Vorausgeschickt: Vielen Dank für die inhaltliche Auseinandersetzung. Dieser können/wollen sich heute viele nicht mehr stellen. Offenbar habe ich dich in der Tat falsch verstanden - und vice versa.
Nochmal, es hat
nichts verharmlosendes, wenn man Nazis als solche bezeichnet. Verharmlosung betreibt man dann, wenn man undifferenziert Protestwähler, Konservative, Rechte, Rechtsextreme und bekennende Nazis in einen Topf schmeisst, kräftig schüttelt, und dann allen den Stempel "Nazi" aufdrückt.
Ich habe übrigens sehr wohl registriert, dass du das explizit nicht tun möchtest. Gleichwohl habe ich den zitierten Abschnitt semantisch genau so verstanden. Das, weil du den Abschnitt eingeleitet hast mit; "eine Partei und deren Vertreter:innen, die per se...", und dann bis zu den NSU-Morden, deren Verbindung zur 6 Jahre später gegründeten AfD doch ziemlich gesucht ist, hocheskaliert hast.
Feanor hat geschrieben: 15.09.2024, 01:28
Ich schreibe auch nicht, dass die AfD die NSU-Morde verübt habe, oder? Ich schrieb von den "glühendsten Anhänger:innen" dieser Ideologie. Ist das falsch? Ich frage mich wirklich, wie/warum du das falsch verstehen konntest. Du schiebst ja den rhetorischen Nachschub mit ein, dass du mich falsch verstanden haben könntest... Na ja.
Die glühendsten Anhänger welcher Ideologie, der Nazi-Ideologie oder der AfD-Ideologie? Ersteres ganz klar ja, letzteres ist definitiv falsch; das ist genau die Verallgemeinerung gegen die ich mich gewehrt hatte. Und bei aller berechtigten AfD-Kritik: Das ist
nicht AfD -Ideologie. Mit der Einleitung des Absatzes deutest du aber wie gesagt auf diese Interpretation.
Feanor hat geschrieben: 15.09.2024, 01:28
Mir gings um die Frage, ob die Kritik an der Nazi-Keule nicht auch als Keule verwendet wird/werden kann. Dass man dadurch Verharmlosung der AfD und deren Wähler:innen betreibt.
Du gibst ja selber zu: diese Attribute, die ich erwähnt habe, sind alle zu finden. Unbestreitbar. Ich bin daher nicht ganz sicher, was deine Aussage ist. Geht es dir darum, zu sagen, dass nicht "alle" Nazis sind (was ich ja auch sage), oder geht es dir generell darum, zu sagen, dass man nicht von "Nazi" im Allgemeinen sprechen kann. Dann meine Frage an dich: meinst du das generell so? Oder ab welchem Stadium darf man deiner Meinung nach jemanden als Nazi bezeichnen?
Meine Nachfrage - zur Sicherheit - ist nicht als Kritik oder versteckter Diss zu verstehen, sondern zur Klärung, ob es dir um die Semantik geht oder um das In-Schutz-Nehmen von AfD-Wähler:innen, die du (nachvollziehbar) nicht alle im gleichen Topf geworfen haben möchtest.
Da die Frage immer noch offen steht, wir in obiger Diskussion aber offenbar aneinander vorbeireden, versuche ich mein Argument aus einem anderen Winkel zu erläutern. Persönliche Andekdote:
Ich habe gute Freunde in Sachsen. Die ganze Familie langjährige CDU oder FDP Wähler, in letzterem Fall sogar (bis vor Kurzem) Parteimitglieder und in der örtlichen Partei engagiert. In dieser Sachsenwahl haben alle blau gewählt. Die FDPler haben mit ihrer Partei komplett abgeschlossen, weil sie auf Bundesebene eine Links-Grün-dominierte Politik ermöglicht, und statt konsequenterweise einfach die Koalition platzen zu lassen, beschränkt sie sich auf Sabotage, was die schlechteste aller Möglichkeiten ist. Die CDUler wählten blau, weil das durch und durch konservative Menschen sind, die vom Politikwandel unter Merkel vor den Kopf gestossen wurden. Und die "Re-Konservativierung" der CDU in letzter Zeit wird ihr einfach nicht geglaubt, weil sie aus ihrer Sicht nicht aufgrund von innerer Überzeugung, sondern rein auf Druck der AfD zustande gekommen ist.
Ich kenne diese Leute gut. Würde für jeden die Hand ins Feuer legen, dass sie in keinster Form einer Nazi-Ideologie anhängen. Und dennoch erzählten sie mir, dass man sie wegen ihrer Wahlentscheidung schon mehrfach als Nazi bezeichnet hätte. Und dann ist der Satz gefallen (und zwar wörtlich): "Aber das ist mir mittlerweile egal, heutzutage ist man ja schnell mal ein Nazi".
Das ist der Punkt! Wenn man permanent Leute als Nazis bezeichnet, die keine Nazis sind, dann
geht irgendwann die Bedeutung des Begriffs verloren. Je undifferenzierter die Nazi-Keule geschwungen wird, desto weniger weniger sagt sie aus. Falls es die Strategie der AfD Gegner war, mit der Nazi-Keule die AfD für Konservative und Protestwähler unwählbar zu machen, dann ist das offensichtlich krachend gescheitert. Das einzige was damit erreicht wurde, ist, dass der Nazi-Begriff inhaltlich immer weiter entkernt wurde. Und die Tragik darin liegt, bzw. das verharmlosende Element ist, dass es deshalb auch im Umkehrschluss immer weniger bedeutet, wenn man Höcke - einen echten Nazi - Nazi nennt.
Unsere Diskussion ist exemplarisch Zeuge davon. Dank der stetigen Ausweitung des Begriffs diskutieren heute, ab wann jemand ein Nazi ist. Vor nicht allzu langer Zeit wäre das völlig klar gewesen, trennscharf und eindeutig.