Aus dem Verwaltungsgericht
http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/r ... 82262.html
Rayonverbot ist Prävention und keine Strafmassnahme
Unschuldsvermutung gilt nicht
Das Rayonverbot gegen Hooligans ist keine strafrechtliche, sondern eine verwaltungsrechtliche Massnahme und dient der Prävention. Ein betroffener Fussballfan kann sich deshalb nicht auf die Unschuldsvermutung berufen. Verhältnismässig muss die Anordnung jedoch sein.
brh. Zürcher Gerichte müssen sich in schöner Regelmässigkeit mit Sportfans befassen, die mit ihrem unsportlichen, pöbelhaften Benehmen andere gefährden und verletzen oder Sachschäden verursachen, was strafrechtlich geahndet wird. Kommt es zu einem Prozess, so erwähnt der Strafrichter im Laufe der Verhandlung fast immer ein Rayonverbot. Dieses jedoch stellt keine strafrechtliche Massnahme dar und wird deshalb auch nicht vom Strafrichter verhängt, was das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich in einem jüngsten Entscheid in aller Deutlichkeit klarstellt. Es weist einen betroffenen Hooligan darauf hin, er könne sich nicht auf die Unschuldsvermutung berufen (die unter anderem durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert wird), da diese nur für strafrechtliche Verfahren gelte und nicht für verwaltungsrechtliche. Unter Letztere aber werden Rayonverbote subsumiert, was auch der Auffassung des Bundesgerichts entspreche.
Steine und Glasflaschen geworfen
Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde eines FCB-Fans behandelt, der im April letzten Jahres ein Auswärtsspiel seiner Lieblingsmannschaft gegen den FCZ mitverfolgt hatte und anschliessend Zürcher Fans attackiert haben soll, was er bestreitet. Das Verwaltungsgericht zitiert die Zürcher Stadtpolizei wie folgt: Der Mann habe sich an vorderster Front eines Haufens von zirka siebzig gewaltbereiten Basler Fans aufgehalten, sich mit schwarzen Fausthandschuhen bekleidet, sei in zwei Angriffen auf die Zürcher Fans losgegangen, habe beim Bahnhof Altstetten Polizisten mit Steinen und Glasflaschen beworfen und sich vermummt. Diese polizeilichen Angaben, die mit Bildmaterial belegt werden, und die entsprechenden Anzeigen (unter anderem wegen Landfriedensbruchs) genügten für die Verhängung eines Rayonverbots, falls sie glaubwürdig seien, was im konkreten Fall bejaht wird. Das einschlägige Bundesrecht verlangt keinen förmlichen, strafprozessualen Beweis oder gar eine Verurteilung.
Unverhältnismässiges Verbot
In seinem Entscheid, der am Freitag im Internet veröffentlicht wurde, erinnert das Verwaltungsgericht daran, dass mit dem Rayonverbot nicht etwa eine Person für ein vorgängiges Verhalten bestraft werden soll, sondern die öffentliche Sicherheit geschützt wird. Das sei das Anliegen des Bundesgesetzgebers gewesen, als er die neuen Regelungen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen erlassen habe u2013 und zwar eben als verwaltungsrechtliche Massnahmen. Der betroffene Basler erreichte mit seinem Gang vor Verwaltungsgericht dennoch einen Teilsieg, weil nämlich das von der Polizei ausgesprochene und von der Haftrichterin bestätigte Rayonverbot unverhältnismässig sei. Dem Fussballfan war für die Zeit vom 12. November 2007 bis am 11. November 2008 das Betreten von fünf Zürcher Rayons verboten worden, sechs Stunden vor und sechs Stunden nach sämtlichen Fussball- und Eishockeyspielen. Dieses Verbot schränke das verfassungsmässige Recht auf Bewegungsfreiheit zu sehr ein, befand das Verwaltungsgericht. Es diktiert in seinem Urteil ein neues Rayonverbot, das die Eishockeyspiele ausschliesst, die Fussballspiele auf jene der obersten Liga und auf Länderspiele beschränkt sowie nur noch drei Rayons benennt. In der Umgebung des Bahnhofs Altstetten, des Hauptbahnhofs und des Letzigrundstadions darf sich der Fan sechs Stunden vor und sechs Stunden nach den grossen Fussballspielen also bis am 11. November weiterhin nicht blicken lassen.
Abgewiesen wurden hingegen seine Rügen, die Haftrichterin sei für die Beurteilung des Rayonverbots erstens nicht zuständig gewesen und habe zweitens auf keine genügende Rechtsgrundlage zurückgreifen können.- Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig.
***
Eine Umschreibung, weshalb der "Trick" Verwaltungsmassnahme nicht funktioniert, ist in der Vernehmlassungsantwort im vorhergehenden Post zu finden.
Die EMRK liegt nicht auf Deutsch vor, aber auf Englisch und Französisch. Gewisse Bestimmungen der EMRK sind nicht anwendbar, sofern ein "acte de gouvernement" betroffen ist. Es ist aber zu einfach und entspricht nicht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dies in straf- und verwaltungsrechtliche Zwangsmassnahmen nach nationalem Gesetz zu interpretieren. Auf diese Weise könnte jede Bestimmung der EMRK umgangen werden, indem einfach Verwaltungsmassnahmen statt Strafmassnahmen eingeführt würden.
Amtliches Handeln zum Schutz der Polizeigüter wurde vom Bundesgericht im Fall der Einziehung von Propagandamaterial der PKK explizit als nicht "acte de gouvernement" qualifiziert, obwohl im entsprechenden Gesetz alles verwaltungsrechlich geregelt war (BGE 125 II 417).
Die Bewegungsfreiteit ist im 4. Zusatzprotokoll zur EMRK, welches von der Schweiz ratifiziert wurde, garantiert, d. h. relevante Bestimmungen der EMRK sind auch auf eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit anwendbar.