Xhakabrothers hat geschrieben:Kann jemand bitte den neuseten baz+artikel(steffen)hier rein kopieren?viele dank
Ein Spieler, der die Basler beschäftigt
Hätte Renato Steffen am Sonntag anders jubeln sollen – oder eben nicht?
Von Oliver Gut und Marcel Rohr
Basel. Gewartet darauf haben die Fans des FC Basel am Sonntag wohl so ziemlich alle. Jeder wollte Renato Steffen erstmals in Rotblau auf dem Rasen des St.-Jakob-Parks im Einsatz sehen. Die einen, weil sie ganz einfach darauf gespannt waren, was der Schweizer Nationalspieler auf dem Flügel gegen den FC Luzern bewirken kann. Andere, weil sie bei seiner Einwechslung Gelegenheit erhielten, ihren Unmut über die Verpflichtung des jungen Mannes mit der zuweilen aneckenden Spielweise kundzutun. Und wieder andere, die einfach darauf gespannt waren, in welcher Qualität und Quantität diese Unmutsbekundungen ausfallen würden.
Ja, es gab Pfiffe gegen Steffen aus der Muttenzer Kurve, obwohl deren Mehrheit vor dem Spiel dazu aufgerufen hatte, dies zu unterlassen. Sehr gut hörbare bei der Verlesung des Matchblatts vor dem Anpfiff. Schnell absterbende bei der Einwechslung, was wohl auch daran gelegen haben dürfe, dass gleichzeitig mit Matias Delgado der Captain und Matchwinner das Spielfeld verliess. Und plötzliche, wütende, nachdem der stark auftrumpfende Angreifer in der 84. Minute einen Konter perfekt abgeschlossen, es im Rausch des Jubels aber nicht unterlassen hatte, sich vor der Muttenzer Kurve die Hand hinters Ohr zu halten, was die Hardcore-Anhänger wenig überraschend als Provokation verstanden und reagierten.
Nach dem Abpfiff meinte der Spieler zur Jubelgeste, er habe damit nicht provozieren, sondern einfach mit den Fans sein Tor feiern wollen (vgl. BaZ von gestern). Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, ob Renato Steffen nicht besser beraten gewesen wäre, sich für andere Verrenkungen zu entscheiden, um seiner Freude Ausdruck zu verleihen. Fest steht: In jenem Moment, der eigentlich ein erster starker Schritt auf jene Kreise zu war, die ihn kühl bis ablehnend empfingen, zog der Umstrittene dadurch eine zusätzliche Portion Zorn auf sich, welche ihm in Sachen Annäherung wieder einen Teilabzug brachten.
Der normale Reflex darauf: Steffens Geste war ein Fehler. Und doch gingen die Meinungen auf der BaZ am Tag danach auseinander. Pro und Contra zu einem Spieler, der die Menschen in Basel beschäftigt.
War die Jubelgeste von Renato Steffen nach seinem Tor falsch?
Ja: Nichts dazugelernt
Von Marcel Rohr
Ich bin ein glühender Verehrer von Typen. Spielern, an denen sich die breite Masse reiben kann. Persönlichkeiten, die eine klare Meinung haben. Die in der Kabine oder auf dem Platz ein Zeichen setzen, wenn es nicht läuft. Die man liebt oder hasst. Die man im Stadion sehen will. Gerade in Zeiten der «Corporate Communication», wo in den Clubs Heerscharen von Kommunikationsprofis immer schärfer darauf achten, dass kein falsches Wort über die Lippen rutscht, ist der Fussballer Marke «Typ» eine aussterbende Spezies.
Renato Steffen hat das Zeug zum Spektakelspieler. Renato Steffen kann ein Typ in diesem rotblauen Ensemble werden. Aber am Sonntag hat der Aargauer das Klischee jenes Fussballers bedient, der nicht in der Lage ist, über die Cornerflagge hinauszudenken. Sein Luca-Toni-Gedenk-Ohrgreifer nach seinem sehenswerten Tor zum 3:0 war falsch, kreuzfalsch sogar.
Renato Steffen muss doch gewusst haben, wie sehr er in dieser Partie in den Fokus rücken wird. Selbst wenn er keine Zeitungen liest, kein Radio hört und keinen Fernseher zu Hause hat: Er war der Schweizer Königtransfer dieses Winters, das sollte er mitbekommen haben. Und von einem 24-jährigen Fussballprofi muss man erwarten können, dass er die emotionale Sprengkraft in einem Wettkampf richtig einordnen kann.
