Usswärtsfahrer hat geschrieben: 11.08.2025, 17:29
Super League: Immer mehr junge ausländische Fussballer kommen in die Schweiz
Fast wie im Kasino – der verrückte Transfermarkt hat Konsequenzen für den Schweizer Fussball
Noch sind viele Super-League-Kader unfertig. Die Vereine setzen bei den Personalplanungen immer stärker auf junge, ausländische Fussballer. Der FC Basel hat dabei Standards gesetzt.
Früher war nicht alles besser. Aber manches einfacher, übersichtlicher, gemächlicher. Wenn Erich Vogel von seinen Zeiten als GC-Sportchef vor bald vierzig Jahren erzählt, hört sich das an wie aus einem anderen Leben. Er hat jeweils schon in der Winterpause gewusst, welche Spieler er im nächsten Sommer verpflichten wird.
Heute sind die Super-League-Kader selbst nach Saisonstart oft ein Flickwerk. Es gibt täglich Transfers, man verliert leicht den Überblick. Der FCZ hat allein in den letzten zwei Wochen sechs Fussballer verpflichtet: einen Kolumbianer, einen Serben, einen Italo-Franzosen, nochmals einen Kolumbianer, einen Senegalesen und schliesslich einen Niederländer, der für das Nationalteam Curaçaos spielt. Die Namen sind austauschbar, der Identifikationsfaktor ist gering.
Schneller, globaler, verrückter. Der Transfermarkt ist ein kompliziertes Konstrukt, in dem die Schweiz eine Sonderrolle einnimmt. Einerseits, weil es kaum eine andere höchste Liga gibt, in der die Saison derart früh beginnt – und andererseits, weil auch die bescheidenen TV-Einnahmen dazu geführt haben, dass die Super-League-Teams in der internationalen Hierarchie ziemlich weit unten sind. «Wir sind stark abhängig von der Entwicklung in den Topligen», sagt der YB-Sportchef Christoph Spycher. «Natürlich wäre es das Wunschszenario, dass wir am ersten Spieltag unsere Kader beisammenhaben. Aber das ist unrealistisch.»
Der beeindruckende Dominoeffekt in der Transferkette
Roger Stilz, der Sportchef des FC St. Gallen, bestätigt, dass der Transfermarkt in diesem Jahr wegen der Klub-WM sogar noch später als sonst begann. Und der Spielerberater Baykal Bellusci sagt, er habe selten einen so schwierigen Start erlebt wie in diesem Jahr. «Und in der Premier League und in der Serie A geht es sowieso immer recht spät los.»
Nun ist aber Rushhour auf dem Mercato. Die Premier-League-Klubs haben bereits rund 2,5 Milliarden Euro für neue Fussballer ausgegeben. Frisches Geld, das nach unten fliesst – und weitere Hunderte Millionen werden in den nächsten Wochen folgen. Auch die Istanbuler Spitzenklubs oder Vereine aus Saudiarabien werfen mit Millionenbeträgen um sich.
Es gibt dieses eindrückliche Beispiel aus dem Jahr 2017, um den Dominoeffekt zu illustrieren: Damals wechselte Neymar von Barcelona zu Paris Saint-Germain (Weltrekord-Ablösesumme: 222 Millionen Euro). Ousmane Dembélé ging von Dortmund zu Barcelona (148 Millionen Euro). Dortmund holte Maximilian Philipp für 20 Millionen Euro vom SC Freiburg, der wiederum Yoric Ravet von YB für rund 5 Millionen Euro verpflichtete. Und die Young Boys bezahlten 2,5 Millionen Euro für Nicolas Ngamaleu an den österreichischen Verein Altach, der Michael Cheukoua aus Kamerun für knapp 200 000 Euro kaufte.
Die Super League geniesst einen respektablen Ruf
Die Schweizer Vereine versuchen durchaus kreativ, ein kleines Stück vom Kuchen abzubekommen. Die Super League hat sich einen respektablen Ruf erarbeitet als «Landing-League», wie sie Roger Stilz nennt, sie ist ein ordentliches Schaufenster für den ersten Schritt im Profifussball. Im Moment werden gerne bestens ausgebildete Spieler aus Frankreich und Italien verpflichtet.
Die gelungenen, leihweisen Transfers von Federico Dimarco (Sitten), Sebastiano Esposito (Basel), Mattia Zanotti (St. Gallen) und Aleksandar Stankovic (Luzern) in den letzten Jahren, alle von Inter Mailand, dienen als Vorbild. «Es gibt viele Talente, die bei ihren Klubs nicht nach oben kommen und einen Umweg über die Schweiz nehmen», sagt Stilz. Auch der FC St. Gallen hat sich erneut im Nachwuchs von Inter bedient und den Aussenbahnspieler Enoch Owusu aus der U 20 geholt. Und der FC Basel flirtet mit dem 22-jährigen argentinischen Verteidiger Tomás Palacios, der fast zwei Meter gross ist, bei Inter jedoch keine Chance auf Einsätze hat.
Und damit zum FCB, der sich unter dem Präsidenten und Mitbesitzer David Degen in letzter Zeit auch auf dem Transfermarkt als Meister erwiesen hat. Noch vor zwei Jahren stand Degen im Verdacht, ein Gambler zu sein, der sich verzockt mit seinen Transfers. Der YB-Sportchef und Mitbesitzer Christoph Spycher wurde derweil gelobt für seine seriöse Transferpolitik.
