erde, na und?
F: Die Staatsprofis durften ständig Platten machen, ihr habt wenigstens musikalisch in der Opposition gearbeitet. Wart ihr neidisch?
Ich kenne die alle privat, Toni Krahl von City kenn' ich, seit der sechzehn war. Ich finde viele der DDR-Songs aus diesem Bereich wunderbar. Ich hab' überlegt, ob man nicht 'ne Cover-CD macht mit den besten Titeln, ganz phantastische Hits, die eine ganz eigene Art haben, wo man sagt, das ist DDR. Text und Inhalt gehen mit fast religiöser Kraft über die Grenzen des normalen Lebens hinaus. Da sie den Sozialismus nicht real kritisieren durften und wollten, mußten sie etwas finden, was weit drüber steht, mit phantastischer Wirkung. Im Westen hatten die nur ihre blöden Schlagertexte, ohne diese Dichte, die richtige Power. Das würd' ich mal nebenbei produzieren.
F: Gut laufende Bands haben bis zu zwölftausend Mark für den einzelnen Musiker im Monat eingespielt. Du bist nie reich gewesen.
Wozu? Ich brauchte im Osten zweitausend Mark im Monat, um sehr gut zu leben. Das heißt, die anderen haben zuviel gearbeitet.
So ein Titel wie »Ich weiß nicht, was soll es«, der steht immer über allem, wie alle unsere Lieder. Die sind alle aktuell. »Mix mir einen Drink«, die Sachen haben heute genau dieselbe Relevanz. Mysteriöserweise sind alle Feeling B-Titel völlig modern.
F: Warum schmieren dann jetzt nach zehn Jahren alle diese Bands ab? Sandow haben sich aufgelöst, Herbst in Peking spielen vor zwanzig Leuten, Die Art verkaufen achthundert Platten.
Wenn man jetzt in dieser Welt lebt, muß man in einer Vision leben, einer Vision mit Zukunft, wenn man die nicht besitzt, hat man keine Existenzberechtigung auf der Bühne. Das ist das Problem. Früher war es einfach, sich an den eigenen Haaren an der Regierung aufzuziehen. Ich habe nie dem Staat die Schuld an irgend etwas gegeben. Die Frage ist doch, wo ist die eigene Unvollkommenheit, was ist die Wurzel. Man eilt den Zeiten immer voraus. Wir haben keine anderen Dimensionen erreichen können, das geht auch gar nicht in Berlin. Von hier aus kann man die Welt nicht verändern, abgesehen davon, daß die Welt sich sowieso ändert. Manche Wellen hinterlassen keine Spuren.
Wenn es ein Monopol gibt, gibt es ein Monopol. Früher war das Amiga, jetzt sind es Sony und Bertelsmann. Also gehen wir jetzt zu Sony. Was soll ich bei 'ner anderen Firma? Wenn dein Zeug nicht gespielt wird, hat es keinen Sinn, eine Platte zu machen. Die fragen mich immer, wann kommt die vierte Platte, wir könnten jede Woche eine Platte machen, wenn die aber nicht im Radio kommt, ist das Blödsinn. Früher konnte ich persönlich zu DT 64 gehen, habe zwanzig CDs verteilt - und die Reklamekampagne war perfekt. Das lief dann. Jetzt kannst du Firmen dazwischenklemmen, hundertzwanzigtausend Mark ausgeben, damit die mit der Grundwerbung anfangen, und du läufst immer noch unter »ferner liefen«. Ich muß nicht nach Westfalen gehen, in Mexiko oder Frankreich ist es viel lustiger, was soll ich in Deutschland weiter robben? Die ganze Welt ist die DDR. Und wir nehmen die Welt in den Griff.
F: Übrig bleibt dann nur Schwachsinn wie Die Prinzen und
Rammstein.
Es können ja nur die übrigbleiben, die neu in die Zeit denken. Wir haben beschlossen, Rammstein zu machen, das wurde die erfolgreichste deutsche Band aller Zeiten. Und jetzt machen wir Feeling B, und das wird alles schlagen, was es überhaupt auf dieser Welt gegeben hat. Rammstein haben wir geschickt, das sind heimliche Agenten von uns. Unser erstes Konzert war mit Freygang auf einem Dorf zwischen Berlin und Potsdam, da haben wir drei Lieder gespielt, haben vorher fünf Wodka getrunken, sangen »du wirst den Gipfel nie erreichen«, dann sind wir von der Bühne gefallen. Das letzte eigentliche DDR-Konzert war dann am 9. November in Westberlin, das wurde immer voller. Die haben die Mauer nur aufgemacht, damit wir ausverkauft spielen, das war nett von der DDR.
Quelle:
http://www.jungewelt.de/beilagen/popcom/002.htm