Wenn ich bei meiner Namensnennung vor dem Anpfiff sogar vom eigenen Anhang ausgepfiffen werde, dann giesse ich den Rest des Nachmittags kein zusätzliches Öl ins Feuer. Schnurzegal, ob ich auf der Bank sitze, einen Teileinsatz habe, ein, zwei oder fünf Tore schiesse, ob der Gegner mich provoziert oder die Kurve mich verhöhnt. Der Flügelstürmer hätte einen Ententanz an der Eckfahne anzetteln können, eine Polonaise hinter dem Tor, sogar ein schlichter Purzelbaum wäre besser gewesen. Er hätte bewiesen, dass er in den letzten Wochen dazugelernt hätte, dass er das Publikum in Basel und speziell die Muttenzer Kurve von Grund auf respektiert.
Wenn Steffen hinterher treuherzig beteuert, sein Handgriff Richtung Ohr sei keine Provokation gewesen, zeugt das zwar von einer berührenden Ehrlichkeit, macht die Sache aber keinen Deut besser. Wer seine Geste positiv wertet und Angst hat, der Spieler könnte hinterher unter einer akuten Charakterverbiegung-Arthrose leiden, sollte er nicht so jubeln dürfen, wie er im Kern ist: Der hat schlicht zu simple Ansprüche an die Kicker, die ja selbst immer als erwachsen oder zumindest als professionell wahrgenommen werden wollen.
Steffen war es am Sonntag definitiv nicht.
Nein: Es gibt nur echt – oder nicht
Von Oliver Gut
Renato Steffen hat am Sonntag alles richtig gemacht. Er hat in den ersten knapp 20 Pflichtspiel-Minuten als Profi des FC Basel eine starke Leistung gezeigt. Und er ist sich selbst dabei treu geblieben – mit dem Ergebnis, dass er beim Jubeln einen Teil der Fans provozierte.
Egal, ob gewollt oder nur unüberlegt: Ähnlich wie die überflüssige Gelbe Karte, die er sich beim Stand von 3:0 in der 91. Minute einhandelte, sagt die Jubelszene einiges über den Fussball-Charakter von Renato Steffen aus.
Diesen nun so zu deuten, dass der Aargauer nicht viel mehr als ein Rotzlöffel mit Raketen an den Füssen ist, fällt vielen leicht. Gerade im Hinblick auf seine nicht unproblematische Vergangenheit mit dem FCB, als er diesem noch nicht angehörte. In erster Linie sind beide Aktionen jedoch vor allem dies: Ausdruck von Leidenschaft und einer gehörigen Portion Furchtlosigkeit eines Kickers, der von Anfang bis Ende Vollgas gibt und dabei nicht darüber nachdenkt, wie was wo ankommt.
Das wirkt nicht immer sympathisch. Aber echt. Selbst dann, wenn sich Renato Steffen einmal fallen lässt, weil ihm ein Gegenspieler übers Gesicht streichelt, entspricht dieses Schauspiel ganz seinem fussballerischen Naturell.
Das Paradoxon: Jene, die sich am stärksten gegen Steffen sträuben, sind nicht selten jene, die beim FCB nach dem Rücktritt von Marco Streller Typen im rotblauen Trikot vermissen. Eine Debatte, die auch in der Muttenzer Kurve geführt wird – also dort, wo der Grossteil der Pfiffe herkam. Und egal, wie man diese findet: Steffen fehlende Ecken und Kanten zu attestieren, wäre ziemlich verwegen. Viel eher scheint er ein richtiger Typ zu sein.
Wahrscheinlich, dass sich Renato Steffen nach den jüngsten Eindrücken und unter dem Einfluss des Arbeitgebers anpasst. Geschieht dies, dann drosselt er sich, sagt er im Zweifelsfall lieber wenig bis nichts als zu viel. Und wird er trotz seinem untypischen Werdegang bestenfalls ein typischer Fussball-Profi mit überdurchschnittlichem Unterhaltungswert werden.
Bringt er seine Leistung, werden ihn die einen mögen, andere weniger – und alle werden ihn respektieren. Mehr nicht. Denn echt kann man nur zu 100 Prozent sein. Wer nur überwiegend echt ist, der ist es bereits nicht mehr.
Bliebe es jedoch bei «Steffen pur», dann entscheidet sich der Spieler für den längeren, beschwerlicheren Weg. Nur: Wenn er dabei so kickt wie gesehen, dann könnte der steinige Pfad zu höheren Gipfeln führen. Und sich Renato Steffen schliesslich dort wiederfinden, wo es derzeit kaum denkbar scheint: direkt in den Herzen der Basler Fussballfans nämlich.