Die vielen Klauseln in den Verträgen
Heute ist es umgekehrt. Spycher steht in Bern unter Druck, die Transferpolitik wirkt zögerlich und mutlos, während der FCB in den letzten 24 Monaten knapp 150 Millionen Franken durch Spielerverkäufe eingenommen hat. Leon Avdullahu, Thierno Barry, Renato Veiga, Zeki Amdouni, Andy Diouf und viele andere stehen dafür. Manche blieben gar kurz in Basel. Die Super League als Durchlauferhitzer und Trampolin.
Nicht einmal eingerechnet sind dabei die Basler Erlöse aus Beteiligungsgeschäften wie kürzlich bei Dan Ndoye, als der FCB am 40-Millionen-Wechsel des Schweizer Nationalspielers von Bologna zu Nottingham mit 15 Prozent und damit 6 Millionen Euro partizipierte.
Auch das ist eine Modeerscheinung – nicht nur in der Super League: Vereinbarungen aller Art, phantasievoll verklausuliert bis zur Absurdität, je nach Markt, Land, Zeitpunkt, mit Unterpunkten und Nebenaspekten, Boni für Erfolge, Tore, Einsätze, Auszeichnungen. Der Berater Baykal sagt, diese Vertragspunkte seien sinnvoll für alle Parteien. Leistung wird belohnt.
Etabliert hat sich ein günstiges oder sogar kostenloses Leihgeschäft mit Kaufoption. Oft sichern sich die abgebenden Klubs gleichzeitig die Möglichkeit, diese Kaufoption wieder abzukaufen – und selbstverständlich eine Beteiligung am nächsten Verkauf in der Höhe von 10, 20, 40 Prozent.
Dieses Trading hat David Degen perfektioniert. In der Liga gibt es viele Nachahmer, etwa den FCZ und GC, wobei den Zürcher Klubs deutlich weniger Geld zur Verfügung steht als dem FCB. Die Grasshoppers holten jüngst einige italienische Talente, mit Matteo Mantini aus der U 18 ist auch ein Spieler von Inter dabei.
Der Deal des FC Luzern mit Aleksandar Stankovic
Vom Partnerklub Bayern München hat GC zwei sehr begabte Fussballer ausleihen dürfen. Jonathan Asp Jensen und Lovro Zvonarek sollen Spielpraxis sammeln und damit den Marktwert steigern. Im Kader der Münchner stehen noch einige interessante Nachwuchsspieler, die kurzfristig bei GC parkiert werden könnten.
Ablösesummen hat der Grasshopper-Club in diesem Sommer keine bezahlt. Sowieso ist ausser dem FC Basel und YB kein Verein in der Liga bereit, viel Geld auszugeben. Matteo Di Giusto soll beim Wechsel von Winterthur zu Luzern immerhin etwas mehr als eine halbe Million Franken gekostet haben. Man hätte ihn sich auch bei GC oder dem FCZ vorstellen können.
Der FC Luzern war in der Lage zu diesem Transfer, weil er bei einem Deal mit Inter ein gutes Geschäft gemacht hatte. Der Serbe Stankovic wurde vor einem Jahr ausgeliehen – und nach einer starken Saison zog der FCL die vereinbarte Kaufoption von 1,6 Millionen Euro. Inter machte von der ebenfalls fixierten Rückkaufoption Gebrauch, verpflichtete Stankovic umgehend erneut für 3,2 Millionen Euro und verkaufte den 20-Jährigen schliesslich für knapp 10 Millionen Euro zu Club Brügge. Win-win-win. In Brügge ist Stankovic erneut Nachfolger von Ardon Jashari, der für 39 Millionen Euro zu Milan wechselt – und vor einem Jahr für 6 Millionen Euro von Luzern geholt worden war.
So hängt vieles zusammen. Und einsatzfreudige, gut vernetzte Marktkenner wie Degen sind die Profiteure des Kasino-Kapitalismus. Der FCB spielt in einer eigenen Liga, bereits stehen wieder einige Fussballer wie der zu Saisonbeginn überragende Mittelfeldspieler Metinho oder der linke Flügel Philip Otele im Kader, die einen Millionengewinn abwerfen dürften.
Eine Wette auf die Entwicklung der Talente
Den Young Boys fehlte bisher der Mut, auch einmal 6, 7 Millionen Franken hinzulegen. Und der FC Zürich muss nach wirtschaftlich desaströsen Jahren sparen – verbunden mit der Hoffnung, dank gutem Netzwerk irgendwo ein Juwel zu finden. Es ist eine Wette auf die Entwicklung der Spieler.
Vor ein paar Tagen investierte der FCZ laut Insidern aus Italien sogar etwas mehr als eine Million Franken in einen langjährigen Nachwuchsnationalspieler aus den Niederlanden, dem viel Potenzial attestiert wird. Der 21-jährige Livano Comenencia – heute Nationalspieler von Curaçao – aus dem Nachwuchs von Juventus ist ein Wunschspieler des FCZ-Trainers und seines Landsmannes Mitchell van der Gaag.
Bemerkenswert ist, dass junge Super-League-Fussballer mit interessanten Profilen wie Luganos Zanotti und Hajdari, St. Gallens Willem Geubbels oder der YB-Rechtsverteidiger Zachary Athekame für 6, 8, sogar 10 Millionen Franken ins Ausland wechseln könnten. Die Preise steigen. Und es wird in den nächsten Wochen noch jede Menge Transfers geben; bei den Young Boys liebäugelten gleich dreizehn Spieler mit einem Abgang.
Nicht immer gehen Phantasien auf. Doch schon in der Winterpause können Fehlplanungen korrigiert werden – wie es YB und der FCZ im letzten Januar taten. Aber nicht wie damals Erich Vogel im Hinblick auf den nächsten Sommer.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»