BaZ, 30.9.05
Zwischen rätseln und reagieren
DER EHC BASEL SPIELT BISLANG GUTES EISHOCKEY - DOCH DIE ZUSCHAUER BLEIBEN FERN
OLIVER GUT
Wo sind sie denn? Der EHC freut sich über den guten Start, doch nur wenige Zuschauer freuen sich mit. Foto Siegert
Wenn der EHC heute den publikumsträchtigen SC Bern empfängt (19.45 Uhr,St.-Jakob-Arena), wird es die Ausnahme sein, welche die Regel bestätigt: Das Basler Interesse am lokalen Eishockey-Club ist gering. Bislang besuchten nur durchschnittlich 2562 Zuschauer die Heimspiele. Die Gründe für das Fernbleiben sind vielschichtig, reichen von fehlender Tradition über PR-Versäumnisse bis zu den Preisen.
«Die Zuschauer? Kein Thema, es kommt ja niemand.» Michael Geiger lacht, während er diese Worte sagt. Es ist der Galgenhumor, in dem sich der Verwaltungsratspräsident der EHC Basel AG übt, wenn er auf die Besucherzahlen in der St.-Jakob-Arena angesprochen wird. Denn es ist alles andere als lustig, wenn man beim Aufsteiger die Eintritte zählt. Entsprechend schnell wird Geiger ernst: «Sehe ich die Zahlen, bin ich konsterniert.»
Mit 4000 Zuschauern hat der EHC pro Partie gerechnet. Dass dies ambitioniert war, wusste man. Doch nach vier Heimspielen resultiert ein Schnitt, der für alle eine herbe Enttäuschung ist: 2562 Menschen verloren sich pro Match in der Halle. Und obwohl der Aufsteiger gute Leistungen bot, sank die Besucherzahl kontinuierlich von zuerst 2864 (Fribourg) auf zuletzt 2024 (Rapperswil). Bessert sich dies nicht merklich, wird der EHC zu drastischen Sparmassnahmen gezwungen: Selbst ein Schnitt von 3500 Zuschauern würde zum Saisonende ein Loch von 300000 Franken ins 7,5-Millionen-Budget reissen.
«Wüssten wir, warum es so ist, würden wir es sofort ändern», sagt Geiger, der keinen klaren Grund für den Zuschauermangel findet. Nicht, dass der EHC nur im Dunkeln tappt. Doch wer eine Erklärung sucht, stellt schnell fest, dass die Problematik äusserst vielschichtig ist. Es gibt kein Wundermittel, das aus dem lahmen Gaul plötzlich den Goldesel macht.
Das Hauptproblem ist bekannt. Eishockey hält in Basel seit Jahrzehnten Dornröschen-Schlaf. Es fehlen Generationen von Baslern, die sich mit der Wintersportart und deren lokalem Vertreter identifizieren. Der EHC ist in dieser Stadt kein Thema. Im Frühjahr schien sich dies während der Ligaqualifikationsserie gegen Lausanne zu ändern. Die Halle war zweimal gut gefüllt und einmal ausverkauft. Doch war dies mehr erste, zarte Berührung durch den Prinzen denn leidenschaftlicher Kuss - Dornröschen schlummert weiter.
Eigene Fehler. Tradition ist eine Frage der Zeit und Beharrlichkeit. Doch die EHC-Verantwortlichen liessen sich von der Lausanne-Serie blenden: «Wir haben den Schwung überschätzt», gesteht Geiger. Was in der Folge dazu führte, dass zu wenig unternommen wurde, um Werbung zu betreiben. Der EHC verpasste es, dort an den potenziellen Besucher zu gelangen, wo dieser nicht ausweichen konnte: Mitten in der Stadt, auf der Strasse, an Festen. Bestes Beispiel war das St.-Jakobsfest beim ersten Heimspiel: Keine Beiz, kein Stand - nichts. Viele Festbesucher wussten nicht einmal, dass wenige Meter daneben NLA-Eishockey stattfand.
Ein anderes Problem sind die Preise: Mit 20 Franken für den Steh- und bis zu 40 Franken für den Sitzplatz bewegt sich der EHC im Vergleich mit anderen A-Clubs zwar im tiefsten Drittel. Trotzdem gibt es viele, die das als zu teuer empfinden. Der Basler vergleicht mit dem FCB. Wer diesen besucht, zahlt gleichviel, sieht aber den besten Fussball-Club der Schweiz. Dies, gepaart mit der Eigenheit, sich nur anzusehen, was erstklassig (FCB, Swiss Indoors) oder gratis ist, lässt nur zögerlich zum Portemonnaie greifen, wenn es ums Eishockey geht. Zumal es sich gerade Familien trotz «Family Corner» oft kaum leisten können, mit den Kleinen auch noch in die St.-Jakob-Arena zu gehen.
Massnahmen. Der EHC hält an den Preisen fest. Daran jetzt etwas zu ändern, würde wohl Abonnements-Inhaber verärgern. «Aber wir müssen etwas unternehmen, um Junge anzulocken», sagt Ueli Schwarz. Der Sportdirektor kann sich vorstellen, Schulklassen einzuladen oder seine Profis in die Schulen zu schicken, um Werbung zu betreiben. Weitere Massnahmen werden besprochen: So sollen neue Plakate gedruckt und die besten Standorte ausgelotet werden. Die bisherigen Plakate waren dem FCB abgekupfert, in Rot-Schwarz gehalten, mit dem Logo in der Mitte. «Doch während jeder Basler sofort an Fussball denkt, wenn er Rot-Blau sieht, bleibt dieser Effekt bei uns aus», sagt Schwarz. Ihm schwebt eine Lösung mit einem Eishockeyaner in Action vor.
Klar ist, dass dies die Halle nicht über Nacht füllen wird. «Wir müssen auch Geduld haben», sagt Schwarz. Etwas Balsam für die Kasse ist zumindest heute in Sicht: Der EHC Basel empfängt mit dem SC Bern den Publikumsmagneten. Der anvisierte Durchschnitt dürfte nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen werden.
Fehlerfrei und kreativ gegen Bern
Gegen den Besten. «Ich habe die Spieler des SC Bern immer noch gern», sagt EHC-Basel-Trainer Kent Ruhnke. Trotzdem sei es für ihn kein besonderes Spiel, wenn die Basler heute Abend (19.45 Uhr, St.-Jakob-Arena) mit dem Berner Club seinen ehemaligen Arbeitgeber empfangen. «Doch nach dem Spiel gehe ich in die Kabine und begrüsse die Spieler», so der Kanadier. Während der Partie verlangt Ruhnke gegen den derzeitigen Tabellenzweiten von seinemTeam einen körperbetonten Auftritt. «Um gegen Bern zu punkten, müssen wir fehlerfrei spielen und offensiv kreativ sein», so der Headcoach. Denn der SCB sei derzeit die beste Equipe der Liga und könne aus allen Positionen Tore schiessen. Speziell gefordert wird daher wiederum Torhüter Daniel Manzato sein. Jarno Peltonen fällt weiterhin verletzt aus, und sollte Adrian Plavsic wieder einsatzfähig sein (wird heute entschieden), wäre Leonid Tambijew überzähliger Ausländer